Schmidt: "Es gibt keine Garantie"

Ein Mann in einer schwarzen Jacke hält sich frustriert den Kopf.
Vor seinem Wechsel nach Leverkusen spricht der Noch-Salzburg-Coach über ein tolles Jahr und seine nicht geplante Karriere.

Eigentlich sollte es ein Interview mit dem Meistertrainer werden. Geworden ist es nicht nur das, sondern auch ein Abschiedsgespräch. Seit neun Tagen steht fest, dass Roger Schmidt Salzburg Richtung Leverkusen verlassen wird. Vor der offiziellen Meisterfeier nach dem Sonntag-Heimspiel gegen Ried nahm sich der 47-jährige Deutsche ein vorerst letztes Mal als Red-Bull-Trainer für den KURIER Zeit ...

KURIER: Was hat Leverkusen, was Salzburg nicht hat?

Roger Schmidt: Leverkusen spielt in der Deutschen Bundesliga und ist einer der Topklubs. Deutschland ist ein größeres Land, der Fußball steht an allerallererster Stelle. Österreich ist viel kleiner, dann gibt es noch die vielen Skifahrer. Deshalb ist es etwas anders. Aufgrund dieser Situation ist Leverkusen rein sportlich einfach höher einzustufen.

Salzburg-Sportchef Ralf Rangnick hat vor ihrer Entscheidung für Leverkusen gemeint, dass Ihre Vertragsverlängerung im Dezember ein Bekenntnis zu Salzburg gewesen sei. War es das auch für Sie?

Ja, klar. Das war ein klares Bekenntnis. Der Verein ist ja auf mich zugekommen, nachdem man zuerst die Ziele erreichen und dann den Vertrag verlängern wollte. Das hat man sich dann aber anders überlegt. Wir haben Gespräche aufgenommen und diese auch zu Ende geführt. Ich habe um zwei Jahre verlängert und bin auch davon ausgegangen, dass ich bleiben würde.

Waren Sie überrascht, dass Sie eine Ausstiegsklausel bekommen haben?

Ich bin davon ausgegangen, einfach nur meinen Vertrag zu verlängern. Dann wurde es komplexer. Der Tatsache haben wir uns gestellt und einen Vertrag entworfen, mit dem beide Seiten einverstanden waren.

Es war dann schon zu Ihrem Vorteil, der Wechsel zu Leverkusen war einfacher, als wenn es die Klausel nicht gegeben hätte ...

Kann sein. Manchmal muss man es nehmen, wie es ist, und dann wird schon alles kommen, wie es kommen soll. So ist es halt passiert. Ich hatte die Möglichkeit, darüber nachzudenken. So spielt das Leben manchmal Schicksal.

Auch Sie haben gemeint, dass Kontinuität wichtig ist. Ist es dann förderlich, wenn ein Verein nach zwei Jahren einen neuen Trainer braucht?

Ich finde, dass wir in den zwei Jahren sehr viel Kontinuität gelebt haben. Wir haben immer ein klares Ziel gehabt, was am Ende des Tages für ein Fußball gespielt werden soll. Diesen Weg haben wir mit sehr viel Arbeit verfolgt. Das ist nicht alltäglich.

Also ist Ihr Weggang kein Bruch der Kontinuität?

Das Spezielle an Salzburg ist, dass man nicht gesagt hat, wir holen einen Trainer mit einer Spielphilosophie und dann einen mit einer anderen. So passiert es häufig. Dann wird auch der Kader dementsprechend zusammengestellt. Das hat sehr viel Fluktuation zu Folge. Hier ist klar der Ansatz: Wir wollen eine bestimmte Art von Fußball spielen. Dafür soll Red Bull Salzburg stehen. Dieser Weg wird weitergegangen. Natürlich mit einem anderen Trainer, mit anderen Schwerpunkten, mit anderen Details. Aber der Fußball soll schon ähnlich bleiben. Von daher glaube ich, dass der Trainerwechsel nicht so tragisch ist, zumindest nicht im Vergleich zu Vereinen, die das nicht so machen.

Waren Sie bei Ihrer Entscheidung nicht trotzdem egoistisch?

Ich habe meine Karriere noch nie geplant. Eigentlich wollte ich ja gar keine Karriere als Fußballtrainer machen. Alles, was in den neun Jahren, seit ich Trainer bin, passiert ist, war Zufall, Schicksal, waren Bauchentscheidungen. Mein Ziel war es nie, Trainer in der Deutschen Bundesliga zu werden. Ich wollte Spaß am Fußball haben und nach Möglichkeit mit meiner Mannschaft erfolgreich sein. Dann ergaben sich immer wieder Möglichkeiten, zu wechseln. Ich glaube, dass es tolerierbar ist, wenn ich mir meine Gedanken mache, besonders, wenn der Vertrag so gestaltet ist. Ich mache ja nichts, was mir nicht zusteht. Ich gehe jetzt im Erfolgsfall. Das ist ein bisschen traurig, weil gerade alles so gut läuft. Aber das ist doch viel schöner, als wenn ich gegangen wäre, wenn es nicht mehr so gelaufen wäre. Dann wäre das negativ behaftet.

Wenn Ihre Karriere Zufall war, dann war es der perfekte Zufall: Von der fünften deutschen Liga in vier Schritten bis in die erste Bundesliga. Einen perfekteren Karriereplan kann es ja gar nicht geben. Oder?

Den Plan hat quasi das Leben geschrieben. Es war alles andere als geplant. Dass ich jetzt zum zweiten Mal aus einem laufenden Vertrag herausgekauft wurde, das war ja nicht zu erwarten. Das ist ungewöhnlich im Fußball. Das hat sich so ergeben.

Wo sehen Sie sich in der ferneren Zukunft?

Keine Ahnung. Jetzt weiß ich einmal, was die nächsten zwei Jahre passiert. Ich weiß auch nicht, wie lange ich Trainer bleiben werde. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass ich das bis 60 machen werde.

Bei Ihrem Wechsel von Paderborn nach Salzburg haben Sie sich sehr schnell entschieden. Jetzt haben Sie sich viel mehr Zeit gelassen. Warum?

Ich treffe Entscheidungen immer erst dann, wenn es notwendig ist, nie voreilig. Es kann ja so viel passieren, insbesondere im Fußball. Vor zwei Jahren war es so, dass es am Donnerstag Kontakt gab, am Freitag ein Treffen – und am Samstag musste ich mich entscheiden. Jetzt hatte ich einfach mehr Zeit. Und die habe ich mir auch genommen, um Gespräche zu führen, darüber nachzudenken, alles zu reflektieren.

Wenn Sie vor einem Jahr schon die vertraglichen Möglichkeiten gehabt hätten, die Sie jetzt gehabt haben, wäre Köln damals wirklich ein Thema geworden?

Das glaube ich nicht. Ich hätte ja wechseln können. Es hätte sicherlich eine Lösung gegeben. Köln war sich der Tatsache bewusst, dass ich einen laufenden Vertrag habe. Ich wollte nicht, dass man verhandelt, weil ich gesagt habe, dass ich auf jeden Fall in Salzburg bleiben werde, es sei denn, der Verein möchte nicht mehr, dass ich bleibe. Zu dem Zeitpunkt zu gehen, wo alles noch negativ dargestellt wurde, was es ja auch teilweise war, teilweise aber auch nicht, weil wir auf einen sehr guten Weg waren, das wollte ich nicht. Wir haben jetzt 77 Punkte und damit genauso viele wie letztes Jahr zu Saisonende. Und auch der Fußball war gut. Aber für mich war es noch kein Punkt, an dem ich mich verabschieden wollte, weil wir noch nicht am Ende waren. Ich hätte nicht mit ruhigem Gewissen gehen können.

Das ganz große Ziel von Red Bull, die Champions League, haben Sie nicht geschafft. Ist Ihre Arbeit nicht unvollendet?

Es fühlt sich schon so ein bisschen an. Das war auch ein Grund, warum ich so lange überlegt habe. Man hätte durchaus auch die Entscheidung treffen können, weiterzumachen, um dieses Ziel noch zu erreichen. Aber ob ich dann wieder diese Alternativen gehabt hätte, war schwer absehbar. Ob man die Champions League überhaupt erreicht, ist ja auch nicht sicher. Es gibt keine Garantie.

Die gibt es aber auch bei Leverkusen nicht...

Sicherheit hat man im Fußball nie. Man sieht ja jetzt am Beispiel Bayern, wie schnell sich alles ändern kann. Vor ein paar Monaten waren sie noch die Unschlagbaren mit dem besten Kader der Welt. Und heute sagen wir, da muss jetzt irgendwas passieren, sonst wird das nichts. Das ist Fußball.

Ihnen ist es ja in Salzburg auch so gegangen, nur umgekehrt. Nach dem Ausscheiden gegen Düdelingen hätten Sie viele Experten am liebsten in die Wüste geschickt. Und jetzt könnte man glauben, der Heiland von Salzburg geht. Was denkt man sich da?

Der Fußball ist einfach zu wichtig und zu schnelllebig. Er bewegt die Menschen. Es gibt Schlechtes oder Gutes. Mittelmaß bewegt keinen. Dagegen kann man sich nicht wehren. Das einzige, das dagegen hilft, ist, Spiele zu gewinnen. Deshalb konzentriere ich mich in jeder Lage darauf, meine Mannschaft gut vorzubereiten, ein gutes Training zu machen, in die Mannschaft reinzuhorchen.

Ist Ihnen die Meinung von Fußball-Experten wichtig?

Es kommt darauf an, wer diese preisgibt. Wenn das jemand ist, den man respektiert, wo man denkt, dass der Ahnung hat, dann kann man sich dieser Kritik eher annehmen als wenn das jemand ist, wo ich sage, der beschäftigt sich überhaupt nicht damit. Wenn etwa Heribert Weber etwas äußert, nehme ich das schon ernst.

War das immer so?

Gerade zu Beginn, wenn man noch nicht weiß, was dahintersteckt, wenn dann sehr schnell sehr kritisch berichtet wird, dann bin ich bereit, auch dafür zu kämpfen, dass die Mannschaft nicht in Grund und Boden geschrieben wird. Ich lasse mir auch nicht alles gefallen, habe eine klare Meinung, und die werde ich auch öffentlich kundtun. Heribert Weber zeichnet aber auch aus, dass er das dann auch anders reflektiert, sich mit unserem Spiel beschäftigt und dann auch sagt, dass das eine wirklich gute Entwicklung genommen hat. Mit so etwas kann ich etwas anfangen. Kritikfähigkeit ist nicht unbedingt meine stärkste Charaktereigenschaft, das gebe ich gerne zu. Aber genauso kann ich auch über Kritik von Leuten hinwegsehen, die keine Ahnung haben.

Was werden Sie vermissen?

Vor allen viele Menschen. Und natürlich auch Österreich. Das Salzburger Land habe ich wirklich schätzen gelernt. Ich habe mich hier zwei Jahre sehr wohl gefühlt. Ich werde es vermissen, nach Taxham zu fahren, mich da umzuziehen, auf den Rasen zu gehen und meine Mannschaft zu trainieren. Das ist sicherlich etwas, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Aber ich tausche das ja hoffentlich ein gegen eine andere sehr gute Mannschaft.

Viele meinen, dass Sie Österreich verlassen, weil Sie nicht mehr nach Wolfsberg, in die Südstadt oder nach Wiener Neustadt fahren wollten. Aber Sie haben vor Ihrer Zeit in Salzburg in Deutschland auch bei Klubs gearbeitet, die nicht gerade der Nabel der Fußballwelt waren...

Ich habe im Fußball viel erlebt und meine Erfahrung gesammelt auf unterschiedlichen Niveaus. Es ist auch sehr wichtig, einmal so etwas wie in Delbrück zu erleben, einen Verein mit Amateurstatus, wo aber ganz viele Leute sind, die sehr viel Motivation haben, etwas zu entwickeln. Das macht genauso viel Spaß wie beim großen Fußball, nur, dass da halt ein paar Tausend Zuschauer weniger sind. Aber ich war am Dienstag in München: Wenn du in der Allianz-Arena siehst, wie Fußball auch sein kann mit dem ganzen Drumherum, ist das natürlich schöner, als vor 1500 Zuschauern zu spielen.

Ist das auch ein Grund, warum Sie die Chance Leverkusen wahrnehmen, weil es als Spieler nie mit der Deutschen Bundesliga geklappt hat?

Nein, eigentlich nicht. Die aktive Zeit und jene als Trainer sind zwei Paar Schuhe. Das ist ein völlig anderer Blickwinkel. Es war damals für mich auch okay. Ich hätte die Gelegenheit gehabt, in den Profibereich zu gehen, aber für mich war mein Studium einfach wichtiger, als vielleicht einmal in der zweiten Liga zu spielen. Ich habe das nie bereut.

Sehen Sie es als Vorteil, dass Sie studiert haben?

Jede Ausbildung, die man zu Ende bringt, ist wichtig für das Leben. Auch das Berufsleben aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben, kann nur von Vorteil sein. Ich habe ja alles gemacht. Ich habe ein Lehre gemacht, als Werkzeugmacher gearbeitet, Maschinenbau studiert, als Ingenieur gearbeitet, auch noch Sport studiert, als Trainer und als Ingenieur gleichzeitig gearbeitet, dann irgendwann nur noch als Trainer. Das hilft einem dann auch, Situationen einzuschätzen, vor allem, wenn es darum geht, mit Menschen richtig umzugehen. Da sind Erfahrungen schon wichtig.

Wäre es vorstellbar für Sie, irgendwann noch einmal als Ingenieur zu arbeiten?

Ich kann mir vorstellen, auch einmal etwas ganz anderes zu machen. Ich will jetzt nichts ausschließen, warte einfach darauf, was das Leben mit mir vorhat.

Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Salzburg-Sportchef Ralf Rangnick beschreiben?

Ich denke, dass wir eine sehr gute Beziehung haben. Wir diskutieren natürlich sehr kritisch miteinander. Es ist nicht so, dass wir uns permanent in den Armen liegen. Wir arbeiten sehr viel und machen uns Gedanken, wie wir die Mannschaft nach vorne bringen können. Wir machen das konstruktiv, auch in schwierigen Situationen.

Gab es Einmischungen in Ihren Arbeitsbereich?

Überhaupt nicht. Ich habe das Gefühl gehabt, dass ich als Trainer alle Verantwortung habe, die ich auch brauche. Diese Zusammenarbeit war mir auch wichtig, dieser Austausch mit Ralf Rangnick war genau das, warum ich auch nach Salzburg gekommen bin. Dass man versucht, die Erfahrung, die er hat, und die Ansicht, die ich habe, so zusammenzuführen, dass der bestmögliche Fußball dabei herauskommt. Genauso habe ich das gesehen. Dann kann das ruhig einmal kritisch sein. Aber als Trainer bin natürlich ich für die sportlichen Dinge, für die Mannschaft verantwortlich. Dieser Verantwortung konnte ich immer gerecht werden.

Die aktuelle Salzburger Mannschaft scheint sportlich und menschlich perfekt zusammenzupassen. Wie sehen Sie das?

Ich glaube, dass wir nahe an der Perfektion waren in einigen Momenten. In der absoluten Überform, die wir im Laufe dieser Saison hatten, haben wir so Fußball gespielt wie diese Gemeinschaft es besser nicht kann. Davon bin ich überzeugt. Das geht nur, wenn alles rund ist und das Team charakterlich zusammenpasst.

Könnten Sie es da vertreten, einen Spieler dieser Salzburger Mannschaft nach Leverkusen mitzunehmen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Spieler nach Leverkusen wechselt. Aber natürlich ist das nicht so, weil ich dort Trainer werde. Das eine schließt das andere nicht aus. Im Fußball ist es normal, dass Spieler von anderen Vereinen geholt werden. Aber alle Spieler haben in Salzburg langfristige Verträge, der Verein muss niemanden abgeben, gerade im Hinblick auf die Champions-League-Qualifikation. Herr Rangnick hat das ja auch klar kommuniziert.

Wie fällt Ihre Saisonbilanz aus?

Das Außergewöhnliche war, dass wir wirklich alle drei Tage sehr hohes Niveau gespielt und versucht haben, das 90 Minuten durchzuziehen. Wenn man in einer Saison 106 Tore schießt, in zwei Saisonen fast 200, zeigt das einfach, dass die Mannschaft nie zufrieden ist, ein bisschen besser zu sein als der Gegner, sondern immer versucht, an die eigene Leistungsgrenze zu kommen. Das war genau das, was wir uns vorgenommen haben.

Es ist durchaus möglich, dass Salzburg in der kommenden Saison auf Leverkusen trifft. Wäre so ein Duell für Sie ein Traum oder ein Albtraum?

(lacht) Ach, ich weiß nicht. Das muss nicht sein. Wenn es so kommt, dann kommt es so. Dann muss man sich der Situation stellen. Ich werde Red Bull Salzburg jeden Sieg gönnen, und deshalb wäre es schöner, wenn wir nicht gegeneinander spielen. Das wäre das einzige Spiel, wo das natürlich nicht geht.

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