Michael Krammer: "Bekannter als ein Finanzminister"
Für eine Bilanz ist es zu früh, aber einen (selbst)kritischen Rückblick wagt Michael Krammer nach seinem angekündigten Abschied. Der 58-jährige Mobilfunk-Manager wird im November nach zwei Amtszeiten als Rapid-Präsident aufhören. Im KURIER-Interview überrascht Krammer damit, zu erklären, wie er selbst überrascht wurde – von Rapid.
KURIER: Bei US-Präsidenten gibt es im letzten Jahr der zweiten Amtszeit das Phänomen der „lame duck“. Fühlen Sie sich nach dem angekündigten Abschied als lahme Ente?
Michael Krammer: Nein. Ich merke keinen Unterschied, auch bei meiner inneren Einstellung: Mich betrifft bei Rapid noch alles wie am ersten Tag. Die meisten Reaktionen waren ein „Danke“ für das Positive der ersten fünf Jahre.
Hätten Sie sich bei Ihrer Antrittsrede im November 2013 vorstellen können, dass es so schwierig wird?
Nein! Niemals hätte ich mir das gedacht oder vorstellen können. Ich habe mir damals eine Stakeholder-Map gemacht: Welche Kräfte wirken von wo auf den Verein? Das ist sehr komplex, mit Gruppen, die wirklich nicht immer einer Meinung sind. Wie schwierig das ist, kann keiner von außen abschätzen. Das kann ich meinem Nachfolger schon ankündigen. So wie es Rudi Edlinger damals bei mir gemacht hat.
Was hat er gesagt?
Ganz knapp vor der Wahl: „Als Rapid-Präsident stehst du mehr in der Öffentlichkeit und bist bekannter als ein Finanzminister. Ich weiß, wovon ich rede.“ Ich dachte zuerst, er übertreibt sicher. Aber er hatte recht.
Edlinger hat auch gemeint, dass der ehrenamtliche Präsident pro Woche 20 Stunden Zeit für Rapid haben sollte ...
... das sehe ich genauso. Dazu sollten Abendveranstaltungen wie Mitgliedertreffen oder Fanklub-Veranstaltungen besucht werden – und das kommt aus meiner Sicht zu den 20 Stunden pro Woche extra dazu. Man kann es aber sicher auch anders halten und Erfolg haben.
Wie meinen Sie das?
Ich will mich nicht als Role Model für einen Nachfolger sehen und werde zu möglichen Kandidaten nichts sagen. Das wäre beim Mitgliederverein Rapid unstatthaft.
Wünschen Sie sich, dass Ihr Nachfolger ohne harten Wahlkampf gefunden wird?
Bei Rapid kann alles passieren, aber eine Kampfabstimmung, an der sich die Öffentlichkeit ergötzt, kann nicht das Ziel des Vereins sein. Und: Was vor der Zusammensetzung des Wahlkomitees im Juni passiert, ist als Wahlkampfgeplänkel jedenfalls nebensächlich.
Wäre Ihnen Kontinuität wichtig?
Ein Mix gibt aus bestehenden Präsidiumsmitgliedern und neuen Persönlichkeiten macht aus meiner Sicht Sinn. Egal, wer Präsident wird.
Wird es Ihr Nachfolger leichter haben als Sie?
(denkt lange nach) Das Stadion ist gebaut, das fällt weg (lacht). So große Projekte wie der Stadionbau sind eine Herausforderung, haben aber auch den Vorteil, dass alle Kräfte im Verein gebündelt werden, um das Ziel zu erreichen. Das ist ein Segen.
Andererseits sind gerade in der Zeit des Einzugs in das Stadion Entscheidungen gefallen ...
... ohne die nötige Weisheit. Es gab im Sommer 2016 eine Entscheidung, die eine Weichenstellung in die falsche Richtung war. Angeheizt von der Euphorie, mit dem neuen Stadion auch sportlich noch etwas zu ändern, um ganz nach vorne
zu kommen. Im Rückblick wissen wir es besser.
Der Kredit für das Stadion läuft noch länger. Können Sie dem Nachfolger zumuten, für das geplante Trainingszentrum noch einen großen Kredit aufzunehmen?
Das wird nicht passieren. Beim Stadion-Kredit sind wir bei der Rückzahlung um mehr als fünf Millionen vor dem Plan. Wir beginnen im Sommer mit dem Bau des Trainingszentrums im Prater, aber da gibt es verschiedene Ausbaustufen. Außerdem werden wir das Grundstück nicht besitzen, sondern haben bei der Stadt Wien ein Baurecht darauf. Ob wir als Pächter auftreten oder als Mieter mit Kaufoption – das klären wir noch.
Warum wurde von der völlig unrealistischen Meistergruppe oder gar der kommenden Saison gesprochen, aber nicht von der Chance auf den Europacup durch das neue Play-off?
Es stimmt, dass die Wahrscheinlichkeit auf den Europacup über Platz 7 am größten ist. Aber dieses Szenario wollen wir nicht beschwören, solange es eine rechnerische Chance auf Platz 6 und den Sprung in die Meistergruppe gibt. Außerdem ist auch der Cup eine Chance für uns.
Sie merken gerade, dass Änderungen der Spielanlage Geld kosten. Warum gibt der Verein nicht stärker ein sportliches Konzept vor und zieht das dann langfristig durch?
Zwei Punkte: Zum einen ist es ganz schwierig, Trainer, die genau das weiterführen, zu finden und verpflichten zu können. Zum anderen sind wir mit dem Ballbesitz- und Positionsspiel immer wieder an Grenzen gestoßen. Da gibt’s erfolgreiche Gegenmittel, wenn wir selbst nicht ein deutlich überlegenes Spielermaterial aufbieten können. Deswegen wollen wir mehr Variabilität.
Fredy Bickel will Steffen Hofmann als seinen Nachfolger aufbauen. Sehen Sie in Steffen Hofmannn den künftigen Sportdirektor?
Das ist eine mittelfristige Vision. Aber man würde ihm nichts Gutes tun, das zu rasch anzudenken – das sieht auch er selbst so. Steff ist jetzt voll in seiner Rolle als Talentemanager drinnen. Wir müssen sehr vorsichtig sein, ihn als außergewöhnliche Ressource nicht zu verheizen.
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