Comeback einer Königin

ca. 1985-1995, Cincinnati, Ohio, USA --- The 'American Queen' paddlesteamer in Cincinnati. --- Image by © Lalage Johnstone/Eye Ubiquitous/Corbis
Mit dem Schaufelraddampfer American Queen ist ein Stück des guten alten Südens auf den Mississippi zurückgekehrt.

Eine unscheinbare Tür führt von der Engine Bar hinunter in den Maschinenraum. Schon beim Öffnen der Tür dringt ohrenbetäubender Lärm an die Ohren. Unten dampft und zischt es, zwei gigantische Kolben bewegen sich im Wechsel, das Schaufelrad schleudert der Sonne glitzernde Wassertropfen entgegen.

Robin Jimenez, die 25-jährige Schiffsingenieurin, steht im Blaumann vor einer Wand mit Schaltern und Hebeln. Sie ist dafür verantwortlich, dass Maschinen und Schaufelrad rund laufen. „Darüber hat der Kapitän oben auf der Brücke keine Kontrolle“, erklärt sie. „Der kann nur die Glocke läuten und mir sagen, welche Geschwindigkeit er will. Das Tempo mache ich hier unten. Aber natürlich hat der Kapitän das letzte Wort.“

Flaggschiff

Comeback einer Königin
Tennessee, USA, Memphis, Mudi Island River Park
Seit die American Queen 2012 wieder ihren Dienst aufgenommen hat, ist nicht nur der gute alte Schaufelraddampfer zurück auf dem Mississippi, sondern mit ihm auch das Flair einer längst verloren geglaubten Ära. Das Flaggschiff der Mississippiflotte ist nach langer Pause der erste Schaufelraddampfer, der wieder mehrtägige Flussreisen anbietet – und außerdem der größte, der je gebaut wurde. Mit einer Länge von 127 Metern und 27 Metern Breite bietet er Platz für gut 400 Passagiere, die – wie einst Tom Sawyer und Huckleberry Finn – nur eines wollen: echtes Mississippi-Feeling. Zur Wahl stehen verschiedene Routen auf den Flüssen Mississippi, Ohio River und Tennessee River zur Wahl: etwa von St. Louis nach St. Paul, von Cincinnati ins Musikmekka Memphis oder von Memphis bis hinunter nach New Orleans, der „Wiege des Jazz“.

Schon auf den ersten Blick präsentiert sich die Königin Amerikas als wahre Südstaaten-Schönheit mit ihren beiden schwarz bekrönten Kaminen, den weißen Balkonen und verzierten Säulen – und natürlich mit dem feuerroten Schaufelrad. Einmal an Bord, ist man schnell gefangen von der Atmosphäre des alten Südens. Wie einst die amerikanische Hautevolee schreiten die Reisenden bei der Ankunft an Bord eine breite Mahagonitreppe hinauf. In schwülstigen Salons mit samtbezogenen Sesseln, Kronleuchtern und goldgerahmten Spiegeln schwelgen bereits die ersten Passagiere bei Tee und Gebäck. Zimmermädchen in schicker Livree geleiten die Gäste zu ihren Kabinen, servieren auf Wunsch Champagnerflaschen in silbernen Eiskübeln.

Es ist wie ein Traum aus alter Zeit, sich auf dem Sonnendeck in weißen Schaukelstühlen zu wiegen, bei einer Erkundung der Brücke mit dem Kapitän zu plauschen, am Nachmittag den Vorträgen und dem Seemannslatein des „Riverlorian“ zu lauschen, nur um irgendwann weiterzuziehen in die Engine Bar. Gewürzt werden Ice Tea und kühle Cocktails durch Jazz und Country-Musik, und schon bald ist nicht mehr klar, was denn da die Sinne berauscht: der Drink, der Sound oder das Rotieren des Schaufelrads, das sich vor den Bullaugen hinter der Bühne dreht – ohne Pause, geradezu hypnotisierend.

Comeback einer Königin
American Queen, Dampfschiff, Mississippi, USA, Flussschiff, Flusskreuzfahrt
Wenn zwischendurch weder technische Raffinessen noch spannende Vorträge die Aufmerksamkeit fesseln, bleibt herrlich viel Zeit für Müßiggang. Fast unmerklich fließen die Tage dahin zwischen romantischen Sonnenaufgängen an Deck und dem letzten Ton des Pianos im Salon. Das Beste aber ist, einfach stundenlang auf dem Balkon vor der Kabine zu sitzen, durch die Reling aufs Wasser zu schauen und sich von Ol' Man River einlullen zu lassen, der still und träge vorbeirollt. Weite Wälder ziehen sich bis ans Ufer, im Süden schlängelt sich der Mississippi in tausend Schleifen dem Meer entgegen.

Landgänge

Comeback einer Königin
Tennessee, USA, Memphis, Sun Studio
Natürlich gehört auch der eine oder andere Landgang zu einer Kreuzfahrt. Ob in New Madrid (US-Bundesstaat Missouri), in Memphis ( Tennessee), oder in Natchez ( Mississippi): Wo immer die American Queen anlegt, stehen die Leute bald in Trauben am Landesteg, wedeln und winken, und die Passagiere auf den Decks winken zurück. Im kleinsten Provinznest und der größten Metropole warten stets interessante Menschen, die Gäste mit viel Herzblut in ihre Stadt und ihr Leben einlassen.
Die Einheimischen bringen ihre Besucher zum National Quilt Museum in Paducah ( Kentucky), veranstalten eine Spritztour auf dem Anhänger eines Traktors durch New Madrid, oder leiten die sehr spannende Tour durch mehr als 100 Jahre Musikgeschichte in der Stadt Memphis, die durch Elvis Presley und seine Villa Graceland weltberühmt wurde.

Und dann ist da plötzlich wieder dieses merkwürdige Geklimper: Jeweils eine Stunde bevor die American Queen ablegt, erklingt vom Achterdeck Musik wie auf dem Jahrmarkt: Bordpianist Phil Westbrook sitzt an der Dampforgel und ruft die Passagiere zurück aufs Schiff. Da stehen sie dann oben an Deck, winken den Neugierigen unten am Ufer zu und freuen sich auf den Sonnenuntergang am Mississippi – gemütlich wippend im Schaukelstuhl bei einem eiskalten Mint Julep mit Bourbon Whiskey aus den Südstaaten, frischer Minze und Zucker.

Den gab es auch schon zu Zeiten von Huckleberry Finn und Tom Sawyer

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