Kühbauer: "Spieler dürfen weinen"

Der Trainer von Sensationsteam Admira ist derzeit ein gefragter Mann, der die Gefühle seiner Kicker respektiert.

Dietmar Kühbauer schaut auf das Display seines Handys. Die SMS verheißt nichts Gutes. "Wieder eine Einladung zu einer TV-Sache", sagt der 40-Jährige.

KURIER: Sie werden eingeladen ins Fernsehen, Morgenradio, zu Fußball-Talks, in die Promi-Millionenshow. Was macht ein so gefragter Mann?
Dietmar Kühbauer: Hauptsächlich ablehnen. Ich halte mich bewusst zurück. Mein Kopf muss nicht überall herauslachen. Auch wenn ich weiß, dass ich Anfragen bekommen habe, die ein Admira-Trainer normal nicht bekommt. Aber es sind immer noch die Spieler, die vorne stehen.

Unter Ihrer Leitung. Können Sie die Frage nach dem Geheimnis des Didi Kühbauer noch hören?
Nein. Weil es keines gibt. Ich bin mir bewusst, dass wir nichts neu erfunden haben. Ich habe meine Vorstellungen vom Spiel, die ich mit den Spielern umsetzen will. Daran arbeitet aber auch jeder andere Trainer.

Sie stehen seit zweieinhalb Jahren an der Linie, waren mit den Amateuren Erster, stiegen mit den Profis auf und sind jetzt ganz vorne dabei ...
Aber erst nach elf Runden. Ich bin nicht Trainer geworden, um über Tabellen und Punkte zu reden. Für mich ist es wichtiger, dass sich die Spieler weiterentwickeln. Dann geht es ohnehin meist in die richtige Richtung. Im Moment geht eben alles auf.

Hat sich dadurch in der Wahrnehmung Ihrer Person etwas geändert?
Ich denke schon. Am Anfang haben viele gedacht: Ah, da kommt der Kühbauer, der wird jetzt eine Show abziehen. Ich muss gestehen, das Bild in der Öffentlichkeit hab' ich mir als Spieler selbst geschaffen.

Also weniger Show und mehr Akribie ...
Das Wort ist modern. Die Akribie war es aber nicht, dass Österreich 4:1 in Baku gewonnen hat. Ich nehme meinen Beruf sehr ernst und beschäftige mich viel mit Fußball. Aber die Phrase, dass jemand 24 Stunden für den Fußball lebt, kann ich nicht hören. Auch das Leben neben dem Fußball ist sehr wichtig.

Aber ohne Fußball wird's zu Hause auch nicht gehen ...
Klar bin ich auf Fußballplätzen und schaue mir Spiele im Fernsehen an. Aber wenn meine Kinder ins Bett müssen, dann ist jedes Fußballmatch egal. Ich glaube nicht, dass mich diese Einstellung zu einem schlechteren Trainer macht.

In letzter Zeit war im Zusammenhang mit Fußball immer wieder auch Burn-out zu hören. Waren Sie schon damit konfrontiert?

Burn-out ist eine Gesellschaftskrankheit, die jeden treffen kann. Der Fußball darf dich nicht dominieren als Mensch. Ich lass' das bei mir nicht zu. Auch wenn meine Frau das anders sieht.

Darf man im Fußball Schwächen zeigen?
Im Fußball musst du immer ein Mann sein. Früher haben wir mit Schmerzen weitergespielt, haben uns keine Gefühle anmerken lassen. Ich war ein Prototyp dafür. Aber das hat sich zum Glück gebessert. Bei mir darf ein Spieler auch mal weinen. Ohne dass er für immer und ewig ein Weichei ist.

Kommen Sie noch dazu, Ihre Hobbys auszuüben, zum Beispiel Tennis?
Ja. Wenn es sich ausgeht, spiele ich sogar Meisterschaft. Da sind wir im Sommer aufgestiegen, wie meine Frau mit ihrem Team. Wenn ich so rede, fällt mir auf, was für ein erfolgreiches Jahr das war - mit drei Aufstiegen.

Sie sind ein Musikliebhaber. Was ist bei Ihnen gerade angesagt?
City and Colour. Sehr fein.

Sie lesen gerne ein gutes Buch. Wann lesen Sie?
Wann immer es geht.

Was lesen Sie gerade?
Der Jakubijan-Bau von Alaa Al-Aswani.

Wie viele Bücher haben Sie dieses Jahr schon gelesen?
So um die 40. Beim Lesen kommt bei mir auch der Ehrgeizler durch. Manchmal denk' ich mir bis zur Hälfte: Was soll denn das sein? Aber ich hab' noch jedes zu Ende gelesen. Ich weiß, dass mir das viele nicht abnehmen. Für die meisten Leute bin ich noch immer der Flegel, der Rowdy. Das ist zwar störend, aber das habe ich mir erarbeitet. Meine Emotionen haben mich aber dort hingebracht, wo ich bin. Wäre ich so emotionslos wie andere, hätte ich vielleicht gar nicht einmal in der Bundesliga gespielt.

Wie wär's mit einer Imagekorrektur?
Erstens bin ich nicht der Typ, der sich verstellt. Ich setz' mir keine Hornbrille auf, damit ich intellektueller wirke. Ich bin, wie ich bin.

Und das ist ein liebender Familienvater, wie man an den Bildern sieht, wenn Ihre Töchter nach dem Spiel auf Sie zulaufen und Sie sie auf den Arm nehmen.
Das ist ein Ritual bei uns. Meinen Kindern taugt die Atmosphäre und die Stimmung total. Für die ist das das Größte. Und wir werden es auch machen, wenn wir verlieren. Das mach' ich nur wegen meiner Kinder und sicher nicht wegen eines Images. Dass Bilder gemacht und veröffentlicht werden, kann ich nicht beeinflussen. Es stört mich aber.

Ihr Vertrag läuft noch bis Ende der Saison. Wissen Sie, was danach kommt?
Da mache ich mir keine Gedanken. Ich will gute Arbeit abliefern. Dann sehen wir weiter. Aber: Ich stehe auf meine Truppe.

Du oder Sie. Wie wird der Herr Kühbauer von seinen Spielern angesprochen?
Herr Kühbauer gibt's nicht. Es heißt Trainer und Sie. Plassnegger, mit dem ich noch gespielt habe, und Jezek, der nur wenig jünger ist als ich, sagen du. Der Ton macht schon die Musik. Es ist ein Unterschied, ob ein Spieler fragt: "Geben Sie mir eine Chance?", oder: "Gibst' ma a Chance?"

Haben Sie einen Karriereplan?
Einen Plan fürs Leben habe ich. Den hat doch jeder. Aber einen Karriereplan? Nein. Den hat vielleicht der Scharner Pauli. So etwas liest sich eben gut in der Zeitung. Wer weiß, wie es weitergeht bei uns. Was passiert, wenn wir ein paar Verletzte haben. Vielleicht bin ich in sechs Wochen wieder ein komplett Ahnungsloser.

So wie Constantini, wenn man manche Kommentare der letzten Tage liest.
Das stört mich gewaltig an manchen Aussagen von Spielern. Die zuerst für Constantini angeblich alles gegeben haben, und jetzt soll alles unter ihm schlecht gewesen sein. Das ist schlechter Stil.

Einige sind gar nicht mitgeflogen, andere fühlen sich jetzt wieder wohl im Team. Ein Sittenbild?
Schauen Sie sich afrikanische Fußballer an. Oder solche aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die reißen sich drum, zu ihren Nationalteams zu kommen. Bei uns musst du manchen Rosenblätter auf den Polster streuen und sie umarmen, damit sie sich wohlfühlen beim Team.

Sie machen derzeit die UEFA-Pro-Lizenz. Ist die Trainerausbildung in Österreich so schlecht, weil kein Österreicher einen Job in einer der europäischen Top-Ligen hat?
Die Ausbildung bei uns ist gut, sicherlich nicht schlechter als in Spanien oder Italien. Damit man als Trainer im Ausland eine Chance bekommt, muss unser Fußball international präsent sein. Ich freue mich über die Erfolge in der Europa League, weil ich Patriot bin. Und weil sie uns helfen - Spielern wie Trainern.

Auch Erfolge der Nationalelf würden helfen. Wie sahen Sie die letzten beiden Spiele?
Die Spieler haben Potenzial. Das 4:1 war nicht so gut wie es geschrieben wurde und das 0:0 nicht so schlecht. Was bei uns fehlt, ist die Mitte. Und daran seid ihr Journalisten mitschuld.

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