Den Bayern gehörte die Londoner Nacht

Alles blickte auf Wembley. Die Menschen in London sowieso, 300 Millionen weltweit, gebannt starrend auf Fernseher und Leinwände. In Deutschland war beim deutsch-deutschen Champions-League-Finale ohnehin Feier-Tag.

In die Münchner Allianz-Arena kamen 45.000 Fans zum Public Viewing. Auf dem Rasen lag der „Schal des Südens“, ein rund 1,6 Kilometer langer Fanschal, den zirka 2000 Bayern-Fans zur Unterstützung ihrer Mannschaft in London gestrickt hatten. Weitere 40.000 Fans sahen gemeinsam die Partie auf der Theresienwiese in München.
Sie alle taten sich die Reise nach London nicht an. Dennoch: Europas Hauptstadt des Fußballs färbte sich gestern rot und gelb. Egal, an welcher Ecke, egal, wo man hinsah. Ob im Flugzeug oder bei der Gepäckausgabe oder in der Bahn, die vom Airport in die Londoner Innenstadt führt: Überall machten es sich Stunden vor dem Champions League Finale Fans von Dortmund und Bayern bequem. Ein Sitzplatz in der Bahn war ähnlich schwer zu bekommen wie einer im Wembley-Stadion.
Die Bayern-Fans
Einer war dann doch noch zu haben für den KURIER. Ein letztes Plätzchen mitten unter den Bayern-Fans. Und dann kam’s: „Brauchste noch ’ne Karte?“ Tatsächlich hatten Gerd und Paul noch eines dieser heiß begehrten Tickets übrig. Die beiden kommen aus Ulm, der Heimatstadt des polarisierenden Bayern-Präsidenten
Uli Hoeneß.
Zu dritt wollten sie sich auf die Reise nach London machen. Nur: Einen hatte eine Grippe erwischt. Wie sie denn überhaupt an die Karten gekommen sind, wollte man wissen. „Ich bin Mitglied bei Bayern, hab’ mich angemeldet und Glück gehabt.“
277 Euro pro Ticket haben die beiden hingelegt. Klingt nicht unbedingt abschreckend für ein Finale der Königsklasse. „Um 277 geben wir es aber nicht her“, haute Gerd gleich auf den Tisch in der Bahn. Schließlich wollte man kein Verlustgeschäft machen und auch das verstrichene Flugticket des in der Heimat kränkelnden Kumpanen refinanzieren. „600 wolle mr schon dafür ha’. Hoffentlich bleibet mr net drouf sitza“, sagte Paul in seinem perfekten Schwäbisch.
Der Schwarzmarkt

Die Polizei hielt sich am Nachmittag im Hintergrund. Dennoch waren die Sicherheitskräfte alarmiert: Nachdem zwei mutmaßliche Islamisten einen britischen Soldaten auf offener Straße ermordet hatten, herrschte in London Alarmbereitschaft.
In einem solchen Zustand war die Londoner Polizei schon gestern Vormittag. Aber nicht wegen des Terrors. Nach einer Auseinandersetzung zwischen rivalisierenden Fangruppen gegen neun Uhr Ortszeit hatte die Polizei eingreifen müssen, weil sich auf einem Busparkplatz Fans gegenseitig angegriffen hatten. Es habe sich um eine „große Gruppe“ gehandelt, genaue Zahlen konnte die Polizei aber nicht nennen. Es sei jedoch niemand festgenommen worden.
In der Londoner Innenstadt hatte es vor dem Spiel bei strahlendem Sonnenschein wunderbare Szenen mit friedlich feiernden Fans aus Dortmund und München gegeben. Die Dortmunder hatten den Picadilly Circus im Herzen der Themse-Metropole in Beschlag genommen. Die Münchner feierten wenige Straßen weiter, unter anderem vor dem Big Ben.
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