Die Folgen der Olympia-Verschiebung für Japan

Die Folgen der Olympia-Verschiebung für Japan
Die Wirtschaft des Olympia-Veranstalters ist hart getroffen. Sogar Sponsorverträge werden überdacht. Plus: Pressestimmen.

Letztlich hat mit der Olympia-Verschiebung aufgrund der Coronavirus-Pandemie die Vernunft gesiegt, wie Österreichs Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler (Grüne) am Dienstag betonte. Die zuletzt stark kritisierte Hinhaltetaktik des Internationale Olympische Komitees (IOC) und von Japan hatte in erster Linie finanzielle Gründe. Vor allem die japanische Wirtschaft trifft die Verlegung hart.

„Laut unseren Prognosen hätten 34 Millionen Touristen heuer Japan besuchen sollen, aber das ist nun nicht mehr möglich“, sagte Takayuki Miyajima, der leitende Ökonom am Mizuho Forschungsinstitut. Durch die Coronakrise stehen jetzt bereits die Hotels im Land der aufgehenden Sonne größtenteils leer, obwohl das Frühjahr traditionell die wichtigste Jahreszeit für den Tourismus ist, weil ausländische Gäste den heißen Sommer eher meiden.

Noch kein Termin

Diesen Faktor gilt es auch bei der Olympia-Verschiebung - das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat vorerst keinen Termin festgelegt, sondern nur die Verlegung um maximal ein Jahr kommuniziert - zu berücksichtigen. Dazu kommt, dass viele kleinere Unternehmen, die vom Tourismus abhängig sind, jetzt schon durch die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie von ihrer Existenz bedroht sind.

Besonders hart hat es das Osaka Corona Hotel im Westen Japans getroffen. „Wir leiden nun natürlich extrem unter unserem Namen“, gestand Kohei Fujii, der Finanzdirektor des Hotels. Nach dem Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 2020 wurden in ganz Japan enorme Summen in die Tourismus-Branche investiert. „Wir haben jetzt eine absurd hohe Zahl von Hotelzimmern auf dem Markt“, berichtete Fujii und meinte mit Blick auf die Olympia-Verschiebung und Coronakrise: „Ich glaube, es wird viele Unternehmen geben, die das nicht überleben.“

Seit Shinzo Abe 2012 wieder das Amt des Premierministers in Japan übernommen hatte, verfolgte er einen ehrgeizigen Plan für den Tourismus-Sektor, der mittlerweile knapp fünf Millionen Menschen beschäftigt und rund fünf Prozent an der Gesamtwirtschaftsleistung erreicht: 40 Millionen ausländische Besucher im Olympia-Jahr 2020 und 60 Millionen 2030 lautete die Zielsetzung. Im Vorjahr zählte Japan bereits 31 Millionen Touristen, die während ihrer Aufenthalte umgerechnet knapp 41 Milliarden Euro ausgaben.

Einbruch im Tourismus

Doch schon im Februar dieses Jahres brachen die Gästezahlen im Vergleich zum Vorjahr aufgrund der rasanten Verbreitung des Coronavirus gleich um 60 Prozent ein. Und nach der Olympia-Verschiebung sprechen Wirtschaftsanalysten nun endgültig von einem Katastrophenjahr für den japanischen Tourismus-Sektor.

Ein Blick an die Börse in Tokio bestätigt dies: Bis Dienstag verloren „Real Estate Investment Trusts“, die sich vor allem auf Hotelvermögen konzentrieren, in diesem Jahr bereits rund 60 Prozent. Experten erwarten durch die Olympia-Verschiebung nun noch höhere Verluste. Dazu kommt die Ungewissheit, dass niemand weiß, wie lange die Corona-Krise dauern wird.

Wie prekär die Situation für die japanische Wirtschaft ist, verdeutlicht auch die Tatsache, dass selbst ein Unternehmen wie Tokyo Gas als wichtigster Anbieter von Erdgas in Japan seinen Sponsorvertrag mit den Olympischen Spielen 2020 überdenkt. „Wir haben noch keine Antwort darauf, ob wir weiter Sponsor sein werden oder nicht“, sagte dazu Firmenboss Takashi Uchida am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

Internationale Pressestimmen

SPANIEN

Marca: „Die Olympischen Spiele, der Vergnügungspark des Sports, sind ein weiteres vom Coronavirus zerstörtes Ereignis.“
AS: „Die Nachricht war angesichts der aktuellen Situation natürlich notwendig. Aber sie betrifft auch eine beträchtliche Anzahl von Athleten, die dieses olympische Ereignis als eine ihrer letzten Gelegenheiten gesehen haben, um vor ihrem Rückzug Ruhm zu erlangen.“

Mundo Deportivo: „Inmitten dieser Weltkrise aufgrund des Coronavirus hätte sich das Internationale Olympische Komitee als Sportlokomotive etablieren müssen (...) und hat stattdessen wie immer spät und schlecht reagiert. Das IOC hat nicht nur eine großartige Chance verpasst, sein Image zu verbessern, sondern auch gezeigt, dass es eine Institution bleibt, die (...) mehr um ihre eigenen Interessen als um alles andere bemüht ist.“

GROSSBRITANNIEN

The Telegraph: „Während viele um die Chance trauern werden, sich in diesem Sommer auf höchstem Niveau zu beweisen, gibt es auch viele, für die es sich als schwer erwiesen hätte, überhaupt in Tokio dabei zu sein.“

The Guardian: „Einige der Kopfschmerzen sind möglicherweise nicht so groß wie angenommen. Das IOC wird weiterhin Millionen an Rundfunk- und Sponsoreneinnahmen erzielen, solange die Veranstaltung weiter stattfindet, und ein Großteil davon wird an den Sport weitergegeben.“

Daily Mirror: „Mit Blick auf die Organisation, die für die Olympischen Spiele erforderlich ist, und die Tatsache, dass Tausende Japaner bereits ihr Leben darauf ausgerichtet hatten, ist die Verschiebung traurig. Aber die Entscheidung, die Spiele um ein Jahr zu verschieben, die der japanische Premierminister Shinzo Abe gestern angekündigt hatte, war lange überfällig.“

FRANKREICH

L'Equipe: „Die Unmöglichkeit, sie im Juli abzuhalten, war offenkundig. Die Option, sie in den Herbst zu verschieben, wurde es auch. Keiner ist in der Lage, den Zustand der Erde für diesen Zeitraum vorherzusagen.“

Dernieres Nouvelles d'Alsace: „Dieses Mal hat sich glücklicherweise der gesunde Menschenverstand durchgesetzt. Es war in der Tat kein anderer Ausweg möglich - die Spiele waren erledigt.“

SCHWEDEN

Aftonbladet: „Gegen Covid-19 ist nicht einmal das weltgrößte Sportfest immun. Aber mitten in der pechschwarzen Dunkelheit brennt die Olympische Fackel weiter. 2021 könnte die größte Sportparty der Welt jemals werden.“SVT: „Terror und Boykotte konnten die Olympischen Spiele nicht verschieben - aber Corona.“

DÄNEMARK

Jyllands-Posten: „Historische Verschiebung von Olympia war eine notwendige Entscheidung. Der Entschluss musste getroffen werden. Jetzt ist Ruhe und die Athleten können sich auf die neue Situation einstellen.“

BELGIEN

De Standaard: „Eine Entscheidung zu einem gigantischen Preis. Dass Tokio 2020 sich zu Tokio 2021 wandelt - der Name 'Tokio 2020' bleibt allerdings erhalten -, wirft den gesamten internationalen Sportkalender über den Haufen und schafft drohende Interessenskonflikte auf verschiedenen Gebieten.“

Le Soir: „Das Coronavirus verschiebt die Olympischen Spiele von Tokio, aber tötet sie nicht. Das IOC und die japanische Regierung haben die einzig mögliche Entscheidung getroffen und die Olympischen Spiele, das größte Sportereignis der Welt, verschoben. Der Druck war zu stark geworden.“

JAPAN

Tokyo Shimbun: „Die Entscheidung, die Spiele um ein Jahr zu verschieben, wurde im Ausschlussverfahren beschlossen. Ein Verlegung auf 2022 wäre zu kostspielig gewesen. Der Umgang des IOC mit der Krise, der abrupte Meinungswechsel nach wochenlangen Beteuerungen, am Termin festzuhalten, war ungenügend. Die olympischen Behörden zeigten nicht die Führungsqualitäten, die wir uns erhofften.“

Nihon Keizai Shimbuikkei: „Es ist, als wären wir nach all den Efforts in den letzten sieben Jahren zurück auf Feld 1. Erhebliche zusätzliche Ausgaben sind nun unvermeidbar.“

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