Erblasten im Zeichen der Ringe

Das Logo der Olympischen Spiele hinter einem Namensschild mit der Aufschrift „J. Rogge“.
Nach der Vergabe der Sommerspiele 2020 an Tokio wird am Dienstag der Präsident gewählt.

Begeisterung in Tokio, Wut in Madrid nach der Vergabe der Olympischen Spiele 2020. Während die Japaner über das Urteil, das IOC-Präsident Jacques Rogge um 5.20 Uhr Früh japanischer Ortszeit in Buenos Aires verkündete, kannte der Jubel in Tokio keine Grenzen.

So hatten die ganze Nacht über 2000 Menschen in einer Sporthalle der japanischen Hauptstadt vor einem riesigen Bildschirm auf die Nachricht von der anderen Seite der Erdkugel gewartet.

Madrid blieb ebenso auf der Strecke wie Istanbul. Die spanische Hauptstadt, die bereits mit ihren Bewerbungen für die Spiele 2012 und 2016 gescheitert war, hatte sich diesmal allerdings besonders große Hoffnungen auf einen Zuschlag gemacht. Kronprinz Felipe sagte, er sei „unendlich traurig“.

Machtzentrale

Eine ebenfalls wichtige Entscheidung steht im Rahmen der Vollversammlung in Argentiniens Hauptstadt noch bevor. Am Dienstag wird der neue IOC-Präsident und Nachfolger Rogges gewählt. Dabei geht es immerhin um den mächtigsten Mann im Sport. Das Erbe: Der Belgier Rogge galt als Bewahrer des Systems und als Hüter des Reichtums. Das alte Internationale Olympische Komitee unter Rogges Vorgänger, dem Spanier Juan Antonio Samaranch, war in eine Geldmaschine umgewandelt worden, in der Machtstreben, Doping und der Bestechungsskandal rund um die Vergabe der Winterspiele 2002 in Salt Lake City Schatten warfen. Zehn Mitglieder wurden ausgeschlossen, weil sie Geld und Geschenke für ihre Stimmen verlangt hatten.

Der ehemalige Segler Rogge versuchte, dem IOC die Glaubwürdigkeit wiederzugeben. Freilich, das IOC ist noch immer ein etwas undurchschaubares Konstrukt, Rogge schaffte es aber, vor allem Sponsoren zu gewinnen. „Die Ersparnisse sind von 100 auf 900 Millionen gestiegen“, sagt Rogge. Auch gegen Doping ging er vor – allerdings erfolglos.

Favorit auf seine Nachfolge ist der Deutsche Thomas Bach, der sich vor der Wahl (17.30 Uhr, MESZ, live ARD) selbstbewusst zeigt. „Jetzt muss man sehen, inwieweit sich der bis jetzt positive Eindruck am Ende auch in Stimmen umschlagen lässt. Das ist der entscheidende Faktor“, sagt der 59-Jährige. Jedenfalls rückt die Sondersitzung im Sportausschuss des Deutschen Bundestages zur dunklen Doping-Vergangenheit der Bundesrepublik gefährlich in den Hintergrund. Für Attacken seiner Konkurrenten, die versuchen, ihn als unglaubwürdigen Doping-Bekämpfer zu porträtieren, hat er wenig Verständnis.

Seine Gegner: Der professionell gecoachte Banker Richard Carrion (Puerto Rico) wird der stärkste Konkurrent sein, aber auch Unternehmer Ng Ser Miang (Singapur) lauert als gefährlicher Außenseiter. Die restlichen Kandidaten, Denis Oswald (Schweiz), der ehemalige Stabhochsprung-Star Sergej Bubka (Ukraine) und Wu Ching-Kuo (Taiwan) besetzen die Rollen der eher chancenlosen Mitstreiter.

Jedenfalls muss sich Rogges Nachfolger mit den politisch problematischen Winterspielen von Sotschi (2014) und dem Chaos (Bauverzögerungen) in Rio (Sommerspiele 2016) herumplagen.

(v.l.n.r.) Thomas Bach

Der 59-jährige Deutsche ist Jurist, Sportfunktionär und ehemaliger Fechter. Er ist derzeit Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes. In den 1970er-Jahren war Bach u. a. Olympiasieger im Florett-Fechten.

Ng Ser Miang

Der 64-Jährige aus Singapur ist Diplomat und seit 1998 Mitglied des IOC. Ebenfalls 1993 wurde er Vize-Präsident der Asian Yachting Federation und im Jahr darauf Vize-Präsident der International Sailing Federation. Ng ist Botschafter seines Landes in Ungarn und Norwegen.

Richard Carrion

Der 60-jährige Puerto Ricaner ist seit 1990 im IOC, seit 2002 Direktor der Finanzkommission und damit Rogges Geld-

beschaffer. Der Banker hat unter anderem den TV-Deal mit dem US-Giganten NBC über 4,382 Milliarden Dollar für die Spiele 2014 und 2016 ausgehandelt.

C.K. Wu

Der 66-jährige Taiwanese will erster asiatischer IOC-Präsident werden und als Architekt die olympische Welt umbauen. Dr. Wu ist seit 2006 Präsident des Welt-Boxverbandes AIBA, den er umfassend reformiert hat. Wu hat Nehmerqualitäten und setzt sich bedingungslos durch.

Sergei Bubka

Der 49-jährige Ukrainer hält noch immer den Weltrekord im Stabhochsprung. „Ich habe große Erfahrung in vielen Bereichen, als Athlet, als Funktionär und als Geschäftsmann“, sagt er. Er ist seit 2000 im IOC, unter anderem als Vorsitzender der Athletenkommission.

Denis Oswald

Der 66-jährige Schweizer steht seit 40 Jahren im Dienste der fünf Ringe und ist Spitzenfunktionär im IOC. Der Jura-Professor wird weltweit respektiert und gilt als Idealist. Schmutziger Überzeugungskampf scheint ihm zuwider, er ist glaubwürdiger Vertreter olympischer Werte.

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