Die Polen sind nur noch Zuschauer
Egal, ob Österreich oder San Salvador; ob Nordkorea oder Südafrika; ob Oman oder Polen – wenn für die Nationalmannschaft alles auf dem Spiel steht, tummelt sich die politische Prominenz auf der VIP-Tribüne. Gestern saß nicht nur der polnische Präsident Bronislaw Komorowski unter den 42.000 im Breslauer Regen, sondern auch Premierminister Donald Tusk. Auch die ehemaligen polnischen Präsidenten
Lech Walesa und Aleksander Kwasniewski wollten dem Team von Trainer Franciszek Smuda gegen Tschechien die Daumen drücken.
Die Polen mussten unbedingt gewinnen, um den Aufstieg ins Viertelfinale zu fixieren. Wissend, dass die Mannschaft bei Unentschieden oder Niederlage die Heimreise hätte antreten müssen. Na gut, weit ist ja nicht, so gesehen wäre es praktisch gewesen, dass Polen die EM mit der Ukraine veranstaltet.
Erfolglos
Weil Breslau nur zirka 100 Kilometer von der Grenze entfernt liegt, tummelten sich schon vor dem Match Tausende Tschechen in der Stadt, um mit Zehntausenden Polen ein friedliches Fest zu feiern. Zahlreiche Fans liefen mit Schildern "Karte gesucht" durch die Straßen, blieben jedoch zumeist erfolglos.
Erfolglos blieb auch die Bemühung des tschechischen Kapitäns Tomas Rosicky, am Spiel teilzunehmen. Der Spielmacher des FC Arsenal musste wegen anhaltender Beschwerden an der Achillessehne passen. Stattdessen berief Trainer Michal Bilek den Pilsen-Spieler Kolar in die Startelf. Auch Altmeister Baros durfte im Angriff beginnen.
Polens Coach
Smuda vertraute im Tor auf die Fähigkeiten von Ersatzkeeper Tyton von PSV Eindhoven. Stammtorhüter Szczesny vom FC Arsenal hatte im Eröffnungsspiel gegen Griechenland Rot gesehen, wäre aber wieder spielberechtigt gewesen.
Keine Spur von Wille
Den Polen war der Druck des Gewinnen-Müssens von der ersten Sekunde an anzumerken. Obwohl sie brav angriffen und im Fünf-Minuten-Takt zu brauchbaren Chancen kamen. Die beste vergab Robert Lewandowski in der 10. Minute, als er aus linker Position vorbeischoss. Erwähnenswert, dass die Tschechen in der 39. Minute das erste Mal auf Tytons Tor schossen.
Die Polen dürften ihre Herzen in der Halbzeitpause in der Kabine vergessen haben. Da war nichts mehr zu sehen von Kampf, Willen, Aufopferung, Leidenschaft. Nichts. Fast ein Wunder, dass die Zuschauer nicht zu pfeifen begonnen haben. Dies taten sie umso inbrünstiger in der 72. Minute, nachdem der Tscheche Jiracek einen Konter zum 0:1 erfolgreich abgeschlossen hatte. Mit einem Schuss ins Herz der Nation.
Kein neuer Nationalheld
Und die verbleibenden 18 Minuten? Wieder nichts. Wieder kein Aufbäumen. Es hatte fast den Anschein, als wollte sich kein Spieler für die (kurze) Liste der unsterblichen polnischen Nationalhelden empfehlen, auf der sich folgende Namen befinden: Marie Curie (Physik- und Chemie-Nobelpreisträgerin), Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. (Papst), Frederic Chopin (Komponist), Lech Walesa (Politiker und Friedensnobelpreisträger), Nicolaus Copernicus (Astronom) und Adam Malysz (Skispringer).
Nach dem Schlusspfiff ließen die polnischen Spieler und Fans ihren Tränen freien Lauf, während die Tschechen einander freudestrahlend in den Armen lagen. Auch wenn das Ergebnis knapp gewesen sein mag – Sieg und Aufstieg waren hoch verdient.
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