Vergewaltigung: Katzav bleibt schuldig

Mosche Katzav, bis 2006
Israels Staatspräsident, muss doch seine im März gegen ihn verhängte siebenjährige Gefängnisstrafe antreten. Einstimmig bestätigten am Donnerstag auch drei Richter des Obersten Gerichts (zwei Frauen und ein Araber) seine Verurteilung wie auch das Strafmaß vor dem Jerusalemer Landgericht wegen zweifacher Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Ein Musterfall mit Nachwirkung. Für den Ex-Präsidenten vor allem aber für die Opfer von Vergewaltigungen: Ohne ausgesprochene und unzweideutige Einwilligung einer Frau wird in Israel jeder Geschlechtsverkehr zu einer Straftat. Ohne ausgesprochenes Ja kann sich niemand auf ein unklares Nein berufen. "Vor allem am Arbeitsplatz", bekräftigten die Richter. Neu war in dieser Berufung das Vorgehen der Anklage wie der Verteidigung: Ohne Zustimmung ihres Mandanten veränderten seine Verteidiger in der Berufung dessen Aussage. Katzav
leugnete vor Gericht bis zuletzt jede Art von Geschlechtsverkehr mit den Zeuginnen. Die Anwälte dagegen stellten in ihrer Berufung "sexuelle Berührungen" nicht länger in Frage. Doch seien die Mitarbeiterinnen Katzavs in den verschiedenen Ämtern seiner langen politischen Karriere freiwillig mit ihrem Boss ins Bett und auch auf die Couch im Amtssitz des Präsidenten gestiegen. Ihre Namen blieben vor der Öffentlichkeit anonym, weshalb das Verfahren in weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wurde.
Glaubwürdigkeit
Die Richter sahen diese Version von den vorgelegten Indizien der Verteidigung "in keiner Weise bestätigt". Wie schon die Richter des Landgerichts sahen auch die Richter am Obersten Gericht in den belastenden Aussagen weiterer Mitarbeiterinnen eine Bestätigung der Anklage. Die
Staatsanwaltschaft hatte diese Aussagen nicht in ihre Klage übernommen, das Gericht aber darüber in Kenntnis gesetzt. Die eigentliche Anklage sollte so abgestützt werden. Teilweise waren diese Fälle verjährt. Bei der "Zeugin A" jedoch aus dem Amtssitz des Präsidenten fürchtete die Staatsanwaltschaft um deren Glaubwürdigkeit. Dabei war es ihr Fall, der das Verfahren erst ins Rollen brachte. Die Verteidigung hatte sie von Privatdetektiven beschatten lassen. Nicht vor Gericht, aber vor der Presse wurde der Vorwurf geäußert, sie habe auch als Callgirl gearbeitet.
Aber auch die "Zeugin A" wurde von den Richtern als glaubwürdig eingeschätzt. "Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft jetzt ihren Fall neu vor Gericht aufrollen", meinte dazu der Rechtsexperte Mosche Negbi vom Radiosender Kol Israel, "denn diese Zeugin wurde von der Verteidigung in ihrem Ruf geschädigt und beleidigt." Sonst würde dies Frauen nach sexuellen Übergriffen weiter von einer Beschwerde abschrecken. 40 Prozent der Frauen in Israel geben zu, sexuell belästigt worden zu sein. 90 Prozent dieser Frauen beschwerten sich nicht.
Strafantritt
Kultusministerin
Limor Livnat, zuständig auch für Frauenfragen, bedauerte und begrüßte das Urteil: "Es ist traurig, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt ins Gefängnis muss, doch weiß jetzt jede Frau, dass sie sich offen und ohne Furcht beschweren kann."
Das Urteil bestätigte auch in der Berufung: Vor dem Gesetz sind alle Straftäter gleich. In neuer Klarheit wurde die volle Unabhängigkeit der Frau bestätigt. Nicht auch, sondern vor allem am Arbeitsplatz. Im Zweifelsfall, so die Richter, ist Sexualverkehr gerade mit Abhängigen ohne unmissverständliche Einwilligung der Frau ein Akt der Gewalt. Jizchak Hajeruschalmi, ein namhafter Kolumnist, beschuldigte nach dem Urteil sich und seine Kollegen in den Medien, aber auch Politiker, die Katzav zum Präsidenten wählten, von den Klagen gegen Katzav lange gewusst zu haben. "Wir alle haben tatenlos zugesehen und hätten es nicht tun dürfen."
Katzavs Verteidiger Avigdor Feldman bedauerte das Urteil: "Es ist falsch, aber doch gültig." Jeder Mann müsse jetzt mit lange zurückliegenden Vergewaltigungsvorwürfen rechnen, deren Unwahrheit nach so langer Zeit nicht zu beweisen sei. Der Verteidiger will eine weitere Berufung erwägen. Was im israelischen Rechtswesen bislang noch niemals vorgekommen ist. Die Staatsanwaltschaft willigte darin ein, dass der Verurteilte erst am 7. Dezember seine Strafe antritt. Wohl die einzige Ausnahme, die in diesem Verfahren dem früheren Staatsoberhaupt eingeräumt wurde: Eigentlich hätte Katzav als verurteilter Vergewaltiger schon im März nach der Urteilsverkündigung ins Gefängnis umziehen müssen.
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