Telecom: Todbringender Sanierer vor Gericht

Sich anpassen oder sterben", lautete die interne Losung des Managements des französischen Telekom-Riesen France Telecom. Dutzende Mitarbeiter nahmen das wörtlich und begingen, zum Teil auf ihren Arbeitsplätzen, Selbstmord. Jetzt steht Ex-Generaldirektor Didier Lombard und voraussichtlich sogar der Firma selbst ein Strafprozess wegen "Harcelement moral" (Mobbing) bevor.
Zwischen 2006 und 2008 hatte der teilprivatisierte Konzern ein radikales Kürzungsprogramm durchgezogen (siehe unten ). In dem altehrwürdigen Kernunternehmen des öffentlichen Diensts, das auf so manche Erfolge in der Geschichte der Fernmeldetechnologie zurückblickt und sich als Garant des nationalen Zusammenhalts bis hin in die entlegensten Territorien Frankreichs verstand, schlug die abrupte Marktanpassung wie ein unheilvoller Blitz ein. Dabei stießen aus den USA importierte Management-Methoden mit einer Mentalität zusammen, die sich vielfach noch aus einer wohlgeordneten Beamtenpraxis und dem Ethos des Dieners des Allgemeinwohls speiste.
Vom Techniker zum Verkäufer
So fanden sich hoch qualifizierte Techniker oder Außeneinsatz-Reparateure von einem Tag auf den anderen in Telefonzentralen wieder, in denen sie diverse Abonnements und Zusatzoptionen verkaufen sollten, von deren Sinn sie selber kaum überzeugt waren. Das Ganze unter strengster Überwachung jüngerer Vorgesetzter, die oft unerreichbare Abo-Verkaufszahlen dekretierten.
Diese Vorgaben brachten das Fass zum Überlaufen. Gewerkschaften und Betriebsärzte schlugen vergeblich Alarm. Einige Mediziner quittierten ihren Dienst.
Nach insgesamt 40 Selbstmorden leitete 2010 die Staatsanwaltschaft eine Voruntersuchung ein. Direktor Lombard, der ursprünglich die Selbstmordwelle als "Mode" abtat, musste den Hut nehmen.
Obwohl eine neue Konzernleitung um Vorbeugung von Selbstmorden bei dem Telekomriesen durch mehr Dialog bemüht ist, bleibt das Thema leider hoch aktuell: Zuletzt wählte im März ein Telecom-Mitarbeiter im Elsass den Freitod. Der 58-jährige Mann war an einer Überhäufung mit Terminen verzweifelt, wollte aber seinen Kollegen keine zusätzliche Arbeit aufbürden. Auch die französische Post, zurzeit in einer Umstrukturierung, verzeichnet eine Serie von Selbstmorden.
France Telecom: Sanierung brutal
Jobabbau Die Telecom ist mit 71.000 Angestellten eines der größten Unternehmen Frankreichs. 2005 übernahm Didier Lombard den wirtschaftlich angeschlagenen Konzern und leitete einen harten Sanierungskurs ein. 22.000 Jobs wurden gestrichen, rund 10.000 Bedienstete mussten ihren Arbeitsplatz wechseln.
Kritik Die französische Aufsichtsbehörde kritisierte 2010 in einem Bericht Management-Methoden, die der körperlichen und seelischen Gesundheit der Mitarbeiter schaden würden. Auch die Gewerkschaften übten heftige Kritik an Lombards Führungsstil und sprachen von Stress und übergroßem Druck auf die Belegschaft.
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