Skandalfall Graf: "Positive Wahlwerbung ist das keine"

Zwei Männer in Anzügen sitzen nebeneinander.
Kärntens Landeschef Dörfler kritisiert den Parteifreund scharf. Die FPÖ-Spitze macht ihm aber nach wie vor die Mauer.

Selten zuvor hat ein Parteitag der Wiener FPÖ so viel Aufmerksamkeit erregt wie der am Sonntag. Nicht, weil er dort stattfindet, wo ein Mal jährlich die blauen Burschenschafter tanzen, in der Hofburg. Nicht, weil Obmann Heinz-Christian Strache gegen "Grausamkeiten von Rot-Grün" in der Stadt wettert. Grund des Interesses ist der Umgang der freiheitlichen Granden mit dem Dauer-Skandalfall Martin Graf.

Dem Dritten Nationalratspräsidenten wird ja nicht nur vorgeworfen, die 90-jährige Gertrud Meschar getäuscht zu haben – als Vorstand ihrer Privatstiftung. Jetzt gilt er auch noch als Hochstapler: Graf hat sich 1994 und 1999 auf einer amtlichen Wahlvorschlagsliste für die Nationalratswahl als "Rechtsanwalt" tituliert. Die Regionalparteiliste Wien Nord führte diese Berufsbezeichnung neben seinem Namen und dem Geburtsjahr. Graf war aber nie Rechtsanwalt, sondern nur Anwärter – von 1992 bis 2002. Selbst Gesinnungsfreunde hat er juristisch nicht überzeugt, wie Graf jüngst dem KURIER bestätigte: Wilhelm Brauneder, einst ebenfalls Dritter Nationalratspräsident, habe ihn zwei Mal beim Rigorosum in Rechtsgeschichte durchfallen lassen.

Jemand, der sich als Anwalt ausgibt, ohne dafür ausgebildet zu sein, macht sich der Winkelschreiberei schuldig. Das sieht auch Gertrud Meschars Anwalt, Alexander Hofmann, so. Er meint, dass auch zu prüfen sei, ob zudem der Tatbestand des Betruges erfüllt sei – "durch Ausnützen der besonderen Vertrauensstellung, den der Berufsstand der Rechtsanwälte in der Bevölkerung genießt". Wobei Hofmann nach Rücksprache mit Frau Meschar anfügt: "Ihr gegenüber hat sich Herr Graf nicht als Rechtsanwalt ausgegeben."

Reihen dicht

Eine ältere Frau mit einem Gehstock im Garten.

Wie reagiert die Parteispitze? Wie üblich, wenn einer der Ihren in Erklärungsnotstand ist: sie mauert. "Bei der Stiftung wird das Prüfverfahren ergeben, dass alles ordnungsgemäß war", sagt FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky dem KURIER. Und dass Graf mit falscher Berufsbezeichnung auf einer Liste gestanden habe, sei "ein Lapsus der Verwaltung. Graf hat seinen Beruf nie falsch angegeben." Als Nationalratspräsident zurücktreten werde dieser trotz Aufforderungen aus allen anderen Parteien "selbstverständlich nicht".

Am Sonntag werden die FPÖ-Spitzen die Causa Graf selbst anschneiden, wie Vilimsky sagt – als "unwürdige Hetzjagd" gegen den Parteifreund, dessen Polit-Leistungen gewürdigt werden. Auch Graf werde sich äußern. Für ihn gibt es auch einen internen Stimmungstest; er soll ja als Mitglied des Wiener Parteivorstands, das er seit 2003 ist, wiedergewählt werden. Vilimsky rechnet mit großem Zuspruch für den "Alten Herrn" der rechtsrechten " Olympia": "Unsere Leute sind erfahren genug, um mit der Sache umzugehen."

Ein Mann im Anzug gestikuliert vor einem Hintergrund mit dem Logo der FPÖ.
Vertrauensverlust: Haider- Erbe Gerhard Dörfler (FPK).

Nicht nur vor der Hofburg wird am Sonntag gegen Graf protestiert, auch in den eigenen Reihen missfallen dessen Umtriebe zusehends. Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler von der Schwesterpartei FPK sagt zum KURIER: "Ich bin sprachlos. Ich kenne die Details nicht, aber es ist schlecht, wenn ein Politiker in solche menschlichen Konflikte verstrickt ist. Positive Wahlwerbung ist das keine."

Das ganze Interview mit Kärntens LH Gerhard Dörfler lesen Sie hier.

Neuer Anlauf zur Abwahl eines Präsidenten

Auch kommende Woche wird es politisch ungemütlich für den Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf. Dienstagabend wird es eine Menschenkette um das Parlament, in dem der Nationalrat tagt, geben. "Graf muss gehen" wird das Motto linker Gruppierungen und der Grünen sein. Diese werden tags darauf neuerlich beantragen, dass Nationalratspräsidenten künftig abgewählt werden können; dies ist derzeit ja nicht möglich.

Graf zeige keinerlei Einsicht; das Parlament habe Wege zu finden, ihn zu entheben, befindet Grün-Mandatar Karl Öllinger. Seine Parteichefin Eva Glawischnig sieht gute Chancen, diesmal damit durchzukommen. Sie bezieht sich auf Aussagen von ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf im KURIER. Da hatte er nicht nur befunden, Graf den Rücktritt nahezulegen, wenn dieser ÖVP-Funktionär wäre; er hatte auch dafür plädiert, einen Nationalratspräsidenten abwählen zu können. Freilich nur dann, wenn er strafrechtlich verurteilt worden ist – und der Nationalrat beim Verfassungsgericht die Ablöse beantragt.

Von diesem Procedere hält SPÖ-Klubobmann Josef Cap nichts. Er möchte, dass ein Präsident sein Amt los ist, wenn zwei Drittel der 183 Nationalratsmandatare dafür stimmen. "Die Abgeordneten wählen einen Präsidenten, sie sollen ihn auch abwählen können", sagt Cap dem KURIER. Er werde erneut versuchen, die ÖVP vom SPÖ-Modell zu überzeugen. "Unabhängig davon erwarte ich, dass Graf beziehungsweise die FPÖ die Konsequenzen zieht."

Auch ehemalige Parteifreunde erhöhen den Druck auf Graf. "Er muss sich bewusst sein, dass er als Präsident jegliche Autorität verloren hat", urteilt BZÖ-Abgeordneter Gerald Grosz. Ein Nationalratspräsident habe als moralische Instanz zu fungieren, diesen Anspruch habe Graf sowohl mit dem Stiftungsskandal als auch mit der falschen Titulierung als Rechtsanwalt auf Wahllisten verwirkt; Graf müsse abdanken.

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