Unwetter: Wehrpflicht für Pröll unverzichtbar

Porträt eines älteren Mannes in einem dunklen Anzug.
Landeschef Pröll ist gegen Experimente beim Heer. Nur mit Rekruten könnten Katastrophen bewältigt werden.

In den steirischen Katastrophenorten stehen Rekruten mit Schaufeln an vorderster Front. Sie werden vermutlich noch einige Wochen dort benötigt. Deshalb entflammte auch wieder die Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht.

Verteidigungsminister Norbert Darabos erklärte zuletzt, die von ihm präferierte Berufsarmee könnte Katastropheneinsätze ebenso gut bewältigen wie die derzeitige Wehrpflichtigen-Armee. Gegner der Berufsarmee – darunter Generalstabschef Edmund Entacher – bezweifeln aber, dass eine kleine, aufs Ausland fokussierte Berufsarmee die erforderliche Anzahl von Helfern aufbieten könnte.

Erwin Pröll, der in seiner 20-jährigen Tätigkeit als niederösterreichischer Landeshauptmann eine Vielzahl von teilweise überregionalen Naturereignissen und Katastrophen zu bewältigen hatte, bekannte sich jetzt im Interview mit dem KURIER zur allgemeinen Wehrpflicht.

KURIER: Herr Landeshauptmann, wie kommentieren Sie die laufende Wehrpflichtdebatte?

Erwin Pröll: Die Sicherheit der Menschen ist kein Exerzierfeld für Experimente. Wer aber heute noch nicht weiß, wo es langgeht, dem ist nicht zu helfen.

Welche Erfahrungen haben Sie im Krisenmanagement?

Ich habe nun 20 Jahre Erfahrung als Landeshauptmann mit kleineren regionalen Katastrophen, aber auch mit überregionalen Großereignissen. So hatten wir im Jahr 2002 ein großräumiges Ereignis, bei dem insgesamt 11.000 Soldaten im Einsatz waren. Alleine in Niederösterreich waren bis zu 8500 eingesetzt. Damals war eine große Durchhaltefähigkeit vom 7. August bis Ende September gefordert.

Jetzt wird diskutiert, wer effektiver hilft: Berufssoldaten oder Rekruten?

Diese Frage ist klar beantwortet. Immerhin sind von den 140 niederösterreichischen Soldaten, die derzeit in der Steiermark eingesetzt sind, 75 Prozent Grundwehrdiener.

Ein Mann schüttet mit Handschuhen Zement aus einem Eimer in einen Trog.

Könnte man die nicht auch durch Berufssoldaten ersetzen?

Aus dieser Erfahrung weiß ich, dass bei einer Naturkatastrophe natürlich Profis gefragt sind, die technisch und logistisch gut ausgestattet sind und die sich auch regional gut auskennen. Und zusätzlich zu diesen Profis braucht man eine hohe Anzahl von Helfern, wie sie mit den Rekruten ständig zur Verfügung stehen. Die hohen Mannschaftszahlen sind mit Berufssoldaten nicht darstellbar.

In Diskussion steht aber auch der Aufbau einer Freiwilligenmiliz, die im Ernstfall aufgeboten werden soll.

Man kann sich da nicht auf lange Verfahren verlassen. Unsere Erfahrungen zeigen: Im Anlassfall muss alles auf Knopfdruck funktionieren.

Wie schätzen Sie die Stimmung in der Bevölkerung bezüglich der Wehrpflichtdebatte ein?

Menschen in der Not interessiert überhaupt nicht, ob ein Minister seinen Kopf durchsetzt oder ideologische Fantasien verwirklicht. Sie brauchen einfach nur Beistand.

Wie soll es nun mit dem Bundesheer weitergehen?

Ich kann dem Verteidigungsminister jetzt nur empfehlen, mit den Experimenten aufzuhören. Kommando "Kehrt Euch" und das derzeitige Bundesheer weiterentwickeln auf der Grundlage der bewährten, allgemeinen Wehrpflicht ist das Gebot der Stunde.

Lokalaugenschein in St. Lorenzen

Eine ältere Frau steht vor einem Haus, dessen Hof von einer Überschwemmung verwüstet wurde.

Immer wieder fängt es Mittwoch zu regnen an. Leicht bloß, doch das reicht für besorgte Blicke: In St. Lorenzen, dem von einer Mure zerstörten Ortsteil von Trieben, können die Behörden noch immer keine Entwarnung geben.

Rund 100 Bewohner aus St. Lorenzen können weiterhin nicht in ihre Häuser. Hänge drohen abzurutschen, bei zu heftigem Regen sind weitere Verklausungen des Lorenzerbaches nicht ausgeschlossen. An kritischen Stellen stehen Wachposten, um rechtzeitig eine herannahende Gefahr zu erkennen.

Rund 500 Helfer – Soldaten und Feuerwehrleute – räumen derzeit im Ort auf, machen Wege und das Bachbett frei. 1000 Kubikmeter Sperrmüll wurden abtransportiert.

"Wir sehen ein erstes Licht am Ende des Tunnels", sagt Walter Danklmeier, Einsatzleiter der Feuerwehr. "Wir haben einen Großteil der Gebäude schon gesäubert an die Besitzer übergeben können."

Zwar ist die Evakuierung in St. Lorenzen noch aufrecht, doch die Betroffenen können tagsüber zurück, um aufzuräumen, zu putzen und zu sehen, ob ein Teil ihres Eigentums brauchbar ist.

Wie berichtet, stehen viele der von der Mure verwüsteten Häuser in der roten Gefahrenzone. Sie sind Altbestand. Wie viel Geld die Menschen investieren müssen, um ihre Häuser wieder bewohnbar zu machen, ist noch unklar.

Trotzdem will niemand St. Lorenzen verlassen. "Die Leute haben Mut gefasst, weil sie sehen, was in kurzer Zeit bewerkstelligt worden ist", schildert Bürgermeister Helmut Schöttl. Feuerwehrchef Danklmeier ist überzeugt: "Alle haben Zukunftspläne. St. Lorenzen wird kein Geisterdorf."

Erika Würfel zeigt, was die Mure auf ihrem Grund angerichtet hat: Carport weg, Schuppen weg. Seit 1943 lebt sie in St. Lorenzen, betont die Seniorin. "Aber so was wie am Samstag hab ich mein Lebtag noch nicht gesehen." Auch sie will im Ort bleiben. "Auf jeden Fall."

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