Wulff-Rücktritt: Nachfolge völlig offen

Eine Karnevalswagen-Figur von Bundespräsident Steinmeier als Boxer im Ring.
Deutschland: Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian will die Koalition rasch einen Nachfolger finden.

Es war ein vielsagendes Bild: Am Abend traf das Ehepaar Wulff nach dreistündiger Fahrt von der Dienstvilla in Berlin am Privathaus nahe Hannover ein. Nicht im schweren Dienst-Mercedes mit Eskorte, sondern im kleinen Privat-Skoda, Bettina am Steuer, Christian Wulff als Beifahrer. Drastischer hätte ihr Übergang vom höchsten Staatsamt und dessen Insignien ins total Private kaum sein können. Nur 24 Stunden nach der Ermittlungseinleitung wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung im Amt war Wulffs Abgang vollzogen. Den in einer ARD-Blitzumfrage 83 Prozent der Deutschen gut fanden.

Ungewöhnlich rasch wollte das politische Berlin auch die Nachfolge regeln. Schon 25 Minuten nach der Rücktrittserklärung Wulffs war von Kanzlerin Merkel der Konsens hergestellt, dass sich die Bundestagsparteien mit Ausnahme der „Linken“ auf einen überparteilichen Kandidaten einigen sollten.

Das war von CDU-Chefin Merkel aber nicht ganz so uneigennützig wie es aussah. Ihre Koalition hat in der Bundesversammlung, die den Präsidenten kürt, nur eine hauchdünne Mehrheit, auf die sie sich schon bei der Wahl Wulffs nicht verlassen konnte. Die Opposition bekommt damit die Chance einer staatstragenden Rolle, die sie bis jetzt erst einmal hatte: Bei der zweiten Wahl Richard von Weizsäckers, als der ohne Gegenkandidat blieb.

Machtkampf

Joachim Gauck hält eine Rede vor Mikrofonen.

SPD und Grüne artikulierten ihre Mitverantwortung für die Wahl eines überparteilichen Kandidaten, indem sie öffentlich vor der frühen Nennung eines Favoriten warnten und versprachen, selbst keine Bedingungen zu stellen.

Das Versprechen hielt allerdings nur Stunden. Schon Freitagabend schlossen beide Oppositionsparteien kategorisch aus, ein Mitglied des Kabinetts Merkel nur in Betracht zu ziehen. Damit bekräftigten sie ihre Argumentation, dass Merkels Beharren auf ihren letzten zwei Kampfkandidaten, den dann zurückgetretenen Präsidenten Köhler und Wulff, die Probleme an der Staatsspitze verursacht habe.

Und am Samstagnachmittag betonten SPD und Grüne vor der Presse nochmals ihre Präferenz: Es ist ihr bei der vergangenen Wahl durchgefallener Kandidat, der einstige DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck, 73. Er ist in allen Umfragen der „Präsident der Herzen“ und Liebling der Medien. Der protestantische Ex-Pfarrer tourt durch die Republik mit „salbungsvollen Reden“ ( FAZ ) über Politik und das Leben an sich. Gegen seine Wahl auch durch Merkel, die ihn persönlich gut kennt und schätzt, sprach am Samstag nur die Einschätzung in Berlin, dass sie damit den Fehler der Wulff-Wahl offen eingestehen würde.

Gauck nach seiner Rede Freitag Abend in Konstanz lachend zur Presse: „Herr Gauck sagt natürlich nichts. Nichts zu Herrn Gauck und nichts zu Herrn Wulff.“

 

 

Gauck in Wien

Der heiße Kandidat für die Wulff-Nachfolge tritt am Sonntag im Rahmen einer schon lange geplanten Veranstaltung im „stadtTheater walfischgasse“ (1010 Wien, 11 Uhr) auf: Peter Huemers Gespräch mit Joachim Gauck verspricht brisant zu werden.

FRAGEN UND ANTWORTEN

Wann verlässt die Familie Wulff das Schloss Bellevue? Die Dienstvilla muss spätestens zum Amtsantritt des Nachfolgers geräumt sein.

Hat Wulff Anspruch auf den „Ehrensold“? Diese Frage ist umstritten. Denn die 199.000 Euro jährlich stehen nur Staatschefs zu, die aus „politischen oder gesundheitlichen Gründen“ aus dem Amt scheiden. Dass bei Wulff politische Gründe vorliegen, bezweifeln manche.

Welche Ansprüche hat ein Ex-Bundespräsident noch? Der Staat übernimmt den Personal- und Sachaufwand für ein Büro mit Sekretariat, persönlichen Referenten sowie Chauffeur. Im Schnitt liegen die Kosten dafür bei 280.000 Euro jährlich.

Hat Wulff sonstige Pensionsansprüche? Ja, resultierend aus seiner Tätigkeit als Ministerpräsident Niedersachsens (2003–2010). Auf diese Pension (5300 Euro pro Monat) hat der jetzt 52-Jährige aber erst ab dem 60. Lebensjahr Anspruch. Ab dem 57. Lebensjahr hätte er schon Anspruch auf eine Altersentschädigung für seine Tätigkeit als Landtagsabgeordneter.

Wovon lebt Wulff jetzt? Ihm steht bis Juni 2012 ein Übergangsgeld von 7000 Euro pro Monat zu. Dieses Geld erhalten Ministerpräsidenten zwei Jahre lang nach Ausscheiden aus dem Amt, im Fall Wulff war dies im Juni 2010. Bisher ruhten diese Bezüge wegen des höheren Präsidentengehalts.

Wie hoch sind Wulffs Schulden? Laut Experten 100.000 Euro. Sein Rechtsbeistand dürfte ein Tageshonorar von 4000 € verrechnen.

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