"Ein Ausfall ist besser, als Vierter zu werden"

Ein Mann mit Sonnenbrille und Badehose gleitet auf Skiern einen grünen Hügel hinunter.
Kombi-Weltmeister Marcel Hirscher spricht über vierte Plätze und einen untypischen Slalomhang.

Es war im Juli 2009, als der KURIER Marcel Hirscher auf der Stuhlalm hoch über Annaberg besucht hatte. Es war einer jener Sommertage, wie es sie nur in den Bergen gibt, ruhig und schön, mit beeindruckenden Tief- und Fernblicken, und der junge Herr, der damals noch keinen einzigen Weltcupsieg hatte, aber als großes Versprechen für die Zukunft galt, erzählte, wie er auf 1500 Metern große Teile seiner Jugend zubrachte – seine Eltern hatten die Alm einst bewirtschaftet. Und wie er über Hunderte Meter auf einem Drahtseil balancierte. Wir haben ihn damals übrigens als "Jahrzehnt-Talent" bezeichnet.

Es war im Dezember desselben Jahres, als Hirscher seinen ersten Weltcupsieg feierte. In Val d’Isère, im Riesenslalom, mit einem zweiten Lauf "in einer ganz anderen Liga", wie er es damals bezeichnete. Da machten wir ihn immerhin zum "Riesenversprechen für die Zukunft".

Nur die Ruhe

Ein Mann sitzt an einem Tisch und spricht vor einer Gruppe von Journalisten.
Alpine Ski-WM 2015, Marcel Hirscher c Stefan Sigwarth
Am 9. Februar 2015 bittet Marcel Hirscher zur Audienz ins ÖSV-Teamhotel The Charter in Beaver Creek, und anders als im Februar 2013 ist das mediale Interesse zwar respektabel (sieben Kamerateams, zwei Herren vom Radio, 20 Printjournalisten), aber es ist bei Weitem nicht in jenem Bereich, der Marcel Hirscher irgendwann im Zuge seiner Heim-WM in Schladming sagen ließ, dass die "doch alle wahnsinnig" seien. Die Medienvertreter, die Fans, alle miteinander.

"Damals hab’ ich bei der Pressekonferenz mitgenommener ausg’schaut als heute", sagt der 25-Jährige. "Hier hab’ ich doch um einiges weniger an Verpflichtungen, dafür mehr Entlastungsfaktoren." Marcel Hirscher ist entspannt, und seit seinem Sieg in der WM-Kombination am Sonntag ist er es noch mehr. Der Salzburger, inzwischen dreifacher Gesamtweltcupsieger, hat Freundin Laura Moisl und seine Familie um sich, "das ist schön, denn immer nur zu arbeiten, ist auch nicht super. Und wenn man etwas teilen kann, egal, ob Sieg oder Niederlage, dann ist das schön. Ich glaube, der Skisport darf da sicher noch etwas an sich arbeiten und lockerer werden."

Locker ist auch Hirscher an diesem Montagnachmittag, nach dieser WM-Goldenen in der Kombination, mit der er so gar nicht gerechnet hatte. Nicht auf diesem Schnee, der angesichts der hohen Temperaturen so gar nichts mit seiner Präferenz Eis zu tun hat; nicht auf diesem Slalomhang, den er als "untypisch" bezeichnet. "Auf diesem Gelände ist für einige etwas möglich. Ich muss mich da schon ein bissl anpassen", sagt der Salzburger. "Ich fahre die Schwünge eher mit Power, andere wie etwa Felix Neureuther verlassen sich da mehr auf ihr Gefühl."

Ein "großes Fragezeichen" war für ihn sein Set-up – im Kombi-Slalom hat es schon einmal so gut funktioniert, dass Hirscher die Bestzeit in den Schnee gebrannt hat; wie es im Riesenslalom am Freitag und im Slalom am Sonntag weitergeht, wird davon abhängen, ob der Schnee behandelt wird oder nicht. "Wenn es so bleibt, werden ziemlich viele voll andrücken", und deswegen ist für den Torlauf-Weltmeister der Slalom auch unberechenbarer als der Riesenslalom. Mehrfach hat Hirscher die Fahrten von Ted Ligety auf Video studiert. Der Amerikaner hat auch die Riesentorlauf-Generalprobe in Beaver Creek im Dezember gewonnen. "Er ist der Favorit hier", sagt Hirscher.

Alles auf eine Karte

Klar ist für den amtierenden Slalom-Weltmeister, dass bei dieser WM das Motto nur hopp oder tropp sein kann. "Im Weltcup musst du Punkte sammeln. Hier gibt es nur drei Optionen, die dich glücklich machen, und da ist ein Ausfall besser, als Vierter zu werden. Vierter war ich schon oft genug." Drei Mal im Riesenslalom, um genau zu sein: bei der WM 2009, bei den Winterspielen 2010 und 2014 bei Olympia in Sotschi.

Heuer hat Marcel Hirscher vier Mal die Chance auf Gold. Die erste hat er schon genutzt, die zweite war der Teambewerb am Dienstagabend Mitteleuropäischer Zeit, zwei weitere folgen noch. "Vier Medaillen wären supercool, gar keine Frage", sagt Hirscher, "vorgenommen habe ich mir drei – eine in jeder Farbe." Klar sei aber eines: "Seit der Kombi ist der Druck auf meinen Schultern geringer geworden."

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