Timoschenko drohen 12 weitere Jahre Haft

Ein Plakat fordert „Freiheit für Yulia Tymoshenko“ vor der ukrainischen Flagge.
Der Prozess gegen die ehemalige Regierungschefin wird fortgesetzt - ihr droht eine Haftverlängerung. Der Protest verstummt indes nicht.

Der Fall Julia Timoschenko lässt die Ukraine auf lange Sicht nicht los. Seit bald einem Jahr sitzt die frühere Regierungschefin nun in Haft, doch die Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs ist für die allermeisten Experten eine Farce und ein Beispiel für Justizwillkür in der Ex-Sowjetrepublik.

Und damit ist es nicht vorbei: In einem zweiten genauso umstrittenen Prozess drohen Timoschenko zwölf weitere Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung. Am Dienstag hätte weiterverhandelt werden sollen, der Prozess wurde aber erneut wegen des schlechten Gesundheitszustandes der Ex-Politikerin auf Ende Juli vertagt.

Der zweite Prozess gegen Timoschenko hatte bereits im April begonnen, bisher blieb sie den Gerichtsverhandlungen aufgrund ihrer Erkrankung stets fern. Vom 20. April bis zum 9. Mai 2012 war Timoschenko aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen Hungerstreik getreten; zuvor hatte sie geklagt, sie wäre bei einem durch das Gefängnispersonal erzwungenen Transport in eine Klinik geschlagen worden. Die Haftbedingungen der Politikerin stehen immer wieder in der Kritik: Der deutsche Mediziner Lutz Harms, der Timoschenko untersuchen durfte, sprach von Bedingungen, die in den meisten europäischen Ländern "unvorstellbar" seien. Timoschenko werde selbst beim Duschen und Zubettgehen videoüberwacht.

PR-Maschinerie

Eine Frau spricht vor einem großen Bildschirm, auf dem ein Gesicht zu sehen ist.

Die PR-Maschine der mit Gasgeschäften reich gewordenen Frau läuft indessen aber auf Hochtouren. Tochter Jewgenija reist ständig durch Europa und trifft einflussreiche Politiker. Und nun ist auch eine Biografie erschienen, die Julia Timoschenkos unerschütterlichen Willen feiert.

Es ist eine aktualisierte Fassung des 2006 veröffentlichten Buchs "Julia Timoschenko. Die Zukunft der Ukraine nach der Orangenen Revolution" von Dmitri Popov und Ilia Milstein. In vielen Gesprächen mit Timoschenko selbst haben die beiden Journalisten die spannende Geschichte der "Gasprinzessin" recherchiert. Dabei geht aber oft genug die Distanz verloren.

Schon die Einleitung ist ein Plädoyer für Timoschenko: Es ist ein offener Brief ihrer Tochter, geschrieben während des Prozesses 2011, ohne Einordnung der Autoren. "Die Wahrheit und das Gute werden siegen, anders kann es nicht sein", schreibt Jewgenija Timoschenko dort und feiert ihre Mutter für deren Standfestigkeit. Der Brief wurde zuerst auf der Internetseite von Timoschenkos Partei veröffentlicht.

Der Tenor klingt durch weite Passagen des Buches hindurch. Hier die strahlende, hübsche und verletzbare, aber schlagfertige und wehrhafte Timoschenko, das Gute. Und dort das Böse, der grobschlächtige Präsident Viktor Janukowitsch und die herzlosen Oligarchen, vor denen die "Jeanne d`Arc" der Ukraine ihr Land retten will. Immer wieder zeigen Popov und Milstein Belege für "Janukowitschs dumpfe Brutalität" auf.

"Lady Ju"

Nahaufnahme des Gesichts von Julija Tymoschenko.

Mit viel Sympathie begleiten hingegen die Autoren Timoschenko auf ihrem Weg an die Spitze des Landes. Durchaus auch ironisch schildern sie, wie die energische blonde Frau ihr Leben in der Sowjetunion meistert, schon früh Mutter wird und dennoch in Windeseile in die von Männern dominierten Seilschaften ihrer Heimatstadt Dnjepropetrowsk eindringt. Mit einer Videothek verdient sie ihr erstes Geld. Die Umstände, wie sie das Geschäft - und nicht nur dieses - finanzierte, liegen bis heute im Dunklen. Auch Popov und Milstein wissen es nicht, doch für sie steht fest: "Daran war nichts Verbotenes".

"Julia Timoschenko" ist ein spannendes Buch zu einer faszinierenden Persönlichkeit, welche die Ukraine noch lange prägen wird. Detailreich erzählt, gibt es den Zeitgeist wieder. Ausführlich schildern die Autoren das Leben in den 1980ern und frühen 1990ern, als Julia Timoschenko immer reicher wurde. Ihre Sympathie für "Lady Ju" und die gleichzeitige Verachtung für Staatschef Janukowitsch legen sie dabei aber nie ab. Einen wissenschaftlichen Anspruch hat das Buch sicherlich nicht.

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