Die Austria lässt NS-Vergangenheit aufarbeiten

Enthüllung einer Gedenktafel für Matthias Sindelar in Wien.
Austria will Vergangenheit aufarbeiten und heutige Fan-Phänomene besser verständlich machen.

Rapid hat seine Rolle während des Nazi-Regimes bereits eingehend beleuchtet, nun macht sich auch Austria Wien an die Aufarbeitung der Jahre 1938 bis 1945. Dabei soll nicht nur Neues zutage befördert, sondern auch bereits bekannte Geschichten etwa um Jahrhundert-Austrianer Matthias Sindelar oder die nur kurzzeitige Umbenennung in "SC Ostmark" auf Stichhaltigkeit und Kausalitäten abgeklopft werden.

Ergebnisse in 15 Monaten

Als Projektleiter fungiert Johann Skocek. Der Sportjournalist und Buchautor (u.a. "Mister Austria: Das Leben des Klubsekretärs Norbert Lopper - Fußballer, KZ-Häftling, Weltbürger") hat sich für das auf 15 Monate angelegte Vorhaben die drei Historiker Rudolf Müllner, Matthias Marschik und Bernhard Hachleitner ins Boot geholt. Am Ende sollen sämtliche Forschungsergebnisse als Buch publiziert werden. 63.000 Euro stehen dem Team zur Verfügung, wobei der Verein selbst einen Großteil der Summe übernimmt. Darüber hinaus gibt es Unterstützung von Nationalfonds, Zukunftsfonds und der Stadt Wien.

Sport- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny ( SPÖ) strich den besonderen Status des Traditionsvereins heraus: "Die Austria war teils verboten, weil sie einen hohen Anteil jüdischer Funktionäre hatte. Andere Wiener Clubs haben den Meistertitel gewonnen - nämlich den deutschen."

Blick auf die dunkle Seite

Die Historiker wollen bei ihrer Aufarbeitung auch Fragen beantworten wie: Hatte der Widerstand gegen die Umbenennung der Austria in "SC Ostmark" womöglich (auch) Vermarktungsgründe? Hatte der Austria-Spieler Walter Nausch schon vorher Angebote aus der Schweiz, was ihm die Ablehnung des Angebots Trainer des "SC Ostmark" zu werden wesentlich leichter gemacht hätte? Wie konnte es sein, dass nach dem Rücktritt von Austria-Präsident Emmanuel "Michl" Schwarz 1957 ausgerechnet Bruno Eckerl, der während der Nazi-Diktatur dem Klub vorstand, dessen Nachfolge antrat?

Auch auf die unbestritten dunkle Seite will man schauen. So fungierte Ernst Kaltenbrunner, später Chef der Sicherheitspolizei, als Ehrenpräsident der Austria. Spieler Hans Mock wiederum war bereits vor 1938 illegales SA-Mitglied und lief statt Kapitäns- bald mit SA-Schleife über den Rasen. Zudem wird sich die Expertenkommission mit der Frage beschäftigen warum die Nazis Matthias Sindelar nach dessen Tod 1939 für sich vereinnahmen wollten, der Jahrhundertkicker aber gleichzeitig zu einer Identifikationsfigur des Widerstands wurde.

Gegenwart besser verstehen

Auch die Einordnung in politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge sollen in weiterer Folge aufgezeigt werden. Wie wirkte sich etwa die NS-Machtübernahme auf den Verein, die Funktionäre, Spieler und Fans aus? Welche Handlungsspielräume und Verantwortlichkeiten hatten einzelne Proponenten? "Der Sport trägt oft den Nimbus des Apolitischen in sich", konstatierte Historiker Müllner.

Das sei nicht nur nicht richtig, sondern sogar gefährlich. Das Forschungsprojekt soll außerdem dazu betragen, gegenwärtige Tendenzen von Fremdenfeindlichkeit oder Gewalt in der Sprache im Fansektor besser verstehen bzw. unterbinden zu können.

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