Spindelegger will sparen, um Bonität zu retten

Seit es amtlich ist, dass Österreichs Top-Bonität gefährdet ist, schrillen die Alarmglocken: "In Europa ist Feuer am Dach", warnt Vizekanzler
Michael Spindelegger. Die Eurokrise war Hauptthema beim Treffen der konservativen Parteien am Donnerstag und Freitag in London. Auf dem Flug nach London sagte Spindelegger dem KURIER, wie die Regierung das Triple A retten will und wie ein neuer EU-Vertrag aussehen soll.
KURIER: Herr Vizekanzler, wenn auf einer Skala 1 "alles paletti" bedeutet und 5 "Alarmstufe Rot", wo würden Sie die EU und Österreich einreihen?
Michael Spindelegger: Die EU knapp unter 4, aber Österreich inzwischen auch schon bei 3. Wir bewegen uns in die Richtung einer Schuldenspirale aus Neuverschuldung und alten Schulden. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass wir in diesen Strudel geraten. Würde Österreichs Bonität nur um eine Stufe gesenkt, vom Triple A auf AA+, zahlen wir drei Milliarden Euro im Jahr mehr für Zinsen. Das war der Umfang der gesamten letzten Steuerreform!
Was werden Sie jetzt tun?
Ich habe mit dem Kanzler vereinbart, dass eine Schuldenbremse in die Verfassung kommt. Ich werde vorschlagen, dass Österreich die 60-Prozent-Schuldenquote bis 2020 schrittweise erreichen soll.
Das bedeutet aber, dass die Regierung den Sparkurs verschärfen muss. Sind Sie bereit, das zu tun?
Für 2012 gibt es ein Budget. Aber im Frühjahr müssen wir den Finanzrahmen für die Folgejahre festlegen. Es wird darum gehen, klug zu sparen. Nicht bei den Zukunftsinvestitionen, aber sehr wohl dort, wo uns EU und OECD zum Sparen raten: Bei den Frühpensionen, den ÖBB, im Gesundheitssystem und bei den Förderungen.
Wie wollen Sie so schnell Schulden zurückzahlen?
Ein Mittel wären weitere Privatisierungen, indem wir etwa bei der OMV oder der Telekom den Staatsanteil auf 25 Prozent plus eine Aktie reduzieren.
Die ÖVP hat sich bisher in der Diskussion über eine neue Architektur der EU sehr zurück gehalten. Warum plötzlich so scheu?
Wir werden die Europa-Positionierung der ÖVP jetzt voll in Angriff nehmen. Aber wir werden die Frage pragmatisch angehen. Eine Vertragsänderung ist zur kurzfristigen Lösung der Finanzkrise nicht geeignet, aber langfristig ist sie richtig. Wir brauchen einen Schub für mehr Europa, und müssen die Krise dafür zum Anlass nehmen. Klar ist, dass die EU-Kommission gestärkt werden muss. Ich warne davor, dass sich einige wenige Länder ausmachen, was geschieht. Die EU-Kommission hat das Ganze im Auge. Sie muss es sein, die den Ton angibt - im Übrigen in Zukunft auch bei den Ratssitzungen der Staats- und Regierungschefs.
Aber werden die EU-Bürger zu einer Kommission, die derart intransparent bestellt wird, Vertrauen haben? Da gibt es Vorschläge für ein neues EU-Wahlrecht bis hin zur Direktwahl des Kommissionspräsidenten.
Da muss man offen sein und alle Vorschläge diskutieren. Aber mit Realismus.
Werden die Nationalstaaten Souveränität in Richtung EU verlieren?
Es wird einen gewissen Souveränitätsverlust geben. Aber man muss bedenken, was man dafür bekommt. Die Krise hat gezeigt, dass Europa in Wirtschaftsfragen zu wenig an einem Strang zieht. Würde es an einem Strang ziehen, könnte es seine Marktmacht in der globalisierten Welt besser ausspielen. Nach innen brauchen wir eine Art Durchgriffsrecht auf die Budgets. Was wir beim Binnenmarkt bereits vollbracht haben, muss uns auch im Bereich der Währung gelingen. Im Gegenzug sollten Kompetenzen von der EU wieder zurück an die Nationalstaaten wandern, Detailregelungen vor allem. Das Verhältnis sollte so aufgesetzt werden, dass die EU die großen Richtlinien vorgibt, die Ausführung aber bei den Staaten liegt. Österreich soll beispielsweise in Zukunft selbst entscheiden, ob es weiter Glühbirnen gestattet oder nicht.
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