"Der Radsport ist völlig vom Weg abgekommen"
David Brailsford, der mit seinem Team Sky heuer den Sieg bei der Tour de France geholt hat, hat sich stets als vehementer Gegner illegaler Methoden im Radsport präsentiert. "Doping zerstört alles. Ich stelle keine Fahrer mit Dopingvergangenheit ein", lautet das Credo des Walisers. Über die nun vorliegenden Akten im Fall Armstrong kann der 48-jährige Teammanager nur noch den Kopf schütteln. Der Radsport sei "völlig vom Weg abgekommen. Er hat seinen moralischen Kompass verloren."
Bradley Wiggins, der in Frankreich siegte, stößt ins gleiche Horn, auch wenn er nicht gerade überrascht von den Ergebnissen war: "Ich hatte eine ziemlich gute Ahnung von dem, was vor sich ging." Das Ausmaß der Beweise sei "shocking".
Auch Fabian Cancellara ist entsetzt, der Schweizer (der selbst mit diversen Vorwürfen von der durch einen Motor unterstützten Zeitfahrmaschine bis hin zum bisher nie bewiesenen Doping konfrontiert war) drohte bereits mit seinem Abschied aus dem Team RadioShack-Nissan.
Denn dort war bis Freitagabend Johan Bruyneel Teamchef, der langjährige Wegbegleiter Armstrongs, der schließlich an die Luft gesetzt wurde. Die Verwicklung des Belgiers in die Causa ist aktenkundig und wird auch ihm ein Verfahren vor der Anti-Doping-Behörde USADA bescheren. "Ich weiß nicht, ob ich weiter mit ihm zusammenarbeiten kann", sagte Cancellara Het laatste Nieuws, diese Sorge ist er nun los.
Edwin Moses, einst Leichtathletik-Legende (400 Meter Hürden!) und nun Aufsichtsrat der USADA, hat vor allem die Ausreden ("Jeder hat gedopt") satt. "Was erzählst du deinem Kind, wenn es nach Hause kommt und sagt, dass jeder bei der Aufnahmeprüfung an der Uni geschummelt hat? Sagst du ihm, dass es auch betrügen soll?"
Eine gute Frage. Der frühere Präsident des Radsport-Weltverbandes, Hein Verbruggen, sagte mit Blick auf die Akten jedenfalls: "Da steht doch, dass wir nie etwas unter den Teppich gekehrt haben." Da steht aber auch, dass Armstrong der UCI 125.000 Dollar gespendet hat. Wofür nur?
Märchenhaft
Es ist eine jener Geschichten, wie sie die Menschen lieben: Der dem Tod geweihte Krebspatient (Überlebenschance 20 Prozent) wird gesund und gewinnt sieben Mal die Tour de France. Manchen kam Lance Armstrong freilich ein bisserl gar übermenschlich vor. Nun weiß man, warum.
Armstrong stellte sich sein Team nach Doping-Kriterien zusammen und förderte es nicht nur, sondern forderte es auch. Die Fäden im System US Postal zogen Teamchef Johan Bruyneel und der Italienische Arzt Michele Ferrari ("Dottore EPO").
Auf dem Trainingsplan: Testosteron, Wachstumshormon, Cortison, EPO. "Jeden dritten oder vierten Tag nahmen sie EPO", gab etwa der Italiener Filippo Simeoni an. Auch einige Frauen und Freundinnen der Fahrer waren involviert. Bei der Tour 1999 hatte Armstrong eigens einen "Motoman" organisiert – einen getarnten EPO-Boten. Armstrong wurde erwischt, lieferte einen positiven Cortison-Befund ab. Die Lösung: ein gefälschtes Attest vom Teamarzt.
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