Ungarn: Schüssel lobt Orbán

Ein lächelnder älterer Mann mit Brille und Anzug sitzt mit verschränkten Händen da.
Der Ex-Bundeskanzler lobt den umstrittenen ungarischen Premier für dessen Regierungspolitik. Er sehe keine Gefahr für die Demokratie bei den Nachbarn.

Lobende Worte äußerte Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Donnerstag in Budapest über den ungarischen Premier Viktor Orbán. Die Regierung Orbáns würde "richtig handeln, wenn sie ihre im Parlament errungene Zwei-Drittel-Mehrheit nutzt", zitierte die Ungarische Nachrichtenagentur MTI den Altkanzler. Immerhin hätten die ungarischen Bürger mit der Wahl "für die Reformen gestimmt".

Schüssel betonte bei der Konferenz, er vertraue auf das ungarische Parlament und die regierende Fidesz-Partei, da "diese im Gegensatz zu einzelnen Kritikern die Demokratie nicht gefährden, sondern ihre Macht dafür einsetzen, das Land auf den entsprechenden Kurs zu bringen". Laut Schüssel ist es "gut, dass Ungarn und Österreich nicht nur Nachbarn sind, sondern auch Partner".

"Neuer, moderner, besonnener Patriotismus"

Premier Orbán und seine Fidesz-Partei könnten Fehler machen, man könne sie kritisieren, doch "auf jeden Fall verdienen sie Achtung für ihre Arbeit". Der Ex-Bundeskanzler betonte zugleich die Wichtigkeit für einen "neuen, modernen, besonnenen Patriotismus" in den europäischen Ländern. Es müsse eine neue Perspektive geboten werden, "in deren Mittelpunkt Freiheit und Unabhängigkeit stehen" und die zugleich "die Dazugehörigkeit zur Heimat betont".

Laut Schüssel würde sich in Europa die Schere zwischen Armen und Reichen immer weiter öffnen, wobei die Mittelschicht in eine immer schwierigere Lage gerät. Diese spiele jedoch eine sehr wichtige Rolle in der Demokratie. Es sei zu beobachten, dass viele Unternehmen in Entwicklungsländer abwandern, dass Arbeitsplätze abgebaut werden.

Früher habe man geglaubt, in Europa läge die "Zukunft in den Händen hochgebildeter Technokraten". Dabei bedürfe es auch weiterhin der Industrie, der Klein- und mittelständischen Unternehmen. Jene Länder, die diese Fundamente vernachlässigten, sind heute "in wahrlich großen Schwierigkeiten". Schüssel führte Deutschland, die Schweiz, Ungarn und die Niederlande als positive Beispiele an, die die Industrie auch weiterhin für wichtig hielten.

Nur mit einer Förderung des Wachstums könne die heutige Krise überwunden werden. Dieses könne aber nicht mit der Aufnahme neuer Kredite und einer noch höheren Verschuldung erreicht werden. Es bedürfe viel mehr konkurrenzfähiger Unternehmen, ausgebildeter Arbeitskräfte, betonte Schüssel und erklärte, Ungarn würde sich in diese Richtung bewegen.
Schüssel nimmt in Budapest an der Konferenz "Nationale Werte im Fokus" anlässlich der Halbzeit der 2010 gewählten rechtskonservativen Regierung teil.

Ungarns Regierung stand zuletzt stark unter Kritik. Nach zwei Jahren Orbán wird Ungarn gleichzeitig geprägt von hohen Staatsschulden und Arbeitslosigkeit, schrumpfender Wirtschaft und einer tief gespaltenen Gesellschaft.

Mediengesetz abgelehnt

Unterdessen hat Ungarns Präsident Janos Ader die Novelle des umstrittenen Mediengesetzes des Landes wegen eines formalen Fehlers an das Parlament zurückverwiesen. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur MTI am Donnerstag unter Berufung auf Aders Schreiben an die Volksvertretung. Nach einer erneuten Beratung des Gesetzes hat das Staatsoberhaupt keinen Ermessensspielraum mehr: die vom Parlament gebilligte zweite Version muss er in jedem Fall unterschreiben.

Das Budapester Parlament hatte das international kritisierte Mediengesetz nach Einwänden des Verfassungsgerichts vor einer Woche geändert. Dabei wurden die Möglichkeiten staatlicher Zensur verringert und der Quellenschutz für Journalisten gestärkt. Ungarns sozialistische Opposition hält die Änderungen für ungenügend und forderte ein Veto Aders.

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