Brasilien ist auf der Suche nach sich selbst

Nach der enttäuschenden Heim-WM möchte sich Brasilien zu alter Stärke zurück dribbeln.

Das ÖFB-Team trifft am Dienstag (19 Uhr/live ORF eins) im ausverkauften Happel-Stadion auf die erfolgreichste und wohl glamouröseste Fußball-Nationalmannschaft der Welt - die allerdings von schweren Selbstzweifeln geplagt wird. Das 1:7-Debakel im Semifinale der Heim-WM gegen Deutschland und das anschließende 0:3 gegen die Niederlande haben tiefe Wunden beim Rekordweltmeister hinterlassen.

Seit dem Desaster vor eigenem Publikum kämpfen die Brasilianer um die Wiederherstellung ihres guten Rufs im Weltfußball. Geschafft werden soll dies mit einer erneuerten Mannschaft, einem neuen Teamchef (Carlos Dunga) und einer Welt-Tournee, die Neymar und Co. in den vergangenen Wochen in die USA, nach China, Singapur und in die Türkei führte.

Ein Mann im blauen Trainingsanzug des brasilianischen Fußballverbands bei einer Pressekonferenz.
Abgesehen von den finanziellen Annehmlichkeiten handelt es sich dabei quasi um einen Selbstfindungstrip - Dunga muss dem gedemütigten fünffachen Champion das Selbstvertrauen zurückgeben und gleichzeitig eine schlagkräftige Truppe für die Copa America 2015 in Chile formen.

Im Gegensatz zu den Oktober-Partien berief der Nationaltrainer diesmal ausschließlich Europa-Legionäre in den Kader. Dadurch machte er sich Freunde bei den brasilianischen Vereins-Coaches, die sich gerade in der entscheidenden Saisonphase befinden und ihre Spieler nur ungern abgestellt hätten.

Aufwind

Doch nicht nur in punkto Kommunikation mit den Trainer-Kollegen befindet sich Dunga auf gutem Weg. Seit seinem Amtsantritt nach der WM gab es unter dem Nachfolger von Felipe Scolari gegen Kolumbien (1:0), Ecuador (1:0), Argentinien (2:0), Japan (4:0) und die Türkei (4:0) ausnahmslos Siege ohne Gegentore. Trotzdem hat sich die Stimmung an der Heimatfront noch nicht wirklich gebessert - wohl auch deshalb ist die "Selecao" seit der WM nicht mehr vor eigenem Publikum angetreten.

Verärgerte Fans sind jedoch nicht der einzige Grund, warum die Brasilianer ihre Länderspiele lieber in der Fremde austragen. Durch einen bis 2022 laufenden Vertrag mit der englischen Agentur "Pitch International" gibt es nämlich in Auswärtsspielen mehr zu verdienen. Für jedes Ländermatch außerhalb Brasiliens kassiert der brasilianische Fußball-Verband (CBF) von der Agentur eine Garantiesumme von einer Million Dollar.

Teurer Spaß

Wie das Fußball-Fachmagazin ballesterer unter Berufung auf brasilianische Medien berichtete, kassierte "Pitch International" vom türkischen Verband für das Brasilien-Gastspiel in Istanbul zwei Millionen Dollar (1,61 Mio. Euro). Welche Summe der ÖFB an die Agentur überweist, wurde nicht bekanntgegeben.

Den Kontrakt mit "Pitch International" schloss 2012 der Verbandschef Jose Maria Marin ab, kurz nachdem er dem skandalumwitterten Ricardo Teixeira nachgefolgt war. Der 82-jährige Marin wird ebenso ständig mit Korruption in Verbindung gebracht wie der 73-jährige Marco Polo del Nero, der ab 2015 als CBF-Boss fungiert. Diese Rochade wurde bereits im April 2014, also noch vor der Heim-WM, beschlossen.

Das blamable Endrunden-Abschneiden hatte auf Funktionärsebene keine personellen Konsequenzen zur Folge. Der einzige ranghohe CBF-Mitarbeiter, der nach der WM gehen musste, war der Pressechef - und zwar nur deshalb, weil er im WM-Achtelfinale dem chilenischen Spieler Mauricio Pinilla im Kabinengang einen Schlag versetzte und von der FIFA gesperrt wurde.

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