Strengere Strafen für Gewalt an Kindern

Es ist ein beliebtes Rezept, mit dem Justizminister nach spektakulären Verbrechen den Unmut des Volkes zu besänftigen pflegen: strengere Strafen. So geschehen, nachdem der dreijährige Cain aus Vorarlberg im Jänner mutmaßlich vom Freund seiner Mutter totgeschlagen wurde.
Am Dienstag bekam der Gesetzesentwurf von Justizministerin
Beatrix Karl zur Verschärfung der Strafen für Gewalt an Unmündigen (von Vorgängerin Claudia Bandion-Ortner eingeleitet) im Parlament seinen Segen. Bei Delikten, die Erwachsene Kindern antun, werden Mindeststrafen eingeführt oder angehoben.
So dürfen Richter künftig etwa bei Körperverletzung keine Geldstrafe mehr verhängen, die Strafe muss mindestens zwei Monate Haft (unbedingt oder auf Bewährung) ausmachen. Eltern, die ihre Kinder quälen oder vernachlässigen, drohen mindestens drei Monate (bisher ohne Untergrenze). Wer einem 13-Jährigen ein Handy raubt, hat nicht wenigstens sechs Monate, sondern ein Jahr zu erwarten. Außerdem wird bei einigen Delikten ein extra Erschwerungsgrund bei der Strafzumessung eingeführt, wenn ein Unmündiger das Opfer ist.
Prävention

Die Kritik lässt nicht auf sich warten. Andreas Zembaty vom Bewährungshilfe-Verein Neustart nennt die Strafverschärfung eine "Beruhigungspille für die Bevölkerung". Man dürfe aber nicht glauben, dass man dadurch die Täter im Verborgenen abschrecken könne. Die Justiz sollte präventive Überlegungen anstellen, wie man solche Täter erreicht.
Den Strafrechtsprofessoren
Klaus Schwaighofer und Andreas Venier von der Uni Innsbruck fehlt eine Analyse der Strafenpraxis. Nichts deute darauf hin, dass die Richter Gewalt gegen Kinder bisher zu milde verurteilt hätten. Täter in Bagatellfällen - wie bei einer zwei Stunden lang sichtbaren Rötung am Hals - mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Monaten zu bestrafen, widerspreche der Angemessenheit. Selbst der Opferhilfe-Verein Weisser Ring , der die Pönalisierung von Gewalt gegen Unmündige begrüßt, hat etwas auszusetzen: Im Sinne der Gleichbehandlung müsse das auch auf andere Wehrlose wie behinderte oder betagte Menschen zutreffen.

Und was sagen jene, die das neue Strafrecht umsetzen müssen? Der Vizepräsident der Richtervereinigung, Manfred Herrnhofer, sieht "eine weitere Einschränkung unseres Spielraumes." Bevor ein Richter gezwungenermaßen zwei Monate Haft verhängt, "könnte er lieber freisprechen, denn es ist ja nicht jeder Fall gleich".
Das Kinderschutz-Reformpaket bringt auch ein Verbot der Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen im Internet (bis zwei Jahre Haft). Überdies wird die Strafbarkeit von Delikten, die von einem Täter mit österreichischem Wohnsitz im Ausland begangen werden (wie z. B. die Zwangsverheiratung), erweitert.
"Strafrahmen nicht ausgeschöpft"

Es ist oft ein bedingter Reflex, dass man Strafen erhöht", sagt die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. "Die bestehenden
Strafrahmen bei Gewaltdelikten gegen Kinder seien auch "bisher nicht zu niedrig" gewesen". Sie seien jedoch nur selten ausgeschöpft worden. "Es ist auch noch nicht klar, wie sich das neue Gesetz in der Rechtssprechung auswirken wird."
Ansetzen müsse man vielmehr im präventiven Bereich, meint Pinterits. "Es gehört ein Kinderschutz-Paket mit einem eigenen Kinderschutzgesetz geschnürt." Information sei das Wichtigste: "Viele Erwachsene, aber auch viele Kinder wissen nicht, dass man Kinder nicht schlagen darf." Hier gehöre Aufklärungsarbeit geleistet. Schläge von Eltern seien oft ein Zeichen, dass sie der Lage nicht Herr sind. "Auch wer überfordert ist, kann sich Hilfe holen", sagt Pinterits. Wie viele Experten verlangt auch sie die Wiedereinrichtung eines Jugendgerichtshofes.
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