Die ewige Frage: passiv oder aktiv?

Ein Fußballspieler von Red Bull Salzburg schießt ein Tor, während der Torwart versucht, den Ball abzuwehren.
Das 1:0 von Salzburg gegen Mattersburg lässt Interpretationsspielraum.

In den letzten Wochen hatte sich Salzburg-Trainer Roger Schmidt immer wieder über Schiedsrichterentscheidungen mokiert. Seine Mannschaft hatte aber nicht wegen Schiedsrichterfehlern drei Spiele in Serie nicht gewonnen, sondern weil man fahrlässig mit den eigenen Torchancen umgegangen war.

Im letzten Spiel des Jahres war das anders. Gegen Mattersburg waren die Salzburger am Samstag vor dem Tor extrem konzentriert, nützten den Großteil ihrer Chancen und egalisierten den höchsten Heimsieg in der Red Bull Ära, ein 7:0 in einem UEFA-Cup-Qualifikationsspiel im Sommer 2008 gegen den armenischen Klub Banants Jerewan.

Nach dem Spiel lobte Schmidt seine Mannschaft. "Wir haben uns heute alle damit ein Weihnachtsgeschenk gemacht. Das war phasenweise schon klasse", meinte der Deutsche. Über die Schiedsrichterleistung verlor er kein Wort. Allerdings war er zu dieser Thematik auch nicht befragt worden.

Obwohl die eine oder andere umstrittene Entscheidung gab es auch in diesem Spiel. Dieses Mal profitierten allerdings die Salzburger davon. Vor dem 3:0 hatte der sonst sehr umsichtige Schiedsrichter Lechner ein Foul von Ulmer in der eigenen Hälfte fälschlicherweise als Ballspielen gewertet. Vor dem 4:0 stand der Dreifachtorschütze Mane knapp im strafbaren Abseits, als Soriano den Ball im Fallen weiterspitzelte.

Abseits?

Regeltechnisch am interessantesten war allerdings das Salzburger 1:0 in der 16. Minute. Die Szene ist ein Prototyp für die Komplexität der Abseitsregel.

Was war passiert? Salzburg hatte einen Freistoß rund 25 Meter zentral vor dem Mattersburger Tor. Martin Hinteregger trat an, Mattersburg-Ersatzkeeper Markus Böcskör konnte den Ball nur kurz wegschlagen, der beim Schuss Hintereggers nicht im Abseits stehende Sadio Mane staubte zum 1:0 ab.

Doch Mane war nicht der einzige Salzburger gewesen, der dem Ball nachgesprintet war. Auch Jonathan Soriano hatte dies gemacht. Der war bei der Ballberührung Hintereggers im Abseits gestanden, hatte sogar versucht den Ball abzufälschen und war dann um den Bruchteil einer Sekunde zu spät gekommen, um den Ball ins Tor zu befördern.

Was sagt das FIFA-Regelbuch?

"Ein Spieler wird nur dann für seine Abseitsstellung bestraft, wenn er nach Ansicht des Schiedsrichters zum Zeitpunkt, zu dem der Ball von einem Mitspieler berührt oder gespielt wird, aktiv am Spiel teilnimmt, indem er

 - ins Spiel eingreift. Das heißt, dass der Spieler den Ball berührt oder spielt, der zuletzt von einem Mitspieler berührt oder gespielt wurde.

 - einen Gegner beeinflusst. Das heißt, der Spieler einen Gegenspieler daran hindert, den Ball zu spielen oder spielen zu können, indem er eindeutig die Sicht des Gegners versperrt oder seine Bewegungen behindert oder Gesten oder Bewegungen macht, die den Gegner nach Ansicht des Schiedsrichters behindern, täuschen oder ablenken.

 - aus seiner Position einen Vorteil zieht. Das heißt, dass der Spieler aus einer Abseitsstellung einen Vorteil erlangt, indem er den Ball spielt, der vom Pfosten oder der Querlatte oder von einem gegnerischen Spieler zu ihm springt.“


 
Hat nun Soriano aktiv am Spiel teilgenommen oder nicht? Das Regelwerk ist der Beantwortung dieser Frage nicht eindeutig und lässt viel Spielraum für Interpretationen in jede Richtung.

Fakt ist, Soriano hat nicht ins Spiel eingegriffen, weil er den Ball ja nicht berührt hat.

Fakt ist, dass er aus seiner Abseitsstellung keinen Vorteil gezogen hat, weil er ja nicht den Ball gespielt hat, der vom Mattersburger Keeper nicht fixiert worden war.

Aber hat Soriano nicht zunächst durch seinen Versuch den Ball abzufälschen und dann auch noch durch das Richtung Ball sprinten Torhüter Böcskör abgelenkt?

Schiedsrichter Lechner hat jedenfalls  Sorianos Aktionen nicht als Ablenkung gewertet. Und das Regelwerk gibt ihm auch Recht, weil ja die Ansicht des Schiedsrichters entscheidend ist. Das Regelwerk hätte ihm aber auch Recht gegeben, wenn er die Aktionen Sorianos als Ablenkung gewertet hätte. Und gerade dies macht die Beurteilung solcher Szenen extrem schwer. Oder nicht sogar sehr einfach?
 

Kommentare