Djokovic und Williams in der Pole-Position
Das Tennis-Jahr 2016 wird etwas aus der Reihe tanzen, so wie es bei jeder vierten Saison der Fall ist. Das Olympische Tennisturnier bringt den Aktiven seit 1988 einerseits die Chance auf einen seltenen Titel, andererseits erschwert es auch die Saisonplanung. Das dicht gedrängte Wettkampfjahr beginnt in den ersten Jänner-Tagen wie immer fernab von Europa. Auch der Favoritenkreis ist unverändert.
Bei den Herren hat Novak Djokvovic 2015 mit elf Turniersiegen alles und alle überstrahlt. Damit überbot er sein bisheriges Super-Jahr 2011 um noch einen Finalsieg, in beiden Saisonen gewann er bis auf die French Open alle Grand-Slam-Turniere. So nah an den Grand Slam wie zuletzt war der Serbe aber noch nie gekommen, vereitelt wurde der Coup im Paris-Finale vom Schweizer Stan Wawrinka.
Auch wenn der „Djoker“ nur schwer vorstellbar noch so eine Saison hinlegen wird, ist er absoluter Favorit auf die erneute Topposition. Mindestens gleichviel wert wie weitere Major-Titel wäre dem 28-Jährigen aber der Sieg im August im olympischen Einzel-Finale. Gleiches gilt für Roger Federer, der Schweizer tritt für eine bessere Vorbereitung im ersten Halbjahr kürzer. Rafael Nadal und Andy Murray sind schon Olympiasieger.
Beim 2008 in Peking im Zeichen der fünf Ringe siegreich gebliebenen Spanier zeigte sich am Ende eines für ihn enttäuschend verlaufenen Jahres eine Aufwärtstendenz. Kann er das Niveau halten bzw. seine in den vergangenen Jahren immer häufiger aufgetretenen Verletzungen und Beschwerden in den Griff bekommen, sollte er zumindest zum French-Open-Sieg fähig sein. Es wäre für den dann 30-Jährigen sein schon zehnter.
Beim derzeit hinter Djokovic zweitplatzierten Murray lassen sich zumindest für die am 18. Jänner beginnenden Australian Open keine Prognosen stellen. Das erste Kind mit seiner Frau Kim Sears könnte sich während des Melbourne-Turniers ankündigen, und der 28-Jährige ließ zuletzt keinen Zweifel daran, dass er sofort abreisen würde, um bei der Geburt oder zumindest kurz danach bei seiner Familie zu sein.
Murray beginnt seine Saison beim am Sonntag in Perth beginnenden Hopman Cup. Ebenfalls dabei wird Lleyton Hewitt sein, der ehemalige australische Weltranglisten-Erste wird bei den Australian Open seine aktive Karriere beenden. Star der inoffiziellen Mixed-WM bei den Damen ist Serena Williams. Die US-Amerikanerin gewann 2015 wie Djokovic drei Grand Slams, sie scheiterte kurz vor dem Ziel im Halbfinale der US Open.
Die Jüngere der Williams-Schwestern steht aktuell ihre 150. Woche in Folge an der Spitze der Weltrangliste und ist damit Nummer drei im ewigen Ranking. Die Regentschaft der 34-Jährigen dauert seit 18. Februar 2013 an. Noch sechs Wochen fehlen Williams auf die zweitplatzierte Martina Navratilova, die deutsche Rekordhalterin Steffi Graf (186) würde sie Mitte September übertreffen.
Bei 3.885 Punkten Vorsprung auf die Rumänin Simona Halep sollte das Williams auch bei einem Durchhänger schaffen können. Williams scheint noch mehr als Djokovic ohne ernsthafte Konkurrenz, ihre Gegner sind vielmehr die Rekorde der anderen. Schon in Melbourne könnte sie mit ihrem 22. Grand-Slam-Titel Open-Era-Rekordlerin Graf einholen, noch drei fehlen ihr auf die voranliegende Australierin Margaret Court.
Aus österreichischer Sicht dürfte Dominic Thiem zumindest vorerst als einziger Österreicher das Zeug dazu haben, in höheren Regionen mitzuspielen. Die Vorbereitung des 22-Jährigen auf Teneriffa verlief sehr gut, am Christtag ging es für ihn nach Australien. Vor den Australian Open spielt der Weltranglisten-20. in den kommenden beiden Wochen in Brisbane und Sydney.
Die Pre-Season von Andreas Haider-Maurer verlief nicht nach Wunsch, wegen einer Fersenentzündung ist er nächste Woche in Chennai noch nicht dabei. Wäre für Thiem das Halten der Top 20 ein Riesenerfolg, setzt sich der 28-Jährige die Rückkehr in die Top 50 als Saisonziel. Derzeit ist Haider-Maurer 63. Jürgen Melzer wird nach seiner Schulter-Operation bis nach Olympia außer Gefecht sein. Bei den Australian Open treten neben Thiem und Haider-Maurer auch die Grand-Slam-Turnier-Debütanten Dennis Novak, Michael Linzer und Bastian Trinker an. Lucas Miedler spielt Challenger, der 19-jährige wird seit kurzem von Ronnie Leitgeb trainiert und gemanaged.
Ob Österreichs Tennis bei den Sommerspielen überhaupt vertreten sein wird, ist nicht sicher. Da es für das Rio-Turnier keine Weltranglistenpunkte gibt, ist Thiems Antreten noch unwahrscheinlicher geworden. Besondere Lust darauf hat er sowieso nicht. Bei den Damen muss Tamira Paszek Gas geben, um von Position 172 in olympiareife Regionen zu kommen. Recht gut sieht es für Alexander Peya als 24. im Doppel aus.
Der Davis Cup wird im Olympiajahr bei noch mehr Spitzenspielern zum ungeliebten Bewerb, denn außer einer äußerst spieler-unfreundlichen Ansetzung gibt es im Teambewerb nun auch keine Weltranglistenpunkte mehr. Das ÖTV-Team hat Anfang März in Europa/Afrika-Zone I in Portugal zu bestehen - sicher ohne Jürgen Melzer und auch Thiems Antreten ist noch alles andere als gesichert.
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