US-Wahlkampf: Krieg um die Mütter

Zwei Frauen arbeiten in einer Fabrik an American Football Bällen.
Die Demokratin Hilary Rosen hat eine Debatte um „Nur-Hausfrauen“ entfacht. Zentrale Frage: Ist Muttersein ein Job?

Karriere statt Kekse: Schon im Wahlkampf 1992 hatte Hillary Clinton es nicht leicht, eine beiläufige Bemerkung, die ihren Beruf über das Hausfrauendasein gestellt hatte, wieder einzufangen. Damals rettete die Teilnahme an einem Backwettbewerb ihr Image als fürsorgliche Mutter.

Zwanzig Jahre später ist es wieder soweit. Hilary Rosen, eine demokratische Kommentatorin, entfachte mit ihrer Aussage, dass Ann Romney, die Gattin des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, "nicht einen Tag in ihrem Leben gearbeitet hat", erneut eine Debatte über die Rolle der Frau in der amerikanischen Gesellschaft. Als Partnerin eines mormonischen Multimillionärs hatte sich die fünffache Mutter bewusst dafür entschieden, nur für die Familie zu sorgen.

Die von manchen als "Mommy Wars" ( Krieg um die Mütter) bezeichnete aktuelle Auseinandersetzung in den Medien unterstreicht, wie wichtig die Stimmen von Frauen im Kampf um die Präsidentschaft sind. Als Wechselwähler bekannt, werden sie beim Urnengang am 6. November vermutlich entscheidend sein. Im Jahr 2008 stimmten mehr Frauen für Präsident Barack Obama als für seinen Rivalen John McCain. In den letzten Umfragen liegt Obama bei Frauen deutlich vor Romney.

Wenig Unterstützung

Eine Menschenmenge, darunter eine Frau mit einer rosa Blume an ihrer Jacke, schaut zu.

Anders als für Mitglieder der Oberschicht wie Hillary Clinton oder Ann Romney können es sich die meisten Amerikanerinnen schlicht nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Und wenn sie es dennoch tun, können sie auf wenig staatliche Unterstützung hoffen. In den USA gibt es weder ein allgemeines Kindergeld noch lange Karenzzeiten.

"Ann Romney hatte die f­inanziellen Mittel, die sie benötigte, um sich für ein Leben zu Hause zu entscheiden , ohne dabei bankrott zu gehen. Das ist nicht bei allen so möglich", meint zum Beispiel Kristin Rowe-Finkbeiner von der Online-Plattform für Mütter MomsRising. "Familien mit nur einem arbeitenden Elternteil haben eine siebenfach höhere Armutswahrscheinlichkeit."

Laut dem U.S. Census Bureau leben 65 Prozent der verheirateten Frauen, die sich als Hausfrauen mit Kindern unter 18 Jahren bezeichnen, in Haushalten mit Einkommen von weniger als 75.000 Dollar (57.000 Euro) im Jahr. Ein derart niedriges Budget lässt wenig finanziellen Spielraum, insbesondere in einem Land, in dem die Ausbildung vom Kindergarten bis zur Universität einige Hunderttausend Dollar kosten kann, eine Hypothek auf das Eigenheim selbstverständlich ist und Krankheit mangels leistbarer Versicherung oft ein Existenzrisiko darstellt.

In der zum politischen Spektakel mutierten Diskussion um Ann Romneys Arbeitsleistungen – Republikaner verkaufen mittlerweile schon Kaffeetassen mit der Aufschrift „Mamas arbeiten sehr wohl!“ – weisen manche Beobachter darauf hin, dass die Empörung des Romney-Lagers scheinheilig ist.

"Die Würde der Arbeit"

Kern der Sozialhilfereform in den 1990er-Jahren war es, Frauen, die als alleinstehende Mütter Wohlfahrtsschecks kassierten, in den Arbeitsprozess zu reintegrieren. Das Erziehen der Kinder als reine Hausfrau wurde von den Republikanern im Kongress damals nicht als Arbeit gewertet. Wenig wundert es daher, dass Mitt Romney in einem kürzlich aufgetauchten Video vom Anfang des Jahres Anhängern erklärt, dass er als Gouverneur von Massachussetts Sozialhilfeempfängern mit Kindern, die älter als zwei Jahre sind, dazu zwingen wollte, einen Job anzunehmen, damit sie "die Würde der Arbeit" haben.

"Der einzige Fall, wo Republikaner die Entscheidung einer Frau respektieren, zu Hause zu bleiben und ihre Kinder aufzuziehen, ist, wenn sie den Rückhalt einer Privatstiftung, eines Millionär-Ehemanns, Kindermädchen, Nachhilfelehrer, zahllose Wohnsitze und Bankkonten von Luxemburg bis zu den Cayman Islands hat", schreibt mit Bezug auf Romneys Reichtum und angebliche Offshore-Konten der Huffington Post-Kolumnist Edward Wycoff Williams.

So sei das nicht, argumentiert Rae Lynne Chornenky, Präsidentin der nationalen Vereinigung republikanischer Frauen. "Die republikanische Partei schätzt Frauen aus allen Lebensbereichen", schreibt sie in einer Stellungnahme. "Seit sie in den 1850er-Jahren die Frauenwahlbewegung losgetreten haben, zeichnet Republikaner eine Politik aus, die Frauen wirklich gestärkt hat."

Künstlich aufgeblasen

Für manche Amerikanerinnen scheint die ganze Aufregung um Ann Romney eher künstlich aufgeblasen. Andere sehnen sich nach der Möglichkeit, selbst zu Hause zu bleiben. Kristen Rampe, eine 33-jährige Mutter von Zwillingen hat kürzlich ihre eigene Konsulentenfirma in San Francisco gegründet.

Viermal in der Woche kommt ein Kindermädchen ins Haus, damit die Buchhalterin sich weiterhin auf ihre Karriere konzentrieren kann. Den Beruf für die Familie aufgeben, das könnte sie sich nicht vorstellen. "Obwohl ich mir sicher bin, dass sie (Ann Romney, Anm.) eine Menge Hilfe hatte, muss das eine Mordsarbeit gewesen sein", so Rampe zum KURIER.

Allie Zimmerman, ebenfalls 33 und zweifache Mutter, sagt, sie würde liebend gerne zu Hause bleiben oder einen Teilzeitjob machen, doch dies sei aus finanziellen Gründen im Moment nicht möglich. "Das Leben als berufstätige Mama ist hart", fügt sie hinzu. Ihr jüngstes Kind ist erst im Dezember zur Welt gekommen.

Tendenz: Weniger Frauen zu Hause

Hausfrauen 5 Millionen Frauen in den USA waren im vergangenen Jahr sogenannte "stay-at-home moms", 2009 waren es 5,7 Millionen, 1999 5,2 Millionen. 1969 waren es noch 9,8 Millionen.

Armutsgefährdet Heute leben 65 Prozent der verheirateten amerikanischen Hausfrauen mit minderjährigen Kindern in Haushalten, die ein geringeres Einkommen als 57.000 Euro jährlich verzeichnen.

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