Toulouse: Erste Kritik an der Polizei nach Tod des Killers

Toulouse: Erste Kritik an der Polizei nach Tod des Killers
Nach 33 Stunden Belagerung starb der Attentäter von Toulouse bei seinem letzten Gefecht mit der Polizei. Diese steht nun in der Kritik.

Sich zu ergeben, war offenbar nie Mohammed Merahs Absicht: Als die bis an die Zähne bewaffneten französischen Elitepolizisten Donnerstagvormittag nach mehr als 30 Stunden Belagerung die Wohnung des selbsternannten Gotteskriegers stürmten, eröffnete der 23-jährige Franzose mit algerischen Wurzeln das Feuer. Aus zwei Waffen schießend verletzte er drei Polizisten und sprang, noch immer schießend, aus dem Fenster. Während seines Sprungs wurde er von einem Scharfschützen durch einen Kopfschuss getroffen. Als er am Boden der Straße aufschlug, war er tot.

Sein Tod beendete den größten Polizeieinsatz, den Frankreich seit Jahrzehnten erlebt hat. Das gewaltsame Ende des Serien-Attentäters von Toulouse rettete aber auch das Leben von mindestens zwei hohen Polizeifunktionären der Stadt Toulouse. Die Namen beider Männer hatte Mohammed Merah bereits auf seiner Todesliste stehen. Und noch weitere Attentate hätten folgen können, denn der radikale Islamist Merah war offenbar entschlossen, für die Sache des Terrornetzwerkes El Kaida zu morden und zu "rächen". Eine der El Kaida nahe stehende Gruppe bekannte sich am Donnerstag im Internet zu der Attentatsserie mit sieben Toten – darunter drei Kinder. Zwei weitere schwer Verletzte kämpfen nach Kopfschüssen um ihr Leben.

Sozialhilfe

All seine Bluttaten hat der Täter gefilmt. Beim Kopfschuss auf sein erstes Opfer habe Merah demnach erklärt: "Du tötest meine Brüder, ich töte dich!" Für die Polizei stellt sich vorerst die Frage: Wie und wo konnte sich der Sozialhilfeempfänger Merah ein ganzes Arsenal von Waffen besorgen, die legal für Zivilisten nicht zu bekommen sind? Und hatte der junge Mann mit kleinkrimineller Vergangenheit doch Verbindungen zu Terroristen?

Vor allem aber mussten sich die Elitepolizisten, deren Einsatz am Donnerstag von allen französischen Spitzenpolitikern hoch gelobt wurde, die Frage gefallen lassen, ob man dem Serien-Attentäter Merah nicht zu viel Zeit gegeben habe. Er habe, so der Vorwurf, die stundenlange Belagerung dafür genutzt, Medien zu kontaktieren und sich ausgiebigst selbst darzustellen. Mehrmals narrte der Islamist die Beamten, er werde sich ergeben. Deren Geduldsfaden riss erst, als am Donnerstagvormittag stundenlang nicht mehr klar war, ob der siebenfache Mörder überhaupt noch lebte.

 

Rachegedanken

Doch Präsident Sarkozy setzte der aufkommenden Kritik an der Polizei entgegen: Alle Versuche, den Serienmörder lebend zu fassen, seien gescheitert. "Es hat bereits zu viele Tote gegeben", sagte er in einer landesweit übertragenen TV-Rede. "Frankreich hat entschlossen gehandelt. Rachegedanken oder Wut sind jetzt nicht hilfreich."

Doch sein Außenminister Alain Juppé hatte bereits zuvor ausgesprochen, was sich viele Franzosen fragen: Wie kann es sein, dass der den Behörden bekannte Merah erst vergangenen November befragt und offenbar als ungefährlich eingeschätzt wurde?

Zwei Mal hatte sich der junge Extremist in den vergangenen zwei Jahren jeweils mehrere Monate lang in einem Terrorcamp an der afghanisch-pakistanischen Grenze aufgehalten. Dies seien "touristische Reisen" gewesen, hatte der Befragte keck zu Protokoll gegeben.

Außerdem stand Merah in den USA auf der "no-fly"-Liste für Terror-Verdächtige. Die Liste ist die schärfste ihrer Art, auf ihr sind etwa 4000 Namen verzeichnet. Wer darauf steht, darf mit einem Flugzeug weder innerhalb der USA reisen noch in die USA hinein oder aus ihr heraus. Die Liste wird geführt vom "Terrorist Screening Center", das unter der Obhut des FBI arbeitet und Informationen verarbeitet, die von anderen US-Regierungsbehörden stammen.

Auch an seinen radikalen Vorstellungen, aus denen Merah kein Hehl gemacht hatte, stießen sich die Behörden nicht. "Extreme religiöse Ideen zu haben, reicht noch nicht, um die Justiz einzuschalten", konterte Innenminister Guéant.

Konsequenzen

Eine Konsequenz aus den Attentaten von Südfrankreich aber will Präsident Sarkozy sofort ziehen: Künftig müsse jeder, der im Internet zu Hass aufrufe oder entsprechende Seiten nutze, mit Strafverfolgung rechnen.

"Jede Person, die regelmäßig im Internet Webseiten besucht, die den Terrorismus predigen, die zu Hass und Gewalt aufrufen, wird bestraft", sagte er. Zudem müsse untersucht werden, ob und wie in Gefängnissen fundamentalistisches Gedankengut verbreitet werde.

Sarkozy holt in Umfragen auf

Unterdessen hat Nicolas Sarkozy in Umfragen von vergangenem Dienstag und Mittwoch seinen Rückstand zu seinem schärfsten Rivalen Francois Hollande aufgeholt. Lag er vor einem Monat noch fünf Punkte hinter dem sozialistischen Herausforderer, sind es aktuell nur noch 1,5 Prozentpunkte. Sarkozy punktete vor allem bei den Themen Sicherheit und Immigration.

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