Achtung! So gefährlich ist der Weg nach Hause

Auch auf einem Zebrastreifen darf sich ein Kind nicht darauf verlassen, dass die herannahenden Autos anhalten
Volksschüler und Eltern machen sich jetzt gemeinsam auf den Schulweg.

Der Passant, der ausgerechnet beim Fototermin zum Thema Schulwegsicherheit an der Kreuzung Klosterneuburger Straße/Gerhardusgasse im 20. Bezirk bei Rot über den Zebrastreifen läuft, gibt ein schlechtes Beispiel ab. So etwas kann fatale Folgen haben. Bernd Toplak von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), Landesstelle Wien, hakt da sofort ein. "Erwachsene sind wichtige Vorbilder. Das sollten wir uns immer wieder bewusst machen und uns dementsprechend verhalten, besonders zu Schulbeginn."

Wie man es richtig macht, weiß Konstantin. Seinen Schulweg kennt der Siebenjährige, der dieses Jahr in die zweite Klasse Volksschule kommt, genau. Er ist ihn im Vorjahr gemeinsam mit seiner Mama probeweise mehrmals gegangen. Auch dieses Jahr haben die beiden vor Schulbeginn einen "Auffrischungsrundgang" gemacht. "Das ist wichtig, wobei grundsätzlich gilt: Der kürzeste Schulweg ist nicht immer der sicherste", sagt Toplak.

Führungskraft

Eltern sollten gemeinsam mit ihrem Kind, vor allem, wenn es ein Erstklassler ist, den sichersten Weg wenigstens drei- bis vier Mal abgehen, bei herausfordernden Strecken mindestens zehn Mal. Und sie müssen dem Kind erklären, weshalb es wo gefährlich ist und worauf es als Fußgänger achten muss. Problematische Stellen sollten besonders gut geübt werden. "Beim nächsten Mal können sich die Eltern dann bereits von ihrem Kind führen lassen. So erkennen sie am besten, ob es alles richtig verstanden hat, und wo man gegebenenfalls korrigierend eingreifen muss."

Für Volksschüler sind solche Übungswege außerordentlich wichtig, auch weil sie – etwa bei Kreuzungen ohne Ampeln oder Schullotsen – schnell überfordert sein können, "denn sowohl Motorik als auch Wahrnehmung sind bei Sechsjährigen noch eingeschränkt", gibt Bernd Toplak zu bedenken.

Sicherheit bedeutet aber auch gut sichtbar zu sein. Kinder haben da aufgrund ihrer Körpergröße einen erheblichen Nachteil. Kinderwarnwesten, reflektierende Schnappbänder oder Anhänger sind simple, aber effektive Möglichkeiten ihre Sichtbarkeit zu erhöhen.

Gleichzeitig warnt der Experte für Unfallverhütung vor der "falschen Sicherheit", die von Zebrastreifen ausgeht. "Man darf die Schutzwirkung von Zebrastreifen nicht überschätzen. Auch da gilt, wie bei auch ampelgeregelten Kreuzungen: bei Grün nicht sofort losgehen, sondern zu beiden Seiten schauen, also auch auf Radfahrer und den Abbiegeverkehr achten. Das sollte man seinen Kindern gut einbläuen."

Überängstliche Eltern oder jene, die ihren Kindern den ganzen Verkehrsstress ersparen möchten, und sie deshalb jeden Tag selbst mit dem Auto zur Schule führen, tun den Kids nichts Gutes. "Kinder, die immer gebracht werden, nehmen den Verkehr lediglich als Autopassagiere wahr. Sie lernen nicht, mit den Gefahren der Straße umzugehen. Müssen sie dann doch einmal selbst nach Hause gehen, finden sie sich im Verkehrsgeschehen nur schwer zurecht." Diese "Elterntaxis" sind hinsichtlich Verkehrssicherheit also eher kontraproduktiv und sollten die Ausnahme sein.

Unerwartete Bedrohung

Gefahren lauern aber nicht nur beim fließenden Verkehr. Nicht minder gefährlich sind Garagen- und Hauseinfahrten. Mitunter kommen Pkw mit höherer Geschwindigkeit auch aus Tiefgaragen heraufgeschossen. Deshalb sollten Kinder bei Aus- und Einfahrten, selbst wenn ein Spiegel vorhanden ist, erst dann vorbeigehen, wenn sie diese optisch und akustisch gecheckt haben. Auch Baustellen mit Bauzäunen sind potenzielle Unfallgefahren. Hier gilt: bis zur Straße vorgehen, genau schauen, erst dann queren. Der Check zu allen Seiten ist auch in Hinblick auf Elektroautos und E-Bikes wichtig. Sie fahren nahezu geräuschlos, man hört sie also nicht.

Neue Risiken

Apropos Hören: Das Tragen von Kopfhörern im Straßenverkehr, um Musik zu hören oder um mit dem Smartphone zu telefonieren, sind weitere Unfallquellen. Und eine Zumutung für andere obendrein, weil sie auf diese Verkehrsteilnehmer besonders achtgeben müssen.

Kritisch sehen Verkehrsexperten und Ärzte jüngst das neue Handygame Pokémon Go. "Das Spiel hat ein extrem hohes Ablenkungspotenzial. Im Verkehr ist das Unfallrisiko dadurch doppelt so hoch. In der Hand von Schülern am Weg zur Schule hat es deshalb absolut nichts zu suchen", fordert der Vorstand der Grazer Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, Holger Till.

Wie wichtig solche Appelle sind, zeigen die Unfallzahlen. Im Vorjahr sind 2600 Kinder bei Verkehrsunfällen verunglückt, elf davon tödlich. 20 Prozent dieser Unfälle ereigneten sich am Weg zur Schule.

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