Wikileaks: Ecuador gewährt Assange Asyl

Ein Mann geht an einem Gebäude vorbei, dessen Fassade teilweise von einem Porträt verdeckt wird.
Das südamerikanische Land verschafft dem Wikileaks-Gründer Asyl - freies Geleit wird er aus England dennoch nicht bekommen.

Ecuador gewährt Julian Assange Asyl: Dies hat der Außenminister des südamerikanischen Landes, Ricardo Patino, am Donnerstag in einer Pressekonferenz mitgeteilt. Zuvor hatte er sich darüber moniert, dass andere Länder - wie etwa Australien - Assange keine Hilfe geleistet hatten. Man werde versuchen, den Wikileaks-Gründer zu beschützen - er würde woanders nicht rechtens behandelt werden, so der Politiker.

Begründet hat Patino die Entscheidung damit, dass Ecuador in der Causa Assange zumindest elf Faktoren ausgemacht hätte, die dessen Angst vor Verfolgung belegen würden - zudem sei Asyl ein Menschenrecht. Der diplomatische Dialog mit den anderen beteiligten Staaten - Großbritannien und Schweden - sei im Vorfeld gescheitert; man wolle keine politischen Kompromisse eingehen.

Assange hat die Entscheidung Ecuadors, ihm Asyl zu gewähren, als "wichtigen Sieg" bezeichnet. Der Internet-Aktivist sagte dem dortigen Personal, es sei ein Sieg "für mich selbst und meine Leute". Allerdings würden die "Dinge jetzt wahrscheinlich stressiger".

Briten bleiben bei Entscheidung

Die Briten indes ließen in einer ersten Reaktion vernehmen, dass man von der Entscheidung, Assange auszuliefern, nicht abrücken werde. Man sei enttäuscht von der Entscheidung Ecuadors, werde sich aber an die rechtlichen Vereinbarungen, die mit Schweden akkordiert waren, halten, hieß es aus dem Büro von Außenminister William Hague.

Patino sagte zur in Richtung britischer Regierung, dass er darauf "vertraue, dass Großbritannien die nötigen Garantien liefert, dass beide Staaten gemäß internationalen Rechts agieren können." Zudem hoffe er, dass die "exzellente Beziehung, die die beiden Staaten miteinander haben, fortgesetzt wird".

Langer Weg nach Ecuador

Unklar bleibt, wie Assange ohne Duldung der britischen Regierung aus der kleinen Botschaft nach Ecuador gebracht werden könnte. Die Vertretung ist im Erdgeschoß eines Appartementgebäudes untergebracht und unter Dauerbeobachtung der britischen Behörden. Im Vorfeld war spekuliert worden, Assange könne in einem diplomatischen Fahrzeug zum Flughafen gebracht oder im Botschaftsgepäck herausgetragen werden. Auch eine Ernennung zum Diplomaten wurde diskutiert. Anwälte und Diplomaten haben diese Szenarien jedoch als praktisch kaum umsetzbar verworfen.

Notfalls will Assange seine Ausreise vor dem Internationalen Gerichtshof erstreiten. London müsse "die diplomatischen Pflichten der Flüchtlingskonvention beachten, ihn ausreisen lassen und ihm freies Geleit geben", sagte der bekannte spanische Anwalt und frühere Richter Baltasar Garzón, der Assange juristisch unterstützt, der Tageszeitung El País.

Razzia in London möglich

Zuvor war zwischen Ecuador und Großbritannien ein diplomatischer Zwist um Assange entbrannt. Das südamerikanische Land befürchtete sogar eine Polizeiaktion gegen seine Botschaft in London, in der sich Assange seit sieben Wochen aufhält. "Heute haben wir eine Drohung des Vereinigten Königreiches erhalten, eine ausdrückliche und schriftliche Drohung, dass sie unsere Botschaft in London stürmen könnten, falls Ecuador sich weigert, Julian Assange auszuliefern", sagte Außenminister Ricardo Patino am Mittwoch in Quito.

Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson warnt Großbritannien davor, die ecuadorianische Botschaft in London zu stürmen. Eine solcher Schritt könnte zu weltweiten diplomatischen Komplikationen führen, sagte Hrafnsson der Nachrichtenagentur AFP per Telefon aus Island.

Die Briten könnten für eine mögliche Stürmung ein Sonderrecht aus dem Jahr 1987 geltend machen, berichtet die Zeit: Großbritannien verweise auf den Diplomatic and Consular Premises Act von 1987. Demnach könne der Staat den diplomatischen Status einer Botschaft aufheben, wenn er missbraucht werde, also etwa gegen internationales Recht verstoßen wird.

Hintergrund der Regelung sei unter anderem ein Vorfall vor der libyschen Botschaft in London im Jahr 1984: Dort feuerten Gewalttäter während einer Protestkundgebung mit automatischen Waffen auf die Demonstranten, eine Polizistin starb durch den Angriff. Die Schüsse konnten nur von drinnen kommen, dachte man damals – der Täter war also für die Behörden nicht greifbar. Die Polizei belagerte danach elf Tage lang das Botschaftsgebäude, am Ende verwies Großbritannien das gesamte Personal des Landes, berichtet die Zeit.

Nach einem Bericht der britischen BBC könnte zudem der exterritoriale Status der Botschaft in London aufgehoben werden, um ein Eindringen von Polizeikräften zu ermöglichen. Rund um das Botschaftsgelände seien in der Nacht auf Donnerstag bereits zusätzliche Polizisten aufmarschiert.

Auslieferungs-Befürchtungen

Der 41-jährige hatte sich im Juni in die ecuadorianische Botschaft geflüchtet, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen. Dort werden ihm Sexualdelikte zur Last gelegt. Der Australier fürchtet aber, letztlich an die USA ausgeliefert und dort wegen der brisanten Enthüllungen durch Wikileaks verfolgt zu werden.

Assange wird von zwei Schwedinnen sexuelle Nötigung bei Kontakten im Sommer 2010 vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft in Göteborg hatte 2010 einen internationalen Haftbefehl gegen Assange ausgeschrieben, um ihn für ein Verhör über die Vorwürfe der Frauen nach Schweden zu zwingen. Assange bestreitet die Vorwürfe. Zwar gibt er zu, mit beiden Frauen Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, beharrt aber darauf, dass dies einvernehmlich geschehen sei.

Assange fürchtet um sein Leben, falls er von Großbritannien nach Schweden und von dort an die USA ausgeliefert werden sollte. Das von ihm gegründete Internet-Portal Wikileaks hatte 2010 weltweit Aufsehen erregt, als es Tausende geheime US-Dokumente über die Rolle der USA in internationalen Konflikten veröffentlicht hatte, unter anderem in Afghanistan und im Irak. Die US-Regierung sieht in Assange seitdem einen Landesverräter.

"Der Fall Julian Assange: Eine Chronologie" können Sie hier nachlesen.

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