Eisel: "Die Tour war der Zünder"

Keine Woche nach Ende der für sein Team höchst erfolgreichen Tour de France wartet der nächste Höhepunkt auf Bernhard Eisel. Der 31-jährige Steirer kann bei den Olympischen Spielen am Samstag im Straßenrennen ausnahmsweise auf eigene Kappe fahren. In seinem Trainingsquartier in Woking südwestlich von London sprach Eisel mit der APA - Austria Presse Agentur über seine Medaillenchancen, Skifahrer-Gene und die Wertschätzung, die ihm in Österreich entgegengebracht wird.
APA: Welche Auswirkungen hat die Tour? Ist man nach den 3.500 km völlig leer, oder hat man für ein Eintagesrennen genau den richtigen Druck auf dem Pedal?
Eisel: Der Standarddruck ist viel höher als man ihn sich im Training aneignen könnte. Dafür fehlen die Spritzigkeit und die Frische. Es hat alles Vor- und Nachteile. In diesem Jahr gibt es kaum einen Olympia-Favoriten, der nicht die Tour gefahren ist. "Cav" (Weltmeister
Mark Cavendish) hat aus seinen Erfolgen sicher einen Motivationsschub mitgenommen.
Hat er sich in den vergangenen Tagen schon mit
Olympia auseinandergesetzt? Immerhin ist er der Topfavorit.
Nein, das war nur im Hinterkopf. Das war bei uns allen so. Sky ist ein britisches Team. Wir haben mitbekommen, was sich in Großbritannien abgespielt hat. Da waren cirka 250 Artikel pro Tag in der Zeitung. Das hat es vorher nicht gegeben.
Auch in London sieht man seither viel mehr Menschen Radfahren.
Das war eine Idee des Bürgermeisters. Der wollte aus London eine Radfahrerstadt machen, daher hat er 2007 auch die
Tour de France geholt. Das ist ein genialer Typ. Er hat sogar schon einmal einen Handtaschenräuber mit dem Rad und einem Schirm verfolgt. Der Erfolg bei der Tour war der Zünder.
Wieviel Motivation ziehen Sie daraus, gemeinsam mit Gesamtsieger Bradley Wiggins nach Paris gefahren zu sein?
Jetzt gilt alle Konzentration
Olympia. Das Rennen bedeutet mir viel, weil mir der Kurs entgegenkommt. Die Zuschauerzahl wird unglaublich sein. Die britischen Fans müssen dich aber erst einmal erkennen im österreichischen Trikot. Sky ist derzeit eine große Nummer. Wir sind davon ausgegangen, die Rundfahrt zu gewinnen. Aber Erster und Zweiter zu werden mit sechs Etappensiegen, das ist ein Wahnsinn.
Woher kommt das britische Radsport-Wunder?
Man darf nicht unterschätzen, was sie seit Sydney 2000 auf der Bahn weitergebracht haben. Ein Wiggins, ein Cavendish - die kommen alle von der Bahn. Dabei war England früher nie eine Radsport-Nation. Die Australier haben das Gleiche gemacht. Ein riesiges Arsenal an jungen Fahrern, die wirklich gut werden, bekommt man nur auf der Bahn.
In
Österreich wird auch auf der Bahn gefahren, wenn auch auf einem ganz anderen Level. Was ist das Erfolgsgeheimnis?
Die Möglichkeiten hätten wir seit 20, 30 Jahren. Wenn ich zurückschaue, haben wir aber nicht viel herausgebracht. Dem Verband darf man keine Schuld geben, das Geld war immer da. Den Trainern und Fahrern wird alles ermöglicht. Ich denke nicht, dass in Österreich nur Skifahrer-Gene weitergegeben werden. Man muss sich auch selbst bemühen.
Fühlen Sie sich und Ihre Leistungen in der Heimat ausreichend wertgeschätzt?
Natürlich war ich der einzige Österreicher bei der Tour. Aber es kann nicht sein, dass man in den letzten drei Jahren beim größten Radrennen der Welt höchstens noch einen österreichischen Fotografen sieht. Die Geschichte ist immer Cavendish/Eisel, aber sie ist nie Eisel. Ich verstehe die Medien, in Großbritannien hat das auch lange gedauert. Die haben angefangen, den Zuschauern den Radsport wie ein
Formel-1-Rennen zu erklären, als Teamsport. Ich bin eben kein Siegfahrer.
Bei
Olympia sind Sie dafür der Kapitän. Wie kommen Sie mit Ihrem Teamkollegen Daniel Schorn zurecht?
Sehr gut, ich kenne ihn schon ewig. Unser Konzept werden wir noch genau durchgehen. Ich möchte schon, dass wir zusammen fahren. Ich hätte auch mit Thomas Rohregger kein Problem gehabt, aber ich habe nicht nominiert.
Worauf hat sich die Entscheidung Ihrer Meinung nach gestützt?
Es war auf die Kurscharakteristik ausgelegt. Ich habe die Kommentare von Rohregger nicht ganz verstanden, dass er in eine Fluchtgruppe hätte gehen können. Hallo! Da sind wir sowieso nur zwei Leute und dann sagt er von Anfang an, dass er nicht für mich fährt. Damit hat er sich selbst aus dem Spiel genommen, das habe ich aber erst im Nachhinein erfahren.
Wieviel kann Ihnen ein Helfer wirklich helfen? Zwei Fahrer in einem Team, das ist im Radsport sehr wenig.
Wir müssen es taktisch anlegen. Das ist wie bei einem Klassiker, man darf sich so lange wie möglich nicht zeigen. Bei
Olympia geht es nur um die Medaille. Wenn wir jemand anderen mitgenommen hätten, der 210 km in einer Fluchtgruppe fährt und dann das Ziel nicht sieht, da bekommt er keinen Vertrag und Österreich hat auch nicht viel davon.
Trauen Sie sich eine Prozentangabe für Ihre Chance auf eine Medaille zu?
Erst unlängst sind mir ein paar Zahlen in den Mund gelegt worden. Es ist möglich. Wenn es auf einen Sprint hinausläuft, dann ist eine 10-Prozent-Chance da - vor allem in einer kleineren Gruppe, weil das übersichtlicher ist. Nach 260 Kilometern ist das Ganze schon ziemlich aussortiert, da stehen schon weniger Leute im Weg herum.
Kommentare