"Anti-Peppi" vs. Cordoba-Helden

"Anti-Peppi" vs. Cordoba-Helden
Presse- und Leserstimmen zur Bestellung Marcel Kollers zum neuen Teamchef der österreichischen Fußball-Auswahl.

Wie schwierig sein Amt im österreichischen Fußball als Teamchef werden könnte, wird dem Schweizer Marcel Koller beim Blick durch die Medien am Mittwoch vielleicht bewusst geworden sein.

Die Zwiespalt spiegelt sich auch in unserer Befragung wider. Bis Mittwochmittag beantworteten 23 Prozent der fast 2.400 Teilnehmer die Frage "Ist Marcel Koller die richtige Wahl als Teamchef?" mit einem "Ja, absolut!". 21 Prozent gaben als Antwort "Nein, auf keinen Fall!" an, während sich die meisten Leser (30 %) für die Antwortmöglichkeit "Schau ma mal, dann sehn ma schon..." entschieden. Ganze 24 Prozent glauben, dass "es ohnehin nicht Schlimmer werden kann".

Mit teilweise großer Skepsis wurde der 50-jährige Züricher in der österreichischen Zeitungs- und online-Landschaft empfangen, während dem in seiner Heimat als Star-Trainer geltenden Koller von Schweizer Medien attestiert wird, dass er mit dem am Boden liegenden ÖFB-Team nicht viel zu verlieren hat.

Zwiespalt in Österreich

"Ein Eidgenosse mutiert zum Leidgenossen. Im heimischen Fußball-Lager macht sich ein Koller breit", schreibt die Tiroler Tageszeitung, in der in einem Kommentar auch von "einem schweren Foul am rot-weiß-roten Fußball" geschrieben wird, weil man keinen der österreichischen Kandidaten genommen hat. In den Oberösterreichischen Nachrichten liest man, dass "der ÖFB einen Anti-Constantini gesucht und gefunden" hat. "Koller wird es genauso schwer haben wie Constantini. Hoffentlich ist er ein besserer Stratege."

Die Presse sieht es differenzierter: Unter dem Titel "Endlich kein alter Haberer" wird die österreichische "Freunderlwirtschaft" angesprochen. "Marcel Koller ist im österreichischen Fußball niemandem einen Gefallen schuldig. Allein das spricht für ihn als neuen Teamchef."

Sarkasmus in der Schweiz

Während sich so manch entrüsteter österreichischer Fan in diversen Zeitungen über die Verpflichtung des "Nobodys" echauffiert, sehen Schweizer Fans den Ruf mancher Österreicher nach einem absoluten Star-Trainer durchaus sarkastisch: "Hallo? Wir reden hier von Österreich, das seit über 20 Jahren in internationalen Wettbewerben inexistent ist. Die können verdammt froh sein, dass sie überhaupt einen wie Koller erhalten", meint ein Leser auf 20min.ch.

In der Schweiz ist Koller ein sehr geschätzter Trainer. Das zeigen auch die Umfragen: Die Neue Zürcher Zeitung fragt online, ob Koller die richtige Person für den ÖFB-Posten ist: Bis Mittwochvormittag meinten 72 Prozent der Abstimmenden "ja".

Dem Schweizer Blick ist das Novum eines eidgenössischen ÖFB-Teamchefs schon der Griff in die österreichische Fußball-Zitatenkiste wert: "I werd narrisch! Erstmals wird ein Schweizer österreichischer Nati-Trainer! Gut für Koller: Die Mannschaft ist im Moment am Boden. In der FIFA-Rangliste nur auf Platz 77, hinter Ländern wie Sierra Leone oder Gabun. Er kann also wenig verlieren. Und ein Blick auf die Mannschaft verrät: So schlecht ist Österreich nicht. In der deutschen Bundesliga spielen mehr Österreicher als Schweizer."

Deutsche sticheln

Wenn auch die Bestellung Kollers zum neuen Teamchef in Deutschland recht wenig Beachtung fand, lassen sich in der Medienlandschaft einige Artikel finden, die das Fußball-Geschehen im benachbarten Österreich treffend analysieren. In der Geschichte mit dem Titel "Der Anti-Peppi kämpft gegen den Schmäh der Cordoba-Helden", erschienen auf sueddeutsche.de, wird die umfassende und teilweise harsche Kritik der österreichischen Trainer an der Entscheidung des ÖFB unter die Lupe genommen.

"Mit der Wahl des unspektakulären Ausländers Marcel Koller hat sich der Verband für ein klares Gegenmodell entschieden", heißt es in dem Artikel. Lustig wird es im Absatz, in dem die bisherige Vorgehensweise bei der Wahl des ÖFB-Teamchefs erläutert wird:

"Sonst wurden zumeist spektakuläre Inländer genommen, wie Didi Constantini, ein lässiger Mann mit Skilehrer-Charme, zu dessen herausragendsten Karriere-Leistungen es gehört, irgendwann mal Ernst Happel über den Weg gelaufen zu sein. Die meisten von Didis Vorgängern waren besser bekannt unter ihren Kampfnamen Peppi (Hickersberger), Schneckerl (Prohaska) und Goleador (Krankl), lustige Burschen allesamt, zu deren herausragendsten Karriere-Leistungen es gehört, den Piefkes bei der WM 1978 die Schmach von Cordoba zugefügt zu haben."

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