Der 14. Meistertitel scheint zum Greifen nahe, doch von ausschweifender Euphorie ist im Fanlager kaum etwas zu merken. Nach der fast 19 Jahre andauernden Durststrecke seit dem letzten Gewinn der Premier League 2004 ist Vorsicht die Mutter der Porzellankiste.
Auch Matthias Lang vom Wiener Arsenal-Fanklub „Vienna Gooners“ will nichts verschreien, sagt aber: „Die Chancen sind realistisch.“ Und sie könnten sich schon am Sonntag noch einmal deutlich erhöhen, nämlich dann, wenn im Hit gegen Manchester United der nächste Sieg eingefahren wird. Treffpunkt für die „Vienna Gooners“ ist die Long Hall Bar im achten Wiener Gemeindebezirk. „Bei den großen Spielen kommen 30 bis 40 Leute“, erzählt Lang, „insgesamt haben wir mehr als 200 Mitglieder, Tendenz klar steigend.“
Warum es heuer so gut läuft? „Jahrelange Vorbereitung“, grinst Lang. Was er damit meint: Arsenal hat nach dem Abgang von Langzeittrainer Arsène Wenger viel Zeit gebraucht, um einen geeigneten Coach und zurück in die Erfolgsspur zu finden. Wenger verließ die Gunners 2018 – nach 22 Jahren. Dreimal gewann Arsenal unter dem Franzosen die Liga, das letzte Mal in der Saison 2003/04 ungeschlagen. Das ist in der Premier League bis heute noch keinem anderen Team gelungen. „The Invincibles“ waren geboren, die Unbesiegbaren.
Damals war die Mannschaft gespickt mit Superstars wie Thierry Henry, Dennis Bergkamp oder Robert Pires. Heute ist das anders, Arsenal ist eine junge, hungrige Truppe gespickt mit einigen Routiniers. Und dennoch haben die Gunners fünf Punkte mehr auf dem Konto als die Meistermannschaft von 2003/04 zum selben Zeitpunkt – man ist also sogar besser als die Unbesiegbaren.
Den Hauptgrund für den aktuellen Erfolgslauf sehen viele in Trainer Mikel Arteta. „Ein Goldgriff“, meint auch Matthias Lang. Der 40-jährige Spanier übernahm Arsenal im Dezember 2019. Er führte den Klub zwar auf Anhieb zum FA-Cup-Titel, dennoch lief zunächst nicht alles rund. Das ging so weit, dass Fans sein Auto umstellten und ihn aufforderten zu gehen. Doch die Vereinsbosse rund um Eigentümer Stan Kroenke, ein US-Milliardär, hielten an Arteta fest. Und werden für ihr Vertrauen belohnt.
Gelernt hat Arteta als Co-Trainer von Landsmann und Freund Pep Guardiola bei Manchester City. Aktuell ist sein Lehrmeister aber sein größter Konkurrent im Titelkampf, was der gegenseitigen Wertschätzung aber keinen Abbruch tut. Guardiola schwärmt sowohl von den menschlichen Qualitäten Artetas, als auch von jenen als Trainer. „Es ist nur eine Frage der Zeit, und er wird es gut machen“, sagte er, als Arteta bei Arsenal kaum noch Freunde hatte. Artetas Philosophie: Es müssen nicht unbedingt Superstars, es müssen vielmehr passende Spieler sein. Der Coach scheut auch nicht davor zurück, mit schwierigen Charakteren zu arbeiten. Martin Ødegaard etwa. Der 24-jährige Norweger galt einst als Wunderkind, verschwand dann beinahe in der Versenkung und blüht jetzt unter Arteta auf.
20 Schritte fehlen Arsenal noch zum großen Coup, so viele Runden sind noch zu spielen. Den nächsten großen will man am Sonntag machen. Mit den Red Devils aus Manchester hat man noch eine Rechnung offen, fügten sie Arsenal doch die bislang einzige Saisonniederlage zu. Gelingt die Revanche, stehen die Chancen gut, dass man Ende Mai die Trophäe stemmen darf. Dann wird auch im achten Wiener Gemeindebezirk gefeiert. Wenngleich nicht alle „Vienna Gooners“ in der Long Hall Bar sein werden. „Der Flug nach London ist schon gebucht“, sagt Matthias Lang. Langsam, aber sicher steigt die Zuversicht doch.
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