Angeschlagener Löw will "ausblenden, was auf uns einprasselt"

Löw steht in seiner schwierigsten Zeit als DFB-Coach.
Nach der heftigen Niederlage gegen Erzrivale Niederlande reist das DFB-Team unter großer Anspannung nach Paris.

Der Druck auf Joachim Löw ist groß. Der 58-Jährige muss vor der schwierigen Prüfung gegen Weltmeister Frankreich am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) personell und taktisch einen überzeugenden Plan entwerfen, um einem weiteren sportlichen Desaster zu entgehen. „Wir Trainer müssen die richtigen Schlüsse ziehen für das Spiel gegen Frankreich“, hatte der deutsche Teamchef noch in Amsterdam erklärt. Bayern-Verteidiger Jérôme Boateng muss wegen einer Wadenblessur auf jeden Fall in der Startformation ersetzt werden. Löw hat die Partie zum Charaktertest für seine Mannschaft erklärt.

Die Holland-Niederlage hat neue Grundsatzdebatten aufgeworfen, auch über Löw als geeigneten Erneuerer nach der WM-Blamage. „Wir müssen ausblenden, was auf uns einprasselt“, erklärte der 58-Jährige. „Inwiefern da jetzt die Entscheidungsträger beim DFB aktiv werden oder nicht, habe ich keine Ahnung“, sagte Mittelfeldspieler Julian Draxler von Paris Saint-Germain zur Bundestrainer-Debatte.

„Gegen Frankreich hatten wir in München die Chance, zu gewinnen“, erinnerte Kapitän Manuel Neuer an das 0:0 im Hinspiel. Ein Punkt wäre in der aktuellen Verfassung der DFB-Auswahl ein Achtungserfolg.

„Das große Geheimnis wird sein, dass wir in Frankreich nicht in Rückstand geraten“, sagte Neuers Münchner Vereinskollege Mats Hummels. Sonst könnten die Franzosen „ihren Konterfußball mit ihren Mopeds noch besser ausspielen“, bemerkte der Abwehrspieler mit Blick auf das enorme Tempo der französischen Offensivspieler um Jungstar KylianMbappé. Deutschland geht als Gruppenletzter mit einem Punkt in die Auswärtspartie gegen Spitzenreiter Frankreich (4 Zähler).

Zweifel 

Im deutschen Team scheinen sich unterdessen die ersten Zweifel breitzumachen. So rechnet etwa Bayern-Profi Joshua Kimmich nicht mit einer schnellen Rückkehr in die absolute Weltspitze. „So scheint es, wenn man die Ergebnisse sieht. Im Moment ist es ein schwerwiegendes Problem, keines, das wir von heute auf morgen abstellen können. Wir müssen daran arbeiten“, sagte Kimmich dem kicker.
Vor der Partie in Paris beschrieb der 23-Jährige die Mängel im DFB-Team: „Wir müssen die Qualität wieder auf den Platz bringen und als Einheit mit Leistung überzeugen. An der individuellen Klasse und an der Quantität guter Spieler mangelt es nicht“, sagte Kimmich.

Am Ziel Gruppensieg will Kimmich, der nach der WM von Löw vom rechten Außenverteidiger zum Sechser befördert worden war aber auch nach dem 0:3 in den Niederlanden festhalten. „Jeder der rechnen kann, weiß, was noch drin ist. Der Abstieg droht. Aber wir können auch noch Erster werden. Wir wollen beide Spiele gewinnen und Erster werden“, sagte Kimmich.

Wo sind die Goalies der Zukunft?

Zu allem Überfluss warnte nun auch der langjährige deutsche Teamgoalie Oliver Kahn vor einem mittelfristigen Problem auf dieser Position in der DFB-Auswahl. Im kicker sagte der 49-Jährige: „Ich sehe im Moment hinter Neuer und ter Stegen nicht das absolute junge Ausnahmetalent, das schon Spielpraxis auf hohem Niveau sammelt. Wir haben anscheinend keinen wie den 19-jährigen Gianluigi Donnarumma in Italien.“

Bei der Heim-Europameisterschaft 2024 wäre der jetzige Kapitän Manuel Neuer bereits 38 Jahre alt, Barcelona-Profi Marc-André ter Stegen 32 Jahre. Mit Blick auf die Bundesliga erklärte Kahn, dort seien zwar bei zwölf der 18 Klubs deutsche Torhüter die Nummer eins, neun von ihnen seien aber schon über 28 Jahre alt. Der heutige ZDF-Experte Kahn verwies ferner darauf, dass der vielversprechendste Schlussmann, der 24 Jahre alte U 21-Europameister Julian Pollersbeck, mit dem Hamburger SV in der 2. Bundesliga spielt.

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