Schon seit Jahren spielt Neapel wieder mit im Konzert der Großen in Italien. Mit den reichen Klubs aus dem Norden und mit den Römern. Doch so knapp dran, aus dem Schatten der Maradona-Zeit zu treten, war die SSC seit mehr als 30 Jahren noch nie. Es ist erst Halbzeit in der italienischen Meisterschaft, doch in Neapel träumen sie schon vom Titel. Es wäre endlich die Selbstbestätigung eines Volkes, das nach Überzeugung mancher Italiener wohl singen und stehlen, jedoch nicht siegen kann.
Nach dem 2:0 gegen Salernitana beträgt der Vorsprung auf den AC Milan schon zwölf Punkte, die einzige Niederlage gab es vor der WM-Pause gegen Inter. Mit 50 Punkten hat man die Chance, die 100-Punkte-Marke zu knacken. 46 Tore hat der beste Angriff der Liga geschossen, nur 14 Tore die beste Abwehr kassiert.
Napoli ist neben der Agnelli-Erbpacht Juventus einer der wenigen erfolgreichen Klubs in Italien, der noch fest in italienischer Hand ist. Inter gehört Chinesen, Roma einem Amerikaner, Milan einer US-Investmentfirma. Aurelio De Laurentiis, ein 73-jähriger Filmproduzent, ist seit 2004 Vorsitzender des SSC Napoli. Er übernahm den insolventen Verein, 2011 stand der Klub 21 Jahre nach Diego Maradona zum ersten Mal in der Champions League, 2013 feierten die Himmelblauen die erste alleinige Tabellenführung seit Maradonas zweitem Titel 1990.
Aufgrund der Einkaufspolitik zählte Neapel im Sommer nicht zu den Favoriten auf die Meisterschaft. Innenverteidiger Kalidou Koulibaly ging zu Chelsea. Sein Ersatz wurde Kim Min-jae, ein damals 25-jähriger Koreaner, der davor ein Jahr bei Fenerbahce war. Mit Chwitscha Kwarazchelia kam ein 21-jähriger Flügelstürmer aus Georgien um nur zehn Millionen Euro.
Architekt des Erfolgsteams ist Luciano Spalletti. Der 63-Jährige ist seit 2021 bei Neapel und schrieb im Jänner Geschichte als Trainer, der die meisten Siege in der Serie A holte, seit es die Dreipunkteregel gibt. 276 Siege gelangen seinen Mannschaften im italienischen Oberhaus. 1993 stieg Spalletti bei Empoli ins Trainergeschäft ein und schaffte gleich den Durchmarsch von der Serie C in die Serie A. 2005 brachte er Udine in die Champions League. Es folgten vier Jahre AS Roma, St. Petersburg und wieder Roma, wo er Klublegende Francesco Totti nur ein bisschen Altersteilzeit gewährte. Danach führte er Inter Mailand nach sechs Jahren Abwesenheit wieder in die Champions League.
Er spielt gerne 4-2-3-1 oder 4-3-3 mit schnellen Flügeln – als solche blühten diese Saison Kwarazchelia und Politano auf. Von ihnen profitiert der Nigerianer Victor Osimhen, der mit 18 Treffern die Torschützenliste anführt. Laut Finanzportal Calcio e Finanza verdient Spalletti drei Millionen Euro im Jahr. Vier Millionen weniger als Jose Mourinho, dem Trainer des heutigen Gegners AS Roma.
Kommentare