Der Absturz der Tennis-Großmacht Schweden

Österreich ist im Duell mit Schweden Favorit - ein Umstand, der einst undenkbar war.

Tennis-Kenner, die nicht allzu flott mit der Zeit gehen, werden im Oktober wohl entsetzt gewesen sein. Damals stand fest, dass Österreich in der Europa-Afrika-Zone in Schweden antreten muss (am Freitag geht es los). "Horrorlos", "absolut chancenlos", waren damals die ersten Gedanken. Wenn man über Schwedens Tennis-Erfolge spricht, ist das längst nur noch ein Schwelgen in Erinnerungen. An große Zeiten. An alte Schweden.

Björn Borg, Stefan Edberg oder Mats Wilander, um nur die Allerbesten aufzuzählen. Alle drei waren Nummer eins, in ihrem Sog entwickelten sich zahlreiche andere Topspieler. Und heute?

Rückfall

Elias Ymer geht als Nummer 189 in den Länderkampf gegen Österreich, Christian Lindell als Nummer 234. Ymer trifft am Freitag zuerst auf Jürgen Melzer (14.30 Uhr/live ORF Sport +), anschließend spielen Lindel und Andreas Haider-Maurer. Beide Schweden sind von der Weltspitze weit entfernt. Ende der 1980er-Jahre stellte Schweden bis zu 18 Spieler in den Hauptbewerben von Grand-Slam-Turnieren, derzeit ist kein einziges Nordlicht fix dabei, Ymer schaffte zuletzt den Sprung in die erste Runde über die Qualifikation. Die durchwegs vorhandenen Erfolge im Doppel kaschieren den Absturz im Einzel. Gewiss sei gesagt, dass die Erfolge von Robin Söderling (Nr. vier der Welt), der im Juli 2012 aufgrund eines Pfeiffersches Drüsenfieber seine Karriere auf Eis legen musste, viel kaschierten.

Joakim Nyström, selbst vor fast 30 Jahren die Nummer 7 der Welt, und in Österreich unter anderem Trainer von Jürgen Melzer, kennt die Gründe: "Nach den vielen Erfolgen wurde man faul, hat einfach nichts mehr für die Jugend getan."

Håkan Dahlbo, Inhaber einer Tennisakademie in Seefeld und ehemaliger Trainer von Horst Skoff, gibt seinem Landsmann Recht: "Es ist viel Know-how verloren gegangen, die Top-Trainer und ehemaligen Superstars sind ins Ausland gegangen. Und diejenigen Trainer, die in Schweden geblieben sind, haben nicht über den Tellerrand geblickt."

Eine Ausnahme war einige Jahre Mats Wilander, der bis 2009 Daviscup-Kapitän war, aber auch nicht mit den Jüngsten trainierte. "Die Jugendlichen waren jahrelang mehr bei Mannschaftssportarten wie Fußball oder Eishockey zu finden", betont Wilander, 1988 die Nummer eins der Welt. "Es gab leichtere Möglichkeiten, Geld zu verdienen", erklärt Dahlbo.

Rückkehr

Mittlerweile geht es aber sogar wieder aufwärts. Kann es nur: Im Juli 2013 stand kein einziger Spieler in den Top 500 der Weltrangliste. Der Aufwärtstrend ist spürbar. Jetzt greifen ehemalige Topspieler wie Magnus Norman mit seiner Akademie wieder dem schwedischen Tennissport unter die (Tennis-)Arme, Jonas Björkman, 1997 die Nummer vier, ist im Trainerteam beim Daviscup. Die Ymer-Brüder – Elias ist 18, Mikael 16 – zeugen von diesem Aufwärtstrend.

Österreichs Herren sind dennoch Favorit. Den letzten Daviscup-Titel holten die Schweden 1998. Ein Jahr später wurden sie in der Relegation von Österreich besiegt (das einzige Mal in sechs Duellen). Jürgen Melzer und Alexander Peya debütierten damals im Doppel – und werden auch am Samstag, 16 Jahre später, gemeinsam auf dem Platz stehen.

Dort, in Örebro, erinnert nichts mehr an goldene Zeiten des siebenfachen Daviscup-Siegers. Keine Bilder von Idolen, kein Hauch von glorreichen Zeiten.

Gemessen an der Weltranglisten-Platzierung sind Haider Maurer (ATP-Nummer 55) gegen Lindell (234) und Jürgen Melzer 84) gegen den 18-jährigen Ymer (189) Favoriten.

Kommentare