Abgestürzt: Martin Fenins Fall

Abgestürzt: Martin Fenins Fall
Der tschechische Stürmer versuchte, seine psychischen Probleme mit Alkohol zu bekämpfen - und fiel tief.

Wo ist Martin Fenin? Es schien, als wäre der tschechische Nationalspieler seit dem Sommer vom Erdboden verschluckt. Der letzte Eintrag auf seiner Homepage datierte vom 31. August. Darin gab er seinen Wechsel von Eintracht Frankfurt zu Cottbus bekannt. Seitdem warteten Fans vergeblich auf eine Meldung.

Am 15. Oktober war Fenin wieder in den Schlagzeilen. Er war betrunken und vollgepumpt mit Medikamenten aus dem Fenster im zweiten Stock gefallen und wurde dabei lebensgefährlich verletzt. Der 25-Jährige war am Tiefpunkt einer persönlichen und sportlichen Krise angekommen.

Am Dienstag wurde endlich die erste aufmunternde Nachricht für Fans und andere Beobachter veröffentlicht: Martin Fenin sei auf dem Weg der Besserung, habe zuletzt eine zweiwöchige Reha in einer Spezialklinik bei Dresden absolviert und begebe sich jetzt in Tschechien in psychologische Behandlung.

Hohe Erwartungen

Als hoffnungsvolles Talent war Fenin im Sommer 2008 von Teplice in die Bundesliga zu Frankfurt gewechselt. Trotz Angeboten von Top-Klubs wie Juve oder Lazio hatte er sich für die Eintracht entschieden und übersiedelte um rund 3,5 Millionen Euro an den Main. Die Fans feierten ihn als Shootingstar, erhofften sich einen künftigen Torschützenkönig. Doch Fenin konnte die Erwartungen nie erfüllen.

In seinem ersten Jahr als Legionär schoss der sensible Stürmer nur fünf Tore. Dass Fenin nebenbei elf Tore aufgelegt hatte, zählte für die Öffentlichkeit nur wenig.

Das erste Jahr in Frankfurt blieb trotzdem sein bestes. In der Saison 2009/'10 traf er in 17 Spielen nur zwei Mal. Im Jahr darauf wurde er 24-mal eingesetzt, er durfte aber nur einmal die vollen 90 Minuten spielen - und traf nur ein Mal. Fenin war von einem Stammplatz so weit entfernt wie die tschechische Nationalmannschaft vom Weltmeistertitel.

Es folgte der Abstieg mit Frankfurt in die zweite Liga, bevor er an Energie Cottbus verliehen wurde. Sportlich befand sich der Stürmer auf dem Abstellgleis, in Zeitungen war über Fenin nur noch wegen Alkoholexzessen und Schlägereien berichtet worden.

Psychische Probleme

Die Schwierigkeiten, die Fenin zu einer Auszeit zwangen, hatten schon lange, bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr, begonnen. Monatelang hatte Fenin durch Alkohol und Medikamente versucht, seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen - erfolglos. Ihren Tiefpunkt erreichte die Krise dann im Oktober, als der Fenstersturz lebensbedrohlich für ihn endete. Fenin lag mit einer Gehirnblutung wochenlang auf der Intensivstation.

Danach gestand er der Öffentlichkeit seine Leidensgeschichte: "Ich bin endlich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich mein Krankheitsbild nicht mehr allein in den Griff bekomme. Das Gefühl der Resignation, der Einsamkeit mit Depressionsschüben begleitet mich schon seit mehreren Monaten." Hoffnung machen ihm seine Freunde. Der ÖFB-Teamspieler Ümit Korkmaz, Fenins bester Freund aus gemeinsamen Frankfurter Tagen, ist sich sicher, dass Fenin wieder auf die Beine kommt. "Es geht ihm gut, er schafft das."

Viele Betroffene

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Fenin ist nicht der einzige Fußballprofi, der sich wegen Depressionen behandeln lassen muss. Sebastian Deisler, jahrelang als Jahrhunderttalent und kommender deutscher Superstar hochgelobt, beendete 2007 seine Karriere wegen schwerer psychischer Probleme. Und gestand - als damals 27-Jähriger - ein jahrelanges Martyrium: "Ich war leer, alt und müde. Ich bin so weit gelaufen, wie meine Beine mich getragen haben. Mehr ging nicht."

Fälle wie jener von Deisler und Teamtorhüter Robert Enke, der sich 2009 mit 32 Jahren das Leben nahm, sollten die Branche anregen, über ihre Mechanismen nachzudenken: Das System des modernen Fußballs erlaube keine Schwächen, berichten viele Kicker.

Sowohl Deisler als auch Enke nannten als Hauptgründe für ihre Verzweiflung den zu großen Druck, der von der Öffentlichkeit aufgebaut wurde. In seiner Biografie schrieb Deisler: "Es geht so viel verloren im Fußballgeschäft, dass man sich ein wenig Menschlichkeit bewahren muss. Mensch zu sein, ist gar nicht so einfach." Durch die hohen Erwartungen kam es in beiden Fällen zu Versagensängsten.

Tiefer Fall

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Zuletzt saß der brasilianische Bayern-Verteidiger Breno in München in Untersuchungshaft, nachdem er aufgrund psychischer Probleme sein Haus angezündet haben soll. Der Langzeitverletzte hatte keine Sportlerversicherung abgeschlossen, auch der Verein überwies ihm kein Gehalt mehr.

Aus purer Verzweiflung soll der Jungprofi, der seit seinem Engagement in Deutschland von Heimweh geplagt wird, zum Benzinkanister gegriffen haben. Die Öffentlichkeit setzte den jungen Verteidiger zunehmend unter Druck, die nötige Unterstützung des Vereins fehlte offensichtlich.

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