"Homophobe Leute haben jetzt einen Gegner mehr"

Ein Mann steht vor dem Logo des Deutschen Fußball-Bundes.
Thomas Hitzlsperger dachte schon zu Profizeiten an ein Outing.

Thomas Hitzlsperger hat bereits während seiner Zeit beim VfL Wolfsburg in der Saison 2011/12 darüber nachgedacht, seine Homosexualität öffentlich zu machen, sagte der 31-Jährige der britischen Tageszeitung Guardian (Donnerstag).

Dann aber habe er auf Menschen gehört, die vor negativen Konsequenzen warnten. "Sie sagten alle, tu es nicht, eine große Welle wird über dir zusammenbrechen", gab Hitzlsperger zu Protokoll. "Aber dann realisierte ich, dass das keiner vorhersagen konnte."

Vor und nach seinem Karriereende im vergangenen September habe er mehr Zeit zum Nachdenken gehabt. Die positiven Reaktionen auf Coming-outs von Sportlern wie Gareth Thomas, Tom Daley oder Robbie Rogers hätten ihm Mut gemacht: "Ich wollte sie unterstützen, wie sie mich unterstützt haben."

Im britischen Sender BBC betonte er: "Ich kann mir nicht vorstellen, Fußball zu spielen und das zur selben Zeit zu machen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns, weil wir eine Reaktion fürchten und nicht wissen, was passieren wird. Schwule Fußballer sind unsichtbar."

"Sie tun mir wirklich leid"

Hitzlsperger gibt sich keinen Illusionen hin, dass sich die homophobe Einstellung einiger Profifußballer über Nacht ändern wird. Der brasilianische Verteidiger Alex von Paris St. Germain war am Tag von Hitzlspergers Coming-out mit den Worten zitiert worden: "Gott hat Adam und Eva geschaffen, nicht Adam und Yves."

Dazu sagte Hitzlsperger: "Man hat immer solche Typen, es ist traurig, dass sie nicht länger nachdenken, was sie sagen. Sie tun mir wirklich leid."

Hitzlsperger: "Es ist für meine Familie und mein Umfeld unwichtig, dass ich über meine Homosexualität spreche, wichtig ist es nur für die Leute, die homophob sind, andere ausgrenzen aufgrund ihrer Sexualität. Und die sollen wissen: Sie haben jetzt einen Gegner mehr."

Es sei okay für ihn, dass sein Outing in Zusammenhang mit den Olympischen Winterspielen in einem Land gesehen werde, das wegen seiner Anti-Homosexuellen-Gesetzgebung in der Kritik steht. "Denn über die Situation in Russland muss man reden. Ich bin gespannt, was da passiert. Ich bin sicher, dass einige Athleten sich dem entgegenstellen werden."

Hitzlsperger sagte, der Schritt in die Öffentlichkeit sei ihm "sehr schwer" gefallen. Bestärkt hätten ihn die positiven Reaktionen von Freunden und der Familie. "Ich war überrascht und glücklich, dass es für alle okay war. Ich komme aus dem ländlichen Bayern, und da wird Schwulsein als "unnormal" angesehen. Ich rechnete mit negativen Reaktionen derjenigen, die es nie verstehen würden, auch gegenüber meiner Familie, aber das störte sie nicht. Ich hatte ihre totale Unterstützung."

Mutige Bekenntnisse im Sport:

DEUTSCHLAND:

"Bild": "Sein Spitzname als schussgewaltiger Profi war 'Der Hammer'. Vier Monate nach seinem Karriereende landet Thomas Hitzlsperger (31) seinen wichtigsten Treffer! Als erster deutscher Fußballstar bekennt der 52-malige Nationalspieler: Ich liebe Männer."

" Berliner Morgenpost": "Thomas Hitzlsperger hat getan, was niemand vor ihm gewagt hat: Der 31 Jahre alte ehemalige deutsche Nationalspieler hat erklärt, homosexuell zu sein, und ist damit in Deutschland der erste prominente Fußballer, der sich outet. (...) Ein mutiger Schritt, den es gebraucht hat. Denn während Homosexualität in Politik, Wirtschaft und Kultur längst akzeptiert ist, bleibt sie im Fußball immer noch ausgesperrt. Der beliebteste Sport der Welt ist die letzte, große Bastion des Schweigens über sexuelle Orientierung."

" Hamburger Abendblatt": "Hitzlspergers Bekenntnis verdient Hochachtung, und ja, es wird den Schwulen und Lesben nutzen. Doch das große Lob der Verbände und Regierungen für das erste Outing eines so prominenten deutschen Fußballers bleibt so lange wohlfeil, bis endlich die entschiedene Wahrung der Menschenrechte als K.-o.-Kriterium bei der Vergabe sportlicher Großveranstaltungen gilt. In Ländern, wo sich Schwule und Lesben aus Angst vor Sittenpolizisten verstecken müssen, wenn sie sich küssen wollen, haben weder Olympische Spiele noch Weltmeisterschaften etwas verloren."

ITALIEN:

"La Gazzetta dello Sport": "Nach seinem Karriereende sorgt der Ex-Lazio-Spieler für Aufsehen. Und Merkel applaudiert. Die Idee, die Hitzlsperger mit seinem Outing verfolgt, ist klar: Er will, dass die Medien hartnäckig über das Thema der Homosexualität berichten, bis es normal wird, darüber zu reden."

"Corriere dello Sport": "Thomas Hitzlsperger hat den Schmerz des Vorurteils zerschmettert."

"Tuttosport": "Er hat die Heuchelei umdribbelt und die letzten Hemmungen, um er selbst sein zu können, auf die Tribüne verbannt. (...) Hitzlsperger ist nicht der erste Fußballer, der sich outet. Aber er ist offensichtlich der wichtigste, eine in großen Teilen bekannte Persönlichkeit, auch wegen seiner Erfahrungen in England und Italien."

"La Repubblica": "In Deutschland fällt eine andere Mauer."

"Corriere della Sera": "Hitzlsperger trotzt dem Tabu. Mit Blick auf die Tatsache, dass sich die Wahrheit im verminten Gelände des Sports schnell ausbreitet, besonders im Testosteron-gesteuerten Fußball, ist das Dribbling um die Stereotypen für die Spieler nicht leicht. Es ist kein Zufall, dass Hitzlsperger sich vier Monate nachdem er seine Schuhe an den Nagel gehängt hat outet."

SCHWEIZ:

"Blick": "In der Kunst sind Schwule Alltag, und in der Politik können Bürgermeister von Weltstädten ihre Neigung zur Schau tragen. Nur im Fußball und im Eishockey geht's nicht. Weil der Gegenspieler in Duellen zurücksteckt, weil er schwul ist? Weil dein Gegner im Ring zarter schlägt, weil er schwul ist? Oder weil die Fans denken, das sei dann so? Quatsch! Es ist die Rückständigkeit unseres Denkens, die Unmöglichkeit der Vorstellung schwuler Kampfsportler, die Outings verunmöglichen."

"Tages-Anzeiger": "Dass er sich überwinden musste und dass seine Offenheit aus freien Stücken nun Schlagzeilen macht, ist das einzig Bedenkliche daran. Es sollte selbstverständlich sein. Ist es aber nicht. Vor allem nicht im Fußball, dieser Machowelt."

" Neue Zürcher Zeitung": "Noch längst ist kein Klima geschaffen, in dem Homosexualität im Fußball akzeptiert wäre. Es ist ein langer Weg zur Akzeptanz. Hitzlspergers Coming-out ist nicht mehr als ein Schritt dorthin."

NIEDERLANDE

"Algemeen Dagblad": "Mit dem öffentlichen Eingeständnis von Thomas Hitzlsperger, dass er auf Männer steht, wurde erneut ein Schritt im Kampf für die Anerkennung von Homosexualität in der Welt des Fußballs gemacht."

BELGIEN

"Het Nieuwsblad": "Hitzlsperger bekommt heute zurecht alles Lob, aber er hat sich aus Angst vor den Reaktionen seiner Mannschaftskollegen und des Publikums erst nach seiner Karriere geoutet. (...) Menschen wie Mensen Rogers und Hitzlsperger sind Helden, aber zur Zeit herrscht die Angst. Vor allem in unserem Land."

Arjen Robben wundert sich über die öffentliche Aufregung um das Outing des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger. "Er ist homosexuell - und?", sagte der niederländische Internationale am Donnerstag bei einer Pressekonferenz im Trainingslager des FC Bayern in Katar.

"Ich finde es ganz normal und natürlich. Ich kann ja hier auch sagen, ich bin heterosexuell. Ich sehe da kein Problem." Allerdings sei "das Fußballgeschäft vielleicht etwas komisch", meinte der 29-jährige Klubkollege von Österreichs Sportler des Jahres David Alaba.

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