"So erträumt man sich’s als Bua!"

Michael Gregoritsch traf in dieser Saison schon im Pokal und einmal in der Liga für den HSV
Michael Gregoritsch über seine ersten Wochen beim HSV, Vater Werner und die Chancen auf die EM.

Stürmer, die in der deutschen Bundesliga ihr Geld verdienen, hätte man vor einigen Jahren noch mit der Sänfte nach Wien zum Nationalteam getragen.

Nicht so 2015.

Michael Gregoritsch ist 21 Jahre jung, 1,91 Meter groß, technisch versiert und torgefährlich. Mit sechs Treffern in drei Partien ist der Sohn von U-21-Teamchef Werner Gregoritsch aktuell der Führende der europaweiten Torschützenliste in der U-21-EM-Qualifikation. Im A-Team ist der Stürmer des Hamburger SV in den nächsten Jahren der heißeste Nachfolge-Kandidat des 32-jährigen Marc Janko.

KURIER: Wie waren die ersten Wochen in der deutschen Bundesliga für Sie?
Michael Gregoritsch:
Sehr aufregend, teilweise erdrückend, was da auf mich zugekommen ist. Hunderte Fans und 15 Journalisten bei jedem Training. Das ist eine andere Welt, aber es ist spannend – und genau so erträumt man sich’s als kleiner Bua.

Wie kommen Sie mit dem großen Medieninteresse beim Hamburger SV zurecht?

Das hab’ ich gleich bei meinem ersten Interview kennengelernt, als ich einen Gag rausg’haut hab’.

Den wollen Sie uns doch sicher nicht vorenthalten.

Ich bin gefragt worden, ob ich mich schon auskenne in der Stadt und ob ich weiß, wo ich wohnen werde. Da hab’ ich daran erinnert, dass ich Hamburg von meinem Jahr bei St. Pauli schon kenne, nur dass ich damals eben beim "falschen Verein" war. Das ist dann natürlich gleich aufgebauscht worden.

Was bekommt man in Deutschland als junger Spieler noch mit, was man in Österreich nicht bekommt?

Die Selbstüberzeugung, die schon die jungen Spieler haben und die oft als Arroganz ausgelegt wird, obwohl es nicht arrogant gemeint ist. Genau das, warum wir Österreicher uns immer freuen, wenn die Deutschen ein bisserl straucheln oder stolpern. Dass du hart arbeiten musst, bekommst du in Österreich auch mit. Die Grundprinzipien sind gleich, nur sind in Deutschland ganz andere Möglichkeiten da.

Haben Sie dieses deutsche Selbstvertrauen verinnerlicht?

Ich glaube schon. Wir haben ja im österreichischen Unter-21-Team eine Menge Deutschland-Legionäre. Da nennen wir es die neue österreichische Mentalität. Wir geben nie auf, wir wissen, was wir können, haben aber auch Respekt vor dem Gegner.

Sie reden gerade Steirisch, haben aber zuletzt dem TV-Sender "Sky" ein Interview in gestochenem Hochdeutsch gegeben. Ist das notwendig?

Ja, leider. Man will nicht immer alles drei Mal wiederholen. Und es ist mühsam, wenn sie dich nachmachen und damit aufziehen, selbst wenn es lieb gemeint ist. Es ist aber nicht so, dass ich meine Wurzeln verbergen will.

Wie würden Sie sich selbst als Spielertyp charakterisieren?

Ich denke, dass ich meiner Größe (1,91 Meter, Anm.) entsprechend kopfballstark bin, dass ich eine sehr, sehr gute Technik habe und immer geil auf ein Tor bin. Dass ich immer den Weg zum Tor suche, ist eine meiner größten Stärken. Schwächen hab’ ich natürlich auch viele.

Zum Beispiel?

Mein rechter Fuß, die Rückwärtsbewegung und teilweise auch das Pressing-Verhalten. Daran arbeite ich aber sehr hart.

Und wie sind Sie als Mensch?

Sehr, sehr locker und zu 99 Prozent gut drauf. Da hab’ ich die österreichische Mentalität beibehalten.

Was haben Sie von Ihrem Vater, der als impulsiver Typ gilt?

Ich ertappe mich oft, wenn ich einen Spaß über ihn mache, aber eigentlich genauso bin wie er. Aber das ist ja schön. Diejenigen, die das Glück haben, von ihren Eltern etwas mitbekommen zu haben, sind ihnen auch meistens ähnlich. Ich bin nicht so extrem impulsiv wie er, aber knapp 90 Prozent werden es schon sein. Ob das gut oder schlecht ist, weiß man nicht genau (lacht).

Sie hatten Ihren Vater schon in Kapfenberg als Trainer und jetzt wieder im Unter-21-Team. Wie gehen Sie mit den Kritikern um, die Ihnen vorwerfen, bevorzugt zu werden?

Es hat uns nicht belastet, aber wir haben uns beide Gedanken gemacht, wie wir innerhalb der Mannschaft und auch in der Öffentlichkeit vermitteln können, dass das keine Protektion, sondern erarbeitet ist. Ich selbst hab’ das nur durch Leistung tun können.

Und wenn die Leistung einmal nicht gepasst hat?

Dann sind diese Stimmen lauter geworden. Der Vater hat es so gehandhabt, dass er bei 50:50-Entscheidungen grundsätzlich gegen mich entschieden hat.

Haben Sie sich darüber gar nicht beschwert?

Doch. Nicht öffentlich natürlich. Aber so wie Söhne mit ihren Vätern hin und wieder streiten, hab’ ich ihm das auch an den Kopf geworfen. Da haben wir auch sehr impulsiv diskutiert, aber er hat es mir sehr gut erklärt. Dadurch hab’ ich gelernt, damit umzugehen und probiert, zu zeigen, dass es keine 50:50-Entscheidungen mehr geben sollte.

Ist dieses Thema endgültig vom Tisch, seitdem der HSV drei Millionen Euro für Sie bezahlt hat und Sie in einer der besten Ligen der Welt spielen?

So lange er mein Trainer ist, wird es nie ganz vom Tisch sein. Durch den Transfer hab’ ich sicher viele Kritiker verstummen lassen. Ich geb’ mich damit aber nicht zufrieden. Ich bin mit meinen Leistungen noch nicht so zufrieden. Ich will auch die letzten Kritiker verstummen lassen.

Robuste Mittelstürmer, die technisch versiert sind, sind auch bei Marcel Koller gefragt. Schielen Sie auf die EM?

Natürlich träume ich davon. Ich versuche, die bestmöglichen Leistungen zu zeigen, um irgendwie als 23. Mann in den EM-Kader zu rutschen. Es wäre aber völlig sinnlos, zu glauben, man spielt Janko und Okotie mit Leistungen aus dem Team. Die beiden waren in den letzten Jahren so gut, dass man sagen muss: Die sind unantastbar. Ich klopf’ auf Holz und hoffe nicht, dass sich einer verletzt. Aber wenn Koller auf die Idee kommt, dass ihm der Gregoritsch helfen könnt’, dann will ich da sein.

Mit welchem Gefühl sehen Sie sich ein A-Länderspiel an?

Mit extremem Patriotismus. Ich bin wirklich ein Fan dieser Mannschaft.

Sie haben beim HSV einen Vierjahresvertrag unterschrieben. Haben Sie ausgesorgt?

Das glaub’ ich nicht. Aber es ist schön, dass ich für mein Alter wahrscheinlich viel zu viel verdiene. Mein großer Bruder ist Finanzberater und meine Bezugsperson. Wenn ich auf die Idee komm’, mir ein goldenes Waschbecken zu kaufen, dann sagt er: "Meister, jetzt kommst wieder runter, gehst zum Billa und kaufst dir eine Tafel Schokolade."

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