Lwiw, von der k.u.k-Monarchie geprägt

Lokalaugenschein: Lwiw in der Ukraine macht sich schick für die Fußball-EURO 2012.

Ungefähr 10 Quadratmeter hat der Raum, in den sich die soeben angekommenen Menschen drängeln. 33 sind es. Geklettert aus einer von Propellern angetriebenen Konservenbüchse, die aufgrund ihrer Winzigkeit Landeerlaubnis erhielt in der westukrainischen Stadt Lwiw.

Größere Fluggeräte dürfen den Airport erst anfliegen, wenn die dementsprechend lange Rollbahn fertiggestellt ist. Und das soll tatsächlich klappen. Irgendwann, aber noch bevor die Fußball-Europameisterschaft am 8. Juni 2012 ihre Tore öffnet.

Skepsis

Bagger und Erdhaufen prägen das Erscheinungsbild eines Flughafens, der in seiner bestehenden Form den Vergleich mit einem mittelgroßen Bahnhof nicht zu scheuen braucht. Neu ist bereits das Stadion, das gerade erst vor wenigen Minuten überflogen wurde. Neu, 220 Millionen Euro teuer, aber noch längst nicht fertig.

Kräne, Baucontainer - unübersehbare Zeichen für eiligen Errichtungswillen. Hier in der Lwiw-Arena - ein klingender Namen soll erst gefunden werden - wird Österreichs Fußball-Nationalteam am Dienstag die Baustelle im Länderspiel gegen Gastgeber Ukraine zumindest bespielbar machen. Provisorische Einweihung nennt man so etwas.

Sieben Monate bis zur EM. Die Frage quält den Betrachter: Geht sich das aus? "Keine ernsthaften Probleme mehr", meinte kürzlich UEFA-Präsident Michel Platini. Wenigstens ihm sollte man glauben. Durcheinandergebeutelt werden solche Gedanken von buckeligen Straßen auf der Fahrt ins Zentrum der Stadt.

Im Bus wird gewartet. Vor allem auf die Bestätigung, warum das alte Lemberg als schönste Stadt der Ukraine gehandelt wird. Dies hat der junge Mann, der neben dem Fahrer ins Mikrofon spricht, auch mit Stolz behauptet. "Eine Stadt mit Ambiente, nicht so egoistisch wie andere Städte im sowjetischen Stil", meint er. Und zeigt auf Wohnblocks, die sie hier "Bienenstöcke" oder "Schließfächer" nennen.

Spuren

800.000 Menschen leben in Lwiw. Eine Größe, die nicht so richtig ins Bewusstsein wächst. Fast dörflich muten die gepflasterten Verkehrswege an. Alles getränkt in das Grau des Herbsts, die vage Vorstellung einer vergangenen Epoche, die auch eine sehr dunkle war. Einst war Lemberg jüdisch geprägt. Die Nazis machten dem ein grausames Ende.

Die Blicke gehen an renovierungsbedürftigen Häuserfronten hoch, fallen in aufgerissene Straßen. Steinhaufen, die der Straßenbahnlinie den Betrieb verbieten - das alte Zentrum trägt jetzt andere Wunden zur Schau. Doch erkennbar sind die Bemühungen, selbige vernarben zu lassen, bevor der erhoffte internationale Ansturm im Sommer einsetzen wird.

Touristisch soll die Stadt trotzdem schon sein, studentisch lebhaft sowieso. Sieben Universitäten gibt es in Lwiw, 100.000 Studenten, die sie besuchen.

Schwärmereien

Der Mann, der all die Geschichten erzählt, schwärmt von der "gemütlichen Atmosphäre". Von einem Altwiener Kaffeehaus - immerhin war auch Österreich im 18. Jahrhundert an Lembergs Geschichtsschreibung beteiligt - und von der ältesten Brauerei, die im ehemaligen Sowjetreich je betrieben wurde, von vielen Restaurants und Bars, schlicht von Orten, die gut geeignet sind, um "Koma zu saufen".

Warum sollten die Probleme hier auch andere sein als jene im Westen?

Wohltuend fällt auf, dass die meist kleinen Geschäfte noch lange nicht überflutet sind von all den gängigen Logos, die sämtliche Städte so vergleichbar machen. Keine In-Mode-Läden, kein marktschreierischer Sportartikelanführer, keine auf den ersten Blick erkennbare Einladung zum Fast-Food.

Noch.

Aber auch das wird sich geändert haben, wenn im Sommer 2012 der Fußball zum großen Fest lädt.

Und man weiß ja: Alles wird rechtzeitig fertig. Auch in der Ukraine.

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