Armstrongs Doping-System

Kompromisslos ist die Wortwahl der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA in ihrer Urteilsbegründung im Fall
Lance Armstrong, die am späten Mittwochabend veröffentlicht wurde. US Postal, das frühere Team des gefallenen Radsport-Superstars, habe ohne jeden Zweifel "das raffinierteste, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm betrieben, das der Sport jemals gesehen hat". Tatsächlich zeichnen die mehr als 1000 Seiten, die die Behörde auf ihrer Internetseite veröffentlichte, ein erschreckendes Bild von Lance Armstrong und seinem Team.
Die Berichte lesen sich teilweise wie ein Krimi, so etwa die 14-seitige Aussage von Floyd Landis, Armstrongs ehemaligem Teamkollegen, der 2006 die
Tour de France gewonnen hat und anschließend des Dopings überführt wurde.
Zahlungen

So sagte Landis unter Eid über die Tour 2004: "Die zweite Bluttransfusion wurde im Team-Bus vorgenommen. Während der Fahrt vom Ende einer Etappe zum Hotel gab der Busfahrer vor, ein technisches Problem zu haben und stoppte für etwa eine Stunde auf einer einsamen Bergstraße, sodass jeder Fahrer des Teams einen halben Liter Blut zurückgeführt bekommen konnte."
Von 1999 bis 2005 gewann Lance Armstrong sieben Mal in Serie die
Tour de France. Die
USADA ist überzeugt, dass der heute 41-Jährige bei allen Tour-Siegen gedopt war und hat alle Ergebnisse seit dem 1. August 1998 gestrichen.
26 Zeugen belasten den Texaner in dem Bericht der USADA, darunter 15 frühere Fahrer. Aufzeichnungen von Zahlungen (beispielsweise 1.029.754,31 Dollar an den italienischen Dopingspezialisten Michele Ferrari zwischen 1996 und 2006), eMails und Labortests bewiesen zudem "Gebrauch, Besitz und Verteilung von leistungssteigernden Mitteln durch Lance Armstrong".
Aussagekräftig

Von elf ehemaligen Teamgefährten Armstrongs wurden die noch aktiven Tom Danielson, Levi Leipheimer, Christian Vande Velde und David Zabriskie nach umfassenden Geständnissen gesperrt – dank der Kronzeugenregelung für lediglich sechs Monate. Die Resultate im fraglichen Zeitraum allerdings wurden auch ihnen gestrichen, weshalb Danielson nun nicht mehr Sieger der Österreich-Rundfahrt 2006 ist.
An diesem Punkt wird’s kompliziert: Was passiert mit dem Preisgeld, das die Athleten eingefahren haben? Im Reglement der
UCI ist das nicht geregelt; ebenso wenig ist die Aberkennung von Armstrongs sieben Tour-de-France-Siegen geklärt. Denn den bestehenden Verjährungsregeln entsprechend kommt allenfalls Armstrongs letzter aus dem Jahr 2005 dafür infrage.
Viel Arbeit also für die Regelhüter des Radsports, die ja selbst im Verdacht stehen, mit Armstrong gepackelt zu haben; jedenfalls hat der Weltverband erkleckliche Summen vom Texaner gespendet bekommen. Und Ex-UCI-Chef Hein Verbruggen hat erst im vergangenen Jahr Armstrong die Absolution erteilt – "nie, nie, nie" habe dieser gedopt. So oder so: Innerhalb der nächsten drei Wochen wollen sich die Verantwortlichen des Verbandes durch die Aktenberge wühlen und dann Stellung zur Causa beziehen.
Und was macht Lance Armstrong, der es ja vorgezogen hat, auf Stellungnahmen zu den "unwahren" und "lächerlichen" Vorwürfen zu verzichten? Er verbrachte "Zeit mit meiner Familie, ungerührt", wie er die Welt via Twitter wissen ließ.
Erschreckend: Die Akte Armstrong
Hauptvorwurf
Die USADA wirft Armstrong vor: Doping, Handel mit illegalen Substanzen sowie Einschüchterung von Kollegen.
Doping-Tests
Armstrong wurde in seiner Karriere etwa 250 Mal negativ getestet. Sechs EPO-Befunde der Tour 1999 seien zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung 2005 sportrechtlich nicht mehr relevant gewesen. Ein weiteres positives EPO-Ergebnis habe die UCI verschleiert.
Helfer
Zentrale Figur ist der italienische Arzt Michele Ferrari ("Dottore EPO"). Teamchef Bruyneel habe junge
Radprofis zu "abgeklärten Dopern" gemacht.
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