Zehn Angeklagte: Prozess-Auftakt im Wettskandal

Am Freitag hat am Grazer Straflandesgericht der Prozess rund um den bisher größten österreichischen Wettskandal begonnen. Die Profi-Spieler Dominique Taboga, Sanel Kuljic und Thomas Zündel sowie sieben weitere Angeklagte werden beschuldigt, 18 Spiele teilweise versuchsweise manipuliert zu haben. Der erste Prozesstag lockte vor allem die Fotografen an, das allgemeine Interesse war eher gering.
Zu Beginn des auf mehrere Wochen anberaumten Prozesses wurde zunächst einmal kontrolliert, wer wo wohnt, wann wieviel verdient hat und welcher Beschäftigung die Angeklagten nun nachgehen. Diese Überprüfung der Personalien nahm lange Zeit in Anspruch, war aber nicht ohne heitere Momente. So wurde bei Kuljic dessen gesamter Werdegang als Spieler mit höchst unterschiedlichen Gagen besprochen. Als er seinerzeit in die Schweiz wechselte, bekam er nur für die Unterschrift 100.000 Franken, zusätzlich zu den monatlichen Zahlungen. "Ihre Unterschrift ist 100.000 Franken wert?", fragte Richterin Juschitz nach. "Jetzt nicht mehr", relativierte Kuljic trocken. Thomas Zündel wiederum gab an, arbeitslos zu sein und ein wenig als Kellner in einem In-Lokal in Graz zu arbeiten, während Taboga gerade einen Lehrgang als Sportjournalist macht und an seinem Privatkonkurs zahlt.
Staatsanwältin Kathrin Heidinger betonte in ihrem Eröffnungsvortrag, dass die Manipulationen bei den Fußballspielen ein "Betrug am zwölften Mann" gewesen seien, denn "die Zuschauer wollen ein spannendes Spiel und nicht Theater vorgesetzt bekommen." Sie schilderte, dass bei 18 Matches zwischen 2004 und 2013 zumindest versucht wurde, das Ergebnis zu beeinflussen. Die zehn Angeklagten hatten in unterschiedlicher Zusammensetzung mehrfach die Regeln des Fußballs umgangen, weswegen sie "nun die Rote Karte von der Justiz" bekommen hätten, so Heidinger.
Erpressung
Der Wettbetrug lief immer gleich ab: Vor dem Spiel war der Ausgang vereinbart worden, teilweise sogar mit genauen Ergebnissen oder Tordifferenzen, erklärte die Anklägerin. Dann wurden Wetten platziert, und zwar vorwiegend bei asiatischen Wettanbietern. "Die Spieler mussten dann die Ergebnisse so unauffällig wie möglich herbeiführen", so Heidinger. Dafür gab es Bestechungsgeld von zunächst 7.000 Euro pro Mann, später sollen es bis 40.000 Euro gewesen sein. Außerdem führt die Anklage noch Drohungen und Nötigungen an, mit denen sich die Beschuldigten teilweise gegenseitig zum Weitermachen zwingen wollten. Als Taboga Angst um sich und seine Familie bekam, ging er zur Polizei, gab an, er werde von Kuljic und zwei weiteren Personen erpresst und packte aus.
Nach der Staatsanwältin waren die zehn Verteidiger mit ihren Eröffnungsvorträgen an der Reihe. Thomas Moser, der Anwalt von Dominique Taboga, betonte, dass sich die Anklage "fast durchgehend" auf die Angaben seine Mandanten stütze. Der Ex-Bundesliga-Spieler werde sich weiterhin schuldig bekennen, so der Moser.
Ganz anders die Ausführungen des Verteidigers von Sanel Kuljic, der die Theorie aufstellte, sein Mandant sei in den meisten Fällen nur zur Ablenkung von Taboga beschuldigt worden. Tatsächlich schuldig fühle sich Kuljic nur in drei Fällen, als er für den SV Kapfenberg spielte. Im Übrigen, so der Anwalt, seien zehn von 18 Spielen aus Sicht der Manipulatoren schief gegangen.
Der Prozess wird am Montag um 9.00 Uhr fortgesetzt.
11. November 2013: SV Grödig-Spieler Dominique Taboga erstattet bei der Polizei in Salzburg Anzeige wegen Erpressung zu einer Spielmanipulation.
12. November: Bei einer Geldübergabe auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Anif nahe Salzburg werden drei Personen festgenommen, darunter auch Ex-Teamspieler Sanel Kuljic und Sulim D.
15. November: Über Kuljic und Sulim D. wird die U-Haft verhängt.
22. November: Taboga wird nach Aussagen von Sulim D. und weiteren Ermittlungen nicht mehr als mutmaßliches Erpressungsopfer, sondern auch als Beschuldigter in Betracht gezogen.
27. November: Taboga wird in Kärnten festgenommen. Er steht unter Betrugsverdacht im Zusammenhang mit Spielmanipulation und Wetten. Drei weitere Verdächtige kamen in U-Haft, unter ihnen ein Teammanager eines Regionalliga-Vereins - er ist ehemaliger Profi-Fußballer - sowie zwei Albaner.
28. November: 20 aktive oder ehemalige Spieler werden in einer akkordierten Aktion von den Sicherheitsbehörden in ganz Österreich zeitgleich als Beschuldigte einvernommen. Seit 2004 sollen 17 bis 19 Spiele manipuliert worden sein. Fünf Hausdurchsuchungen finden in Wien, Niederösterreich, Kärnten und Salzburg statt. Insgesamt stehen 30 Fußballer unter Verdacht. Taboga wird in U-Haft genommen.
2. Dezember: Das Strafverfahren wird von Salzburg zur Staatsanwaltschaft Graz abgegeben, denn dort wird schon seit längerer Zeit gegen Kuljic ermittelt. Sein Name war bei Gerichtsverhandlungen mit ähnlichen Delikten in Deutschland genannt worden. Wegen der inhaltlichen Überschneidungen übernahm Graz die Ermittlungsleitung. Die Überstellung der U-Häftlinge wird veranlasst.
19. Dezember: Ex-Grödig-Spieler Thomas Zündel wird von der Bundesliga suspendiert. Er geriet ebenfalls unter Verdacht, in die Betrügereien verwickelt gewesen zu sein.
27. Jänner 2014: Taboga wird in Graz aus der U-Haft entlassen, weitere Verdächtige - darunter auch Kuljic - müssen in der Justizanstalt Graz-Jakomini bleiben.
19. Februar: Taboga wird von der österreichischen Fußball-Bundesliga "auf Lebenszeit" gesperrt. Sein ebenfalls suspendierter Ex-Mitspieler Zündel fasste eine Sperre von zwölf Monaten aus.
6. März: Kuljic gibt die Beteiligung an Spielmanipulationen zu. Es soll sich um drei Spiele gehandelt haben: SV Ried - DSV Leoben am 13.5.2005, Kapfenberg - Salzburg am 17.3.2012 und Wacker Innsbruck - Kapfenberg am 31.3.2012. Außerdem soll er von der Manipulation der Partie Grödig - Kapfenberg am 31.8.2012 gewusst haben.
14. April: Die Staatsanwaltschaft Graz erhob Anklage gegen Taboga, Kuljic, Zündel und sieben weitere Verdächtige u.a. wegen Spielmanipulationen, Betrugs und Erpressung. Die Anklage geht von 18 manipulierten Spielen der Bundesliga und Ersten Liga zwischen November 2004 und Oktober 2013 aus. Die gespielten Einsätze bei diesen Wetten waren bis zu 300.000 Euro hoch. Die Erhebungen gegen weitere 18 Verdächtige wurden mangels Beweisen zur Gänze eingestellt. Die Ermittlungsverfahren gegen 15 weitere Beschuldigte wurden ausgeschieden und werden getrennt weitergeführt.
2. Juni: Der Fußball-Weltverband (FIFA) dehnt die vom ÖFB gegen Taboga und Zündel verhängten Strafen weltweit aus. Ersterer bleibt damit lebenslang für jegliche Tätigkeit im Fußball gesperrt, Zündel wurde mit einer Sperre von einem Jahr belegt.
8. August: Der Prozess gegen zehn Angeklagte hat im Straflandesgericht in Graz begonnen. Vorerst sind zehn Verhandlungstage bis Ende August geplant.
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