Muster: "Ich vermisse kontinuierliche Arbeit"

Ein Mann im Anzug und Dominic Thiem sitzen in einer Kutsche vor einem Gebäude.
Turnierbotschafter Thomas Muster über die Verbände, das Wiener Turnier und Dominic Thiem.

Zweites Comeback? Mitnichten. Thomas Muster, Turnierbotschafter der Erste Bank Open in der Stadthalle, hat 22 Kilo abgenommen und die Zigaretten zur Seite gelegt. "Nein", sagt der 48-Jährige, "das dient nur dem Wohlfühlfaktor." Nachdem er beim Rado-Pro-Am-Turnier im Wiener Colony Club Zauberschläge ausgepackt hatte, holte die ehemalige Nummer eins der Welt zum verbalen Rundumschlag aus.

KURIER: Das Stadthallenturnier wurde heuer aufgewertet. Wie verkaufen Sie als Turnierbotschafter die Erste Bank Open?

Thomas Muster: Die Aufwertung war stets ein Ziel. Im ersten Jahr ist es freilich eine schwierige Geschichte, dies finanziell zu stemmen. Aber es gibt immer welche, die alles totreden. Solche Leute interessieren mich nicht. Tatsache ist, dass die Aufwertung sehr gut ist, das Turnier damit attraktiver ist. Und das Teilnehmerfeld ist tatsächlich hervorragend.

Ist es irgendwann möglich, wieder einen der der Top 4 (Djokovic, Murray, Federer und Nadal, Anm.) nach Wien zu lotsen?

Diese Topstars kosten zwischen 750.000 und 1,5 Millionen Euro. Selbst bei einer Finanzierung ist nicht gesichert, dass Wien in ihren Turnierplan passt. Im Vorjahr haben Ferrer, der auch wieder da ist, und Murray Punkte für das ATP-Finale gebraucht. Das war ein Glücksfall, der alle paar Jahre einmal vorkommt.

Welche Erinnerungen haben Sie an Wien? Drei Mal haben Sie hier im Finale gespielt, aber auch drei Mal verloren.

Nachdem ich nicht der geborene Hallenspieler und der Belag damals schnell war, kann ich zufrieden sein. Ich habe fast immer das Halbfinale erreicht. Gegen Ivanisevic im Endspiel war ich chancenlos, gegen De Wulf hätte ich gewinnen müssen.

Und dann gab es 1988 das Duell mit Horst Skoff ...

Ich habe am Vorabend etwas Schlechtes gegessen und die ganze Nacht gekotzt. Turnierboss Huemer hat mich überredet, zu spielen. Es war nicht einfach für mich, rauszugehen und zu wissen, dass ich sowieso verliere. Das ist Vergangenheit.

Zur Gegenwart: Ist Ihre Karriere vergleichbar mit jener von Dominic Thiem, der Österreichs Hoffnungen trägt?
Nein, Dominic kommt aus einer Tennisfamilie, das war bei mir nicht der Fall. Aber er entwickelt sich gut. Leider fehlten bei ihm heuer noch die guten Ergebnisse bei Topturnieren. Obwohl die Luft jetzt für ihn dünner wird, sehe ich ihn irgendwann in den Top Ten. Auch, weil viele im Ranking vor ihm altersbedingt irgendwann aufhören.

Kann Thiem einen Tennis-Boom auslösen?

Da muss auch die Breite stimmen. Der Daviscup kann für eine Initialzündung sorgen. Und wenn dazu Einzelerfolge kommen, kann das viel bewirken. Das Fußball-Nationalteam ist ein gutes Beispiel, hier ein erfolgreiches Team, da starke Einzelspieler. Alaba müsste auch nicht im Team spielen, es ist wie bei Dominic auch eine Vermarktungssache. Ich habe nach dem Daviscup immer mein bestes Tennis gespielt, weil wir eine Woche gutes Training hatten. Auf der anderen Seite müssen sich Spieler wie Dominic entscheiden, ob sie die Woche auf gutes Geld verzichten, eine Daviscup-Woche ist auch anstrengend. Wichtig für alle Beteiligten ist, dass wir wieder in die Weltgruppe kommen.

Wie lange trauen Sie Jürgen Melzer noch eine Karriere zu?

So lange er spielt, verdient er Geld. Er wird wohl in keinem Job mehr so viel verdienen. Die Weltrangliste wird richten über seine sportliche Pension.

Warum läuft es bei den Damen nicht?

Das ist ein Elend. Weil das Verbandssystem allgemein auch bei den Herren, kein System ist. Ich vermisse langfristige, kontinuierliche Arbeit. Aber das ist nicht nur beim Tennis so. Österreichs Sportförderungssystem gehört überdacht, die ganzen Dachverbände und das politische Hickhack gehören endlich abgeschafft. Es krankt an allem, angefangen vom Schulsport bis zum Sportstättenbau. Man muss mehr in den Sport investieren, ins Gesundheitssystem investiert man ja auch. Dies gehört gekoppelt. Anstatt zu jammern, soll man investieren. Die positive Arbeitsmoral fehlt bei uns, wenn man in der Früh aufsteht und sagt, das Leben ist scheiße, dann ist das Leben auch scheiße. Das ist eine Mentalitätsfrage.

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