20 Jahre rot-weiß-rote Sporthistorie

20 Jahre rot-weiß-rote Sporthistorie
1995 gewann Thomas Muster die French Open. Zeit, zurückzublicken.

Natürlich hängt er herum. Noch immer. Seit nunmehr 20 Jahren.

1995 war es, in Paris. Da schlug dem österreichischen Sport eine Sternstunde. Thomas Muster gewann die French Open. Damit hat es der nunmehr 47-Jährige sogar ins Museum von Roland Garros geschafft. Allerdings hat man dort schlechte Historiker an Land gezogen. Der abgebildete Muster ist nicht ident mit jenem von den French Open 1995. Da schaut Muster aus einer anderen Wäsch’. Sonst ist Muster noch in der Players-Lounge abgebildet. Im Journalistenzentrum gab es bis vor kurzem auch noch herumhängende Spieler, so zierte Jürgen Melzer gar das Damen-Klo. Muster suchte man im stillen Örtchen und lautem Pressezimmer vergebens in diesem Gebäude.

Chinesen-Freud’

Aber um Muster zu entdecken, darf man nicht Muster auf Bildern suchen. Denn er selbst packt gerne seine Schmankerl von damals aus. Zumindest gelegentlich. Derzeit eher weniger gern, schließlich ist er just zum Jubiläumsjahr nach Australien entschwunden.

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Egal. Er muss sie ja nicht immer wiederholen, die ganzen Geschichten rund um Österreichs Tennis-Geschichte. Zum Beispiel jene vom Vorabend des großen Finales. "Ich bin mit Ronnie Leitgeb (sein damaliger Manager, Anm.) weg von der Anlage in die Stadt gefahren, weil ich Abstand gewinnen wollte, keinen vom Tennis sehen wollte. Ich hatte Lust auf chinesisch. Es gibt wahrscheinlich 100.000 Chinesen in Paris. Wir haben ausgerechnet einen gefunden, in dem der Chang drinnen saß. Ich habe spaßhalber gesagt, dass wir ihm etwas ins Essen geben sollten."

Muster tat es nicht, gewann am nächsten Tag das Finale auch so in drei Sätzen.

Leibwächter-Leid

Weniger schmunzeln muss Österreichs bester Tennisspieler über eine andere Geschichte, als man ihn ins rechte Eck stellen wollte. Einen Leibwächter hat er weggeschickt, den man vor seiner Tür postierte. "Mein Pech war halt, dass der dunkelhäutig war. Dabei wollte ich nur meine Ruhe haben." Sogar nationalsozialistische Lieder hätte man in seiner Gegenwart angestimmt, erinnert er sich.

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APA20804264-2_17102014 - WIEN - ÖSTERREICH: (v.l.) Thomas Muster und Dominic Thiem (AUT) während der Ö3-Challenge anl. der Erste Bank Open am Freitag, 17. Oktober 2014, in der Wiener Stadthalle. FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
Freilich, als er dann seinen einzigen Grand-Slam-Titel gewann, schaute die Welt schon wieder besser aus. Dann wollte er einige Tage seine Ruhe haben. Die Journalisten hielten sich daran, riefen auch nicht an. Denn einige Tage später, nach seinem großen Triumph musste er sowieso wieder seinen Schläger auspacken. Am Sonntag spielte er noch vor 17.000 Zuschauer in Paris, einige Tage später gegen den Belgier Dewulf vor ein paar Hansln in St. Pölten. Freilich gewann er dann das Turnier und damit 40 Spiele auf Sand en suite. Erst in Gstaad unterlag er danach dem Spanier Alex Coretja. Schnee von gestern.

Ein Kämpfer war er, auch als die Karriere nach einem Unfall 1989 (ein Betrunkener fuhr ihn in Miami nieder) gefährdet schien. Muster rackerte sich immer wieder zurück. Bis es ihm selbst keinen Spaß mehr machte. "Ich habe immer alles gegeben. Aber irgendwann wollt ich kein Tennis mehr sehen", sagt er. Vor allem das Reisen war kein Genuss mehr. "Wenn du das 16. Mal in Miami bist, kommst du dir wie im Hamsterrad vor", sagt er der Süddeutschen Zeitung.

Seine Karriere endete ebenfalls in Paris (erst 2010 kehrte er zurück aber das ist eine andere Geschichte). 1999 spielte er gegen Nicolas Lapentti sein damals letztes Match. Die wenigsten wussten, dass er nicht zurückkommen werde. "Nur der Servicemann hat etwas geahnt, als ich ihm meine Schläger gab", erinnerte sich Muster einmal. Paris – ein würdiger Rahmen für einen würdigen Großen des Sports.

Das T-Shirt mit der Aufschrift „Roland Garros 1995“ liegt noch daheim, ist zwar ziemlich verwaschen, passt aber noch. Die grüne Roland-Garros-Tennistasche löst sich längst auf – aber wegwerfen werde ich sie nie. Sie erinnert an ein Erlebnis, das für einen jungen Sportreporter, der ich damals war, einzigartig war. Und immer bleiben wird.

Am 11. Juni 1995 gewann Thomas Muster die French Open. Als erster Österreicher – und vermutlich noch lange als einziger. Der Sieg gegen Michael Chang (das ist der, der Österreich einst gegen Horst Skoff den Einzug ins Daviscup-Finale vermasselte) war wohl der größte Erfolg eines österreichischen Einzelsportlers. Und für einen Reporter, der zwei Jahre später seiner großen Leidenschaft nachgab und ins Kulturfach wechselte, emotional mindestens so bedeutend wie die beste „Ring“-Aufführung in Bayreuth.
Wir, KURIER-Sportchef Jürgen Preusser und ich, saßen damals in Paris, litten mit Muster, jubelten mit ihm, schrieben Seiten über ihn und erfuhren plötzlich, dass Österreichs Fußballteam in Irland 3:1 gewonnen hatte – nix gegen den Muster-Sieg.

Ich spazierte mit Muster während des Turniers einmal über den Boulevard Saint-Germain, als wir Jean-Paul Belmondo begegneten. Die strahlenden Augen des Schauspielers hätten Sie sehen müssen – Muster war für ihn ein Gott.

Vor dem Turnier hatte sein Managertrainer Ronny Leitgeb mich gebeten, 20 frisch bespannte Schläger für Muster mitzunehmen. Ich hätte nie gedacht, dass er so lange im Turnier bleiben würde, um alle zu brauchen.

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