Nationalteam: Jeden Tag ein bisschen Blut

Tränen fließen in der Vorbereitung des Nationalteams auf das Testspiel in der Ukraine hoffentlich keine - Schweiß und Blut sehr wohl.
Letzteres auf Initiative des neuen Teamarztes
Richard Eggenhofer. Noch vor dem Frühstück wird den Spielern aus dem Finger eine kleine Menge Blut, die anschließend mittels eines Spezialgeräts zentrifugiert und danach mit einem Teststreifen in Berührung gebracht wird, um den Kreatinkinase-(CK-)Wert zu ermitteln.
Dadurch wird festgestellt, ob Muskelfasern etwa wegen Überbelastung zu Schaden gekommen sind und deswegen eine erhöhte Verletzungsgefahr besteht. "Der CK-Wert ist ein Indikator für die Beanspruchung der Muskulatur. Ist er zu hoch, können Verletzungen entstehen", erklärte Eggenhofer.
Intensität
Die Test-Ergebnisse stehen rund eineinhalb Stunden nach der Blutentnahme fest und haben maßgeblichen Einfluss auf die Trainingsgestaltung. Kicker außerhalb ihrer CK-Norm werden aus dem Mannschaftstraining herausgenommen und absolvieren eine leichtere Einheit. "Es kann sein, dass die Mannschaft im Training in mehrere Gruppen aufgesplittet wird, oder dass generell mit der Trainings-Intensität zurückgegangen wird."
Entscheidend für den Erfolg dieser Methoden ist laut dem 44-Jährigen, dass genügend Vor-Werte der Spieler vorhanden sind, da es keine allgemeingültigen Grenzwerte gibt, sondern die Ergebnisse individuell betrachtet werden müssen.
Von Kickern wie Andreas Ivanschitz, Emanuel Pogatetz, Sebastian Prödl oder Martin Harnik, die Eggenhofer in seiner langjährigen Tätigkeit beim ÖFB schon auf Nachwuchsebene betreute, hat der Teamarzt der U20-WM-Vierten von 2007 genügend Daten. "Von den anderen brauche ich noch mehr Werte."
Empfänglicher Teamchef
Von jenen Spielern, die erstmals mit der Arbeitsweise von Eggenhofer konfrontiert wurden, gab es nach den Angaben des Mediziners keine negativen Reaktionen zum täglichen Aderlass. "Die meisten haben davon gehört und gewusst, was auf sie zukommt. Mir eilt ja auch der Ruf voraus, dass ich so etwas mache."
Teamchef
Marcel Koller hat bei seinen bisherigen Engagements keine Trainingssteuerung mittels CK-Werten vorgenommen, zeigt sich aber für diese Philosophie empfänglich. "Er war in unserem ersten Gespräch sehr interessiert daran und hat gesagt, er will das forcieren und darauf wertlegen", berichtete Eggenhofer.
Gute Erfahrungen
Im Endeffekt liegt es auch im Ermessen des Teamchefs, ob ein Spieler trotz schlechter Testergebnisse voll belastet wird. "Das entscheidet allein Marcel Koller", versicherte der seit 18 Jahren im
Burgenland wohnhafte gebürtige Wiener, der bisher die Erfahrung machte, dass mit dem Interesse der Spieler an ihren Werten auch das Bestreben wuchs, bei den Tests immer besser abzuschneiden. Deshalb stieg auch die Motivation zu noch mehr physischer Arbeit und Rücksichtnahme auf den eigenen Körper.
Ein allzu beherrschendes Thema sollen die CK-Werte aber nicht werden. "An den Spieltagen machen wir keine Messungen, um die Spieler nicht zu verunsichern", betonte Eggenhofer. Seine Arbeit wird zwar von manch anderen Medizinern skeptisch beurteilt, die Resultate sprechen jedoch für den Nachfolger von Ernst Schopp.
In den fast vier Jahren, in denen er mit den U20-WM-Vierten von 2007 im Nationalverbands-Nachwuchs zusammenarbeitete, gab es während eines ÖFB-Camps keine einzige Muskelverletzung.
Omega-Wave-Analyse
Die
Blutabnahme ist nicht die einzige Neuerung: Zur Anwendung kommt auch die sogenannte Omega-Wave-Analyse. Dabei wird bei einem Spieler im Ruhezustand mit Elektroden an allen vier Extremitäten der Pulsschlag gemessen. Dadurch ergibt sich die sogenannte Herzratenvariabilität, die das Maß dafür ist, ob der Organismus gesund und ausgerastet ist oder unter Stress steht. "Omega Wave ist das Abbild der Bereitschaft für hohe Leistungsfähigkeit", erklärte Zallinger.
"Bei unserer Arbeit handelt es sich nur um einen Mosaikstein, doch es wäre eine Unterlassung, wenn wir das nicht tun würden." Zum unmittelbaren Erfolg würden die Messungen wohl nicht beitragen, vermutete der Sportwissenschaftler. "Aber man kann ein gewisses Maß an Sicherheit erzeugen, weil man weiß, wie man die Spieler belasten kann. Das trägt ein Stück dazu bei, dass man qualitativ gut arbeiten kann."
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