Spindelegger: Durchgriffsrecht auf Landesparteien

Im Fall Ernst Strasser hat das Krisenmanagement der ÖVP funktioniert. Nur wenige Stunden, nachdem auf YouTube jenes Video (Anm.: nicht mehr aufrufbar) veröffentlicht worden war, das den EU-Parlamentarier beim Gespräch mit vermeintlichen Lobbyisten zeigt, sagte sich die ÖVP von ihrem Ex-Minister los.
Im Fall von Josef Martinz ging es nicht so schnell. Nach der Anklage in der Causa Birnbacher im Jänner dieses Jahres legte der damalige ÖVP-Kärnten-Chef zwar seinen Posten als Landesrat nieder. Er blieb aber Chef der Partei. Erst nach seinem Geständnis im Birnbacher-Prozess vor zwei Wochen trat Martinz als Parteichef zurück – viel zu spät, haben viele in der ÖVP beklagt.
Parteiobmann Michael Spindelegger will in solchen Fällen künftig früher einschreiten können. Zu diesem Zweck möchte er in den Parteistatuten ein Durchgriffsrecht auf die Landesparteien verankern: Ist wie im Fall Kärnten bei einem Landespolitiker "Gefahr im Verzug", soll die Bundespartei diesen notfalls zum Rücktritt zwingen können.
Die beiden mächtigsten ÖVP-Landesparteichefs, Erwin Pröll (Niederösterreich) und Josef Pühringer (Oberösterreich), priesen das prompt als gute Idee – mit ihnen hatte Spindelegger seinen Vorstoß freilich abgesprochen.
Auch die Landesparteien in Wien, Tirol, Kärnten und in der Steiermark sind für das Durchgriffsrecht. Sie alle wollen aber wie Pröll und Pühringer "keine Einbahnstraße": Wenn bei einem ÖVP-Bundespolitiker "Gefahr im Verzug" ist, müsse es ebenfalls Sanktionen geben können.
Widerstand
Gegen den Spindelegger-Vorstoß sind die ÖVP-Salzburg und die ÖVP-Burgenland. "Bei uns ist das nicht nötig. Wir gehen unseren Weg, der von Transparenz und Sauberkeit geprägt ist, selbst", sagte Salzburgs Wilfried Haslauer.
Die Spitzen der ÖVP-Bünde wiederum unterstützen Spindeleggers Vorstoß.
Wie der Durchgriff auf die Landesparteien konkret funktionieren soll, das müsse man erst erarbeiten, heißt es in der Bundes-Parteizentrale. Eine Möglichkeit: Nicht der Parteichef, sondern der Bundesparteivorstand, in dem auch Länder- und Bündevertreter sind, entscheidet, ob bei "Gefahr um Verzug" jemand gehen muss.
Politikberater Thomas Hofer hält Spindeleggers Vorstoß für klug: "Er kann damit nach dem Anlassfall Martinz Härte demonstrieren." Dass Spindelegger künftig bei den Landesparteien hineinregiert, werde es aber nicht spielen, meint Hofer. "Es ist realpolitisch undenkbar, dass ein Parteiobmann der ÖVP, egal, wie er heißt, etwa gegen einen Erwin Pröll in Niederösterreich durchgreift – ganz egal, was in einem Parteistatut steht."
Strassers Pressesprecher: "Haben Konsequenz vor eineinhalb Jahren gezogen"

Hannes Rauch war einst Ernst Strassers Pressesprecher. Heute muss der ÖVP-General die Frage beantworten, wie die Partei nach den Affären um Strasser und die VP-Kärnten auf die Beine kommen will.
KURIER: Herr Rauch, nach den Skandalen in Kärnten folgt die Anklage gegen Strasser. Schlimmer kann es für die ÖVP nicht kommen, oder?
Hannes Rauch: Jetzt ist die Justiz am Zug. Wir können als ÖVP Vergangenes nicht ungeschehen machen. Wir haben Konsequenzen gezogen. Er ist seit eineinhalb Jahren kein Teil der ÖVP mehr. Bei uns wird gegen keinen aktiven Landes- oder Bundespolitiker ermittelt – im Gegensatz zu anderen Parteien.
Für die ÖVP-Kärnten wäre eine Wahl jetzt verheerend. Ist die ÖVP wirklich für schnelle Wahlen – oder ist das Taktik, weil die FPK sowieso alles blockiert?
Der neue Obmann Gabriel Obernosterer hat sich für Neuwahlen ausgesprochen. Wir wollen eine neue Polit- Kultur und haben bei uns den Wechsel auch vollzogen.
War der Preis für die ÖVP-FPÖ-Koalition rückblickend zu hoch – haben Sie Kärnten geopfert?
Solche Entscheidungen trifft man aus der Gegenwart heraus. Die Zeit war richtig.
Womit starten Sie nun in den Vorwahlkampf?
Wir sind weder im Vor- noch im Wahlkampf. Die Rahmenbedingungen sind klar: Wirtschaftskrise, Krise des Euroraumes. Dafür wird es Ansagen brauchen, unsere ist das konservative Wirtschaften. Wir wollen einen starken Euro. Es braucht keine unglaubwürdigen Steuergeschenke und kein Basar-Geschrei. Wir stehen für Wohlstand, Werte, Wachstum. Auch die direkte Demokratie wird eine Rolle spielen.
Das hört sich anders an als Ihre Anti-"Rot-Grün-Fibel".
Rote wie grüne Politiker träumen ja immer wieder davon, also muss man aufzeigen, was das heißt. Offenbar hat die Kommunikation funktioniert, wenn 500 Druckexemplare die Innenpolitik seit vier Wochen beschäftigen können.
Interview: Dominik Sinnreich
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