Boris Becker: Der "17-jährigste Leimener"

Boris Becker mit orangefarbener Kappe bei einem Tennismatch.
Vor 30 Jahren siegte Boris Becker erstmals in Wimbledon - und wurde zu Deutschlands Superstar.

Und plötzlich war Deutschland aus dem Häuschen. Boris Becker, 17-jähriges Bürschlein aus Leimen, stellte vor 30 Jahren nicht nur die Tennis-Welt auf den Kopf, als er sensationell in Wimbledon gewann. Deutschland suchte und fand den Superstar.

Zeitungsartikel über das Wimbledon-Finale zwischen Kevin Curren und Boris Becker.
Kurier
Zwar hatte Becker kurz zuvor das Vorbereitungsturnier in Queens gewonnen, mit dem Titel in Wimbledon, den er durch einen Finalerfolg über den Südafrikaner Kevin Curren fixierte, hatten aber nicht einmal die kühnsten Optimisten gerechnet. Nicht nur, weil Becker der bis dahin jüngste Sieger eines Grand-Slam-Turnieres war (bis heute ist er zumindest der jüngste Wimbledon-Sieger). "Das war ein Urknall", erinnert sich Jörg Allmeroth (54), einer der profiliertesten deutschen Tennis-Journalisten, " Tennis wurde plötzlich zur Staatsaffäre."
Boris Becker hält die Trophäe nach seinem Wimbledon-Sieg in die Höhe.
File picture shows Boris Becker of West Germany holding his trophy after becoming the youngest player to win the men's Wimbledon Tennis Championship in London July 7, 1985, after defeating U.S. player Kevin Curren. TO GO WITH STORY SPORTARTIKEL-BRANCHE/FUSSBALL-EM/OLYMPISCHE SPIELE SCANNED FROM NEGATIVE REUTERS/Peter Skingley/File (REUTERS - Tags: SPORT TENNIS)
Allmeroth war dabei, als 30.000 Fans ihren neuen Helden bei der Rückkehr in Leimen (rund 25.000 Einwohner) bejubelten. "Das war eine Stimmung, die man lange Zeit nicht einmal von den Fußballern kannte." Becker, Becker, Becker, wohin man sah. "Plötzlich haben mich alle angestarrt, als sei ich ein Wunder", erinnert sich Becker an den 7. Juli 1985.

Becker war damals der große Held in Deutschland. "Er war der Star, stand sogar über den Kickern, ja, Tennis war plötzlich Sportart Nummer eins in Deutschland", sagt Allmeroth, der heute noch unter anderem für die Internet-Plattform Tennisnet.com fundierte Berichte abliefert. Deutschland suchte damals tatsächlich neue Helden, nachdem die Fußball-Nationalmannschaft nach der misslungenen Europameisterschaft im Jahr zuvor schwer in der Kritik stand. "Das Land hatte wieder wen, auf den es stolz sein konnte."

"Boom-Boom"-Boris

Die Folgen waren schwerwiegend. "Ab da wurde 1000 Stunden im Jahr Tennis übertragen, jedes kleine Drei-Pizza-Turnier. Und die Leute sahen zu." Vor allem aber die Daviscup-Duelle hätten fast soviel Beachtung wie die Fußball-Länderspiele bekommen.

Titelseite einer Zeitung vom 8. Juli 1985 über Boris Becker als jüngsten Wimbledon-Sieger.
Kurier
Und der "siebzehnjährigste Leimener aller Zeiten" (Selbstdefinition von Becker) lachte nicht nur von den Titelseiten der Sportblätter (und aus dem TV sowieso), auch weil er von Ion Tiriac perfekt vermarktet wurde. "Jede neue Freundin, jede Kleinigkeit, was er tat, wurde damals groß ausgeschlachtet", sagt Allmeroth, der aber betont, dass es vor Beckers erstem Wimbledon-Triumph (1986 und 1989 folgten zwei weitere), schon einen kleinen Boom gegeben hätte. "Aber seit Beckers Coup 1985 kamen natürlich noch mehr Sponsoren und viele Spieler sahen, was möglich ist." Steffi Graf wurde bald darauf unumschränkte Herrscherin im Damen-Tennis, Michael Stich siegte 1991 in Wimbledon – ausgerechnet nach einem Finalsieg über Becker.

Beckers Triumph hat nicht nur in Deutschland viel bewirkt. "Sein Erfolg war auch für Österreichs Tennis überaus vorteilhaft", erinnert sich Alexander Antonitsch, der damals 19 war. Es wurde viel mehr über Tennis berichtet – vor allem im neuaufkommenden privaten deutschen Satellitenfernsehen, erinnert sich der heutige Eurosport-Experte. Den "richtigen Boom" hätten der gleichaltrige Thomas Muster und Kollegen hierzulande ausgebaut. "Auch unser Daviscup-Team war wie jenes der Deutschen mitverantwortlich für das neue Tennisgefühl."

Bum-Bum-Boris

Becker, schon bald auch als Bum-Bum-Boris bezeichnet, stand auch für ein neues Tennis. Aufschlag-Volley-Spieler hätte es zwar damals schon gegeben, "aber Becker spielte auch kraftvolles Grundlinien-Tennis und strotzte vor ungemeinem Selbstvertrauen. Das hatte mir schon zuvor imponiert, ich kannte ihn schon von einigen Turnieren", sagt der Kärntner.

Becker, auch Bobbele genannt, war damals ein Held und ist es bis heute geblieben. Es gab zwar Zeiten, in denen er es nur durch Scheidungen in die Medien schaffte, mittlerweile tut er es wieder sportlich. Und zwar als Coach des Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic. Der Serbe ist Titelverteidiger – und ein Favorit in Wimbledon.

Freilich wird Boris Becker auch dieses Mal wieder in Wimbledon zu sehen sein. Dann, wenn sein Schützling Novak Djokovic aufschlägt. Der Serbe kommt als Titelverteidiger nach Wimbledon. Und natürlich als Mitfavorit, wenn es um den Siegerscheck in der Höhe von 1,76 Millionen Pfund (2,64 Mio. Euro) geht. Zumindest ist Djokovic als Nummer eins gesetzt.

Eh klar, oder? Nicht in Wimbledon. Zu Beckers oder Stefan Edbergs Zeiten wurde die Setzliste vom Veranstalter zusammengebastelt. Das ist heute anders, die Weltrangliste zählt primär, dazu werden seit 2002 aber auch die Rasenturniere der vergangenen zwei Jahre herangezogen – so lautet die Rasenformel. Bei allen anderen Grand-Slam-Turnieren zählt übrigens nur die Rangliste.

Allerdings: Ist ein Spieler, zum Stichtag in der Weltrangliste unter den Top 32, ist er auf jeden Fall gesetzt (über den Rang entscheidet die Rasenformel). Daran hat sich nichts geändert. Sollte der heurige Wimbledon-Sieger beispielsweise im nächsten Jahr auf Platz 40 liegen, hat er Pech gehabt, vorausgesetzt es sagen nicht acht Spieler ab.

Was auch gut für Dominic Thiem ist, der zum Stichtag unter den besten 32 war und gerade noch als Nummer 32 gesetzt ist – auch, wenn er in seiner Profi-Laufbahn nur ein Rasen-Match gewinnen konnte. Gegen den Israeli Sela kann er montags die Bilanz aufbessern, im 128er-Feld wartet frühestens in Runde drei ein gesetzter Herr. Blöd lief es für den Deutschen Philipp Kohlschreiber. Er ist als 33. knapp nicht gesetzt, wäre bei einer Absage (aufgrund der Rasenformel sogar besser als Thiem) gesetzt gewesen. Nun fordert er Djokovic...

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