Sorgenkind "Arena Lwiw"

Sorgenkind "Arena Lwiw"
Chaos beim Bau, Chaos bei der Eröffnung, mehr als doppelt so zeuer wie geplant - das EURO-Stadion hat reichlich Sorgen bereitet.

Das Nationalteam gastiert am Dienstag in jenem Stadion, das den Verantwortlichen der EURO 2012 in Polen und der Ukraine wohl die meisten Sorgen bereitet hat. Die "Arena Lwiw" löste schon vor Baubeginn heiße Diskussionen aus, die auch nach der feierlichen Eröffnung am 28. Oktober nicht abebbten.

Über 30.000 Zuschauer waren ins Stadion gekommen, um US-Popstar Anastacia zu lauschen. Der als prorussische geltende und deshalb in Lwiw unbeliebte Staatspräsident Wiktor Janukowitsch hingegen hatte auf sein Erscheinen in der westlich orientierten 750.000-Einwohner-Stadt vorsorglich verzichtet und ließ stattdessen eine Grußbotschaft via Stadion-Vidiwall veröffentlichen, was ein gellendes Pfeifkonzert von Teilen des Publikums zur Folge hatte.

Für Misstöne sorgte auch die Kiewer Feministen-Aktionsgruppe FEMEN: Zwei ihrer Mitglieder stellten sich barbusig vor die VIP-Tribüne und protestierten heftig gegen die EM 2012, die ihrer Meinung nach in der Ukraine zur Zunahme von Sex-Tourismus und Zwangs-Prostitution führen wird. Als hätten die Anwesenden nicht schon genug erlebt, mussten sie auch noch über herumliegende Kabel und Bauschutt steigen und durch Löcher im Dach blicken - die Arbeiten am Stadion waren zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht zur Gänze abgeschlossen.

Chaos beim Stadionbau

Dass die Arena, in der wie in Kiew und Donezk ein Spielfeld der NÖ-Firma Richter Rasen verlegt wurde, am kommenden Dienstag mit dem Testmatch zwischen der Ukraine und Österreich überhaupt ihr erstes Fußballspiel erlebt, schien bis vor wenigen Monaten noch nicht vorhersehbar.

Nach der EM-Vergabe im November 2005 erhielt zunächst der deutsche Konzern Hochtief den Bau-Zuschlag. Zu Jahresbeginn 2008 sah es wiederum danach aus, dass die Alpine zum Zug kommen würde. Das österreichische Unternehmen zog sich aber wieder zurück, weil die Stadt nachträglich versuchte, die vereinbarten Kosten zu senken.

210 Millionen statt 95 Millionen Euro

So dauerte es bis Anfang 2009, ehe eine ukrainische Firma einstieg und die Arena errichtete - auf Basis eines Entwurfs des österreichischen Architekten-Büros Albert Wimmer, das schon für die EURO-2008-Stadien in Salzburg, Innsbruck und Klagenfurt verantwortlich zeichnete.

Die Arbeiten an der rund 35.000 Zuschauer fassenden Arena, die an das Wörthersee-Stadion erinnert und Schauplatz von drei EM-Gruppenspielen sein wird, begannen stockend und wurden vor rund eineinhalb Jahren sogar kurzfristig unterbrochen.

Dank eines Drei-Schicht-Arbeitssystem gelang es doch noch, das Stadion wie von der UEFA gefordert sechs Monate vor Turnierbeginn zu eröffnen. Die Errichtungskosten dürften sich auf 210 Millionen Euro belaufen, ursprünglich veranschlagt waren 94,6 Millionen Euro.

Gemeinwohl oder Geldvernichtung?

Die Probleme in der Ukraine im Zusammenhang mit der EURO 2012 sind aber nicht nur auf die Arena in Lwiw beschränkt, sie reichen von der rein in kyrillischen Zeichen ausgeschilderten Kiewer U-Bahn, in der sich im Sommer westliche Touristen orientieren müssen, bis zur immer geringer werdenden Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung.

Das liegt vor allem an den geschätzten Gesamtkosten von 20 Milliarden Euro und den regelmäßig auftauchenden Berichten, wonach sich Politiker und Geschäftsleute an den immensen Investitionen persönlich bereichern.

Präsident Janukowitsch rechtfertigt die Infrastruktur-Maßnahmen als wesentlichen Beitrag für das Gemeinwohl, seine Kritiker sprechen hingegen von Geldvernichtung und weisen auf Milliarden-Ausgaben für neue Hotels oder Flughäfen, die nach der EM in dieser Größe nicht mehr benötigt werden.

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