Auftakt für das unmögliche Fußball-Team

Ryan Giggs hat ein Problem: Er zählt zwar seit fast zwei Jahrzehnten zu den besten Fußballspielern der Welt, doch durfte er als Nationalspieler nie an einem großen Turnier teilnehmen. Er spielt für
Wales, eine jener vier britischen Nationalmannschaften, die seit der Fußball-Steinzeit eine Sonderregelung genießen. Weil sich Wales nie für eine EM oder eine WM qualifizieren konnte, schaute der heute 38-Jährige sportlich stets durch die Finger.
2005 sollte alles gut werden: London erhielt den Zuschlag für die Sommerspiele 2012. Und vom ersten Tag an entstand politischer Druck: "Das Mutterland des Fußballs ohne Olympiamannschaft – das wird es in meiner Stadt nicht geben", sagte etwa der Londoner Bürgermeister Boris Johnson.
Streit

So mussten sich die vier nicht gerade freundschaftlich verbundenen Verbände an einen Tisch setzen. "Ein verbales Gemetzel wie im ukrainischen Parlament", weiß BBC-Fußball-Fachkommentator und WM-Schützenkönig 1986 Gary Lineker zu berichten.
Die Schotten hätten sich mit Händen und Füßen gewehrt. Sie fürchteten, dass die vier mächtigen Gremien ihre Eigenständigkeit verlieren würden. Erst eine Zusage der FIFA, dass dies sicher nicht passieren werde, konnte sie beruhigen.
Trotzdem sagten ältere Schotten, dass ein Antreten für
Großbritannien nie infrage kommen würde. Damit verbauten sie den jüngeren Spielern den Weg zu
Olympia: Es gilt eine etwas aufgeweichte Unter-23-Regelung.
Der englische Teamchef Stuart Pearce nominierte – angeblich aus Sicherheitsgründen – keine Schotten. Wieder flogen die Fetzen. Auch, weil er keine Nordiren einberufen hatte, obwohl sich die von Anfang an für das britische Team ausgesprochen hatten.
Altstars
Die Altstars von Keegan (England) über Dalglish (Schottland) bis Toshack (Wales) machten in den Medien Druck auf Pearce. Als zumindest für das britische Frauenteam Nordirinnen und Schottinnen einberufen wurden, glätteten sich die Wogen langsam. Die endgültige Entscheidung für die beiden Teams fiel erst im Juni 2011.
Da
David Beckham, der als Altstar und Kapitän vorgesehen war, schließlich nicht einberufen wurde, machte Pearce Giggs zum Kapitän. "Ich war anfangs skeptisch, doch jetzt brenne ich auf diese Aufgabe", sagte der Champions-League-Sieger von
Manchester United.
Für Wales hatte er allerdings zuletzt 2007 gespielt. Er ist einer von fünf Walisern im Kader, Landsmann Greg Bellamy (33) ist der zweite Routinier. Star des Teams könnte im Erfolgsfall allerdings ein anderer Waliser werden: Arsenals 22-jähriger Mittelfeldspieler Aaron Ramsey.
Interesse
Am Donnerstag, tritt das britische Team zum ersten Mal an. Gegner ist Senegal – nicht in London, sondern am home ground von
Ryan Giggs, dem ehrenwerten Old Trafford in Manchester. Tickets waren nicht einmal mehr für Reporter zu bekommen. Weil die Spiele ja offiziell erst am Freitag eröffnet werden, sind die vorgezogenen Fußballspiele ein gefundenes Fressen für die Medien.
Immerhin geht es auch um die Ehre: Vor genau 100 Jahren war Großbritannien Fußball-Olympiasieger. Und vier Jahre davor – 1908 in London – ebenfalls. Damals unter anderem mit einem 12:1 gegen Schweden.
Kommentare