"Man holt Andreas Herzog so, wie er ist"

Fünf Länderspiele in nur vier Wochen: Auf
Andreas Herzog, den Co-Trainer von Jürgen Klinsmann beim US-Fußballteam, wartet eine intensive Zeit in Übersee.
Der KURIER sprach mit dem österreichischen Rekord-Nationalspieler, bevor er in die Luft ging.
KURIER: Wie oft sind Sie im Auftrag Ihrer Majestät Klinsmann unterwegs?
Andreas Herzog: Es werden im Schnitt mindestens zwei bis drei Tage pro Woche sein, an denen ich in Europa unterwegs bin und Spieler beobachte. Ich bin für die US-Legionäre in Europa zuständig, gemeinsam mit Matthias Hamann. Jürgen Klinsmann und Martin Vazquez kümmern sich um alles in den
USA. Ich bin nur bei Länderspielen und Trainingslagern in den USA, wie jetzt in den kommenden Wochen.
Also noch kein waschechter Amerikaner?
Nein, dafür bin ich zu wenig in Übersee. Aber jetzt treffen wir einander in Orlando, dann folgen Testspiele in Jacksonville, Washington und Toronto, gegen Schottland, Brasilien und Kanada. Die
WM-Qualifikation beginnt für uns im Juni in Tampa Bay in Florida, dann geht es nach Guatemala.
Mit den USA werden Sie wohl leichter zur WM fahren als mit
Österreich.
Warten wir ab, der Qualitätsunterschied ist nicht groß. Man sagt generell, dass man sich mit den USA leichter qualifizieren kann. Übermächte wie Deutschland hast du natürlich nicht in der Gruppe, aber Spiele gegen Mexiko oder Costa Rica sind schon sehr enge Angelegenheiten. Auch in Panama musst du erst gewinnen. Die haben gute Spieler, die in Europa niemand kennt. Das wäre, als würden die USA gegen Bosnien antreten.

Wo liegt der Unterschied zwischen den USA und Österreich? Ist es die Mentalität?
Wenn sie etwas machen, dann zu 100 Prozent. Und sie haben diese
Siegermentalität. Das musst du als Amerikaner in dir haben, das Land will seine Helden. Es gibt für sie nichts Schlimmeres als etwas Farbloses. Das färbt auf die Spieler ab.
Müssen wir uns das abschauen? Österreich hat auch gerne Helden.
Schon, aber bei uns ist es so: Wenn wir 1:2 verlieren, dann sagen viele, wir hätten eh’ brav gespielt. Eine Niederlage ist aber eine Niederlage, da kann man nicht zufrieden sein. So entwickelt man keine Siegermentalität.
Wie sieht Ihre Tätigkeit aus?
Bei Teamcamps arbeite ich ganz normal auf dem Platz als Assistent, mache mit den Spielern Übungen, stimme mich mit
Klinsmann ab. Er sagt uns die Schwerpunkte der Arbeit, Vazquez und ich setzen das um. Für mich ist es interessant, weil ich viele neue Leute und Typen kennenlerne. Da sind schon lockere Hund’ dabei. Aber jedes Land hat eigene Probleme. Auch wir: Viele Vereine wollen die Spieler nicht hergeben, weil sie schon Urlaub haben. Aber wir haben zwei Quali-Spiele vor der Tür.
An Trainer Klinsmann gab es immer wieder Kritik. Beim deutschen Team soll Joachim Löw im Hintergrund die Fäden gezogen haben.
Aber das ist doch heute ganz normal. Wenn du einen wichtigen Posten innehast, wirst du schauen, dass in deinem Umfeld gute Leute arbeiten. In der U-21 habe ich Roger Spry blind vertraut. Wenn du Erfolg haben willst, dann brauchst du gute Leute. Das ist ja kein Zeichen von Schwäche.
Wie ist der Stellenwert des Fußballs in den USA?
Es wird immer besser, weil alle Vereine mittlerweile ihre Akademien haben. Die jungen Leute haben alle eine gewisse Athletik dadurch, aber es fehlt das Spezifische, auch das wird jetzt besser. Die kleinen Kinder laufen bereits alle mit Fußball-Trikots durch die Gegend.
Wer ist der Beste von den US-Legionären?
Clint Dempsey von Fulham. Er ist zum viertbesten Spieler der Premier League gewählt worden. 29 Jahre alt, ein toller Offensivspieler.
Wie sehen Sie die Entwicklung des Fußballs allgemein?
Viele Trainer legen ihre Strategie auf Verteidigen aus. So geht der Fußball aber auf Dauer zugrunde. Daher ist es gut, dass es Mannschaften wie Barcelona oder Real Madrid gibt.
In Österreich wird auch nur noch verteidigt.
Zu viel. Ich habe auch fürchterliche Spiele in England gesehen. Da war mir klar, warum Rapid zwei Mal im
Europacup Aston Villa eliminieren konnte. Das Problem ist: Im TV sehen wir dauernd die Champions League. Messi hier, Ronaldo da. Dort können wir nicht einmal hinnaschen. Und in Österreich fehlen sicher die herausragenden Spieler. Hofmann ist noch einer, Jantscher hat im Frühjahr aufgezeigt.
Wo steht Österreich in zwei Jahren?
Die WM-Quali-Gruppe ist sehr schwer, schwerer als die EM-Quali-Gruppe. Aber unsere Mannschaft ist viel reifer geworden. Eins ist klar: Damit man zur WM fährt, braucht man drei Dinge: einen tollen Tormann, einen Spieler im Mittelfeld, der Spiele entscheiden kann, und einen Torjäger.
Den Spielmacher gibt es aber nicht mehr.
Blödsinn. Nur lassen die meisten bei einem 4-4-2-System schon mit zwei Sechsern (defensive Mittelfeldspieler, Anm.) spielen. Unser Problem ist, dass in den vergangenen zehn Jahren in den Akademien keine Spielmacher produziert wurden. Ich hoffe, das ändert sich in Zukunft.

Sie haben gesagt, Arnautovic sei vom Potenzial her Österreichs Bester der Geschichte. Revidieren Sie das?
Nein. Aber langsam vergeht die Zeit. Er muss auf den Endzweck spielen und Tore machen. In der U-21 hat er in jedem Spiel getroffen, aber da war er unterfordert.
Dafür zeigt Bayern Münchens David Alaba, wie’s geht.
Bei ihm beeindruckt mich die Liebe zum Spiel. Er macht alles mit Freude, daher gelingt das meiste. Dafür ist er das Paradebeispiel, das kann man schwer kopieren. Man darf ihn aber nicht zu sehr unter Druck setzen, nicht erwarten, dass er im Team Spielmacher ist.
Sind Sie in der besten Zeit Ihres Lebens?
Nein, die schönste Zeit ist die als Aktiver. Das möchte ich auch jedem Spieler mitgeben: Gib Vollgas, solange dich dein Körper trägt. Hab’ Spaß an deinem Beruf. Der Trainerjob ist beim Training angenehmer, aber sonst muss man sich so viele Gedanken machen.
Haben Sie es verkraftet, dass Sie nicht Teamchef geworden sind?
Ja, das ist erledigt. Ich hätte es aber gerne gemacht.
Wollen Sie Klubtrainer werden?
Die tägliche Arbeit ist schon wichtig, wenn man ein Team formen will. Ich weiß, dass ich mir nicht viel dreinreden lasse. Ich halte ja auch den Schädel für alles hin. Da hätte ich bei einigen Vereinen sicher ein Problem. Man holt aber den Andreas Herzog so, wie er ist.
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