Steirischer Landesrat: "Kein Vollkaskoschutz"

Landesrat Hans Seitinger, ÖVP, ist politisch für die Raumplanung zuständig.

KURIER: Von den Bewohnern in St. Lorenzen kommt der Vorwurf, die Behörden hätten nicht auf Warnungen reagiert.

Seitinger: Das sind müßige Vorwürfe. So eine Dimension war einfach nicht vorauszuberechnen. Es ist zu billig, jetzt nach einem Schuldigen zu suchen, wichtiger ist die Soforthilfe. Aber eines kann ich aus dem Vorwurf als politische Sensibilisierung ableiten: Es ist wichtig, mehr in dem Bereich zu investieren. Und schon jetzt können wir Hochwasser 24 bis 48 Stunden voraussagen.

In St. Lorenzen griff das Vorwarnsystem nicht.

Dort ist genau das eingetroffen, was wir eine klassische Überraschung nennen. Da treten gewaltige Wassermassen auf, das wird aufgestaut. Irgendwann kann diesen überdimensionierten Druck nichts mehr aufhalten. Eine 30 bis 40 Meter hohe Wand vielleicht, aber es ist müßig, darüber zu diskutieren. Einen Vollkaskoschutz wird es beim besten Willen nie geben.

17.000 Gebäude stehen in roten Zonen, also Gefahrengebieten. Was macht man dort?

Das ist Altbestand. Jetzt muss man die Häuser schützen. Ich kann ja nicht zu den Leuten sagen, die ihr Geld investiert haben, schön hier, aber ab morgen findet Wohnen hier nicht mehr statt.

Wie viel Geld haben Sie für Schutzbauten?

Pro Jahr investieren wir 40 Millionen Euro. Aber wenn wir die wichtigsten Prioritäten abdecken wollten, würden wir das Doppelte pro Jahr brauchen. Aber die Budgets von Bund und Land lassen solche Dimensionen nicht zu, leider. Heuer kommen wir aber durch Sondermittel auf 80 Millionen.

Wie hoch ist der Katastrophenfonds zur Soforthilfe dotiert?

Das ist nach Bedarf flexibel. 2008 waren 50 Millionen nötig, 2009 aber 500 Millionen. Seit 2000 haben Unwetterschäden 1,7 Milliarden Euro gekostet.

55.000 Gebäude in Gefahrenzonen

Seit 1975 werden in Österreich Gefahrenzonenpläne für Gemeinden erhoben. Zuständig dafür sind die Experten der Wildbach- und Lawinenverbauung des Lebensministeriums. Wichtigster Parameter für die Ausweisung einer roten Zone sind die Hochwasserspitze eines Fließgewässers, die Lawinen-Gefährdung sowie die Rutschanfälligkeit von Gestein.

Bei Hochwasser transportieren Gewässer viel Geröll. "Diese Geschiebeablagerungen werden unter anderem an den Ufern abgelagert. Können nach Berechnungen diese Steinmassen 70 Zentimeter Höhe überschreiten, wird das Gebiet als rote Zone ausgewiesen", erklärt Alfred Elmar von der Wildbach- und Lawinenverbauung. Gefahrenzonenpläne gibt es für jede der 339 steirischen Gemeinden. Demnach stehen 17.000 Gebäude in den roten Zonen, weitere 38.000 in gelben Zonen.

In den roten Zonen gilt absolutes Bauverbot. "Die dort stehenden Gebäude wurden vor den 70er-Jahren errichtet. Wenn man so will, kann man diese Häuser als Gefahren-Altlast bezeichnen", definiert Experte Elmar. Der Chef der Wildbach- und Lawinenverbauung, Gerhard Baumann, erklärt die gängige Praxis: "Dieses Bauverbot in den ausgewiesenen Zonen wird aber erst seit 2005 eingehalten."

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