Regierungschefin Radicová hat genug

Regierungschefin Radicová hat genug
Mit ihrer Pro-Europa-Haltung ist die slowakische Ministerpräsidentin gescheitert: "Ich habe genug von der Politik", sagt Iveta Radicová im KURIER-Interview.

Nur politische Stabilität kann Europa aus der Krise führen", sagt die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radičová. Um den Euro zu retten, fordert sie einen neuen EU-Vertrag mit strikten Regeln. Eine Spaltung der Euro-Zone schließt sie nicht aus. Die Regierungschefin, die an der Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm gescheitert ist, hat die Nase voll von der Politik, sie will wieder als Soziologie-Professorin an der Uni in Bratislava arbeiten.

KURIER: Frau Ministerpräsidentin, die Euro-Schuldenkrise verschärft sich täglich. Fällt jetzt auch Italien?

Iveta Radičová:
Italiens Krise kann nur politische Stabilität lösen. Das ist die Bedingung für ökonomische Stabilität. Italien braucht sofort eine neue Regierung, Reformen und die Konsolidierung des Budgets. Italien ist völlig anders als Griechenland. Es hat eigene Ressourcen.

Zerfällt die Euro-Zone?
Die Euro-Zone ist ein Projekt, das auf politischer Übereinkunft basiert. Es fehlen der Stabilitätsfaktor und die gemeinsame Fiskalpolitik. Es muss die Möglichkeit geben zu sagen, ob ein Land zur Euro-Zone gehören will oder nicht. Man kann den Euro behalten, aber nicht Mitglied der Euro-Zone sein. Montenegro hat den Euro, gehört aber nicht einmal zur EU. Wir brauchen einen neuen EU-Vertrag mit strengen Regeln und Sanktionsmöglichkeiten. Jedes Land hat die Chance, unabhängig zu entscheiden, ob es zu der Euro-Union gehören will oder nicht. Man kann sagen: Take it or leave it.

Wird Griechenland den Euro aufgeben?
Das hängt von den Griechen selbst ab.

Ihre Regierung ist an der Abstimmung über den Euro-Rettungsfonds EFSF gescheitert. Sind Sie Opfer der Krise?

Nein, ich fühle mich nicht als Opfer. Die Vertrauensfrage zu stellen, war der einzige Weg für mich. Ich habe damit auch eine europäische Haltung gezeigt. Ich wollte, dass die EU-Gipfelentscheidungen einen Sinn haben.

Steckte dahinter nicht auch ein Machtkampf in Ihrer eigenen Partei?
Es war ein Konflikt zwischen zwei Positionen. Es gab drei Koalitionsparteien, die für die Euro-Zone sind. Und die Opposition, die sämtlichen Standards widersprochen hat. Der Oppositionschef (Ex-Premier Robert Fico von der Sozialdemokratischen Partei Smer, Anm. d. Red.) hat das EU-Thema innenpolitisch als Instrument genützt, um die Regierung zu stürzen. Ich verstehe das Nein meines Koalitionspartners (Richard Sulík, Parteichef der neoliberalen SaS) , aber ich verstehe absolut nicht die Opposition, die gesagt hat, ohne Verknüpfung mit der Vertrauensfrage stimmen sie nicht zu. Ich zahlte einen sehr hohen Preis.

Regierungschefin Radicová hat genug

Sind Sie frustriert?
Ich werde die Politik verlassen und aus der Partei austreten. Ich habe genug von der Politik.

Warum?

Ich habe den Wählern versprochen, das Regierungsprogramm durchzusetzen und die Regierung vier Jahre lang zu führen. So gesehen war ich nicht erfolgreich. Das ist es.

Gehen Sie mit einem schlechten Gefühl?
Nein. Das Leben ist nicht weiß oder schwarz. In 15 Monaten haben wir auch einiges erreicht: Transparenz in der Politik und weitreichende Anti-Korruptionsmaßnahmen. Das ist ein großer Wandel. Wir haben die Justizreform gestartet, Unternehmensgründungen verbessert und das Arbeitsrecht reformiert. Laut OECD haben wir jetzt eine der flexibelsten Rechtsgrundlagen. Das ist eine Bedingung, neue Jobs zu schaffen. Während der Krise ist bei uns die Beschäftigungsrate gestiegen.

Ist mehr Integration die Lösung für die Euro-Krise?
Die beste Lösung ist, die Schuldenkrise zu Hause zu meistern, das Defizit abzubauen und Reformen durchzuführen. Es braucht aber auch den Euro-Rettungsschirm und internationale Lösungen.

Entwickelt sich die EU zu einer Transfer-Union?
Die Kluft zwischen Versprechungen und ökonomischer Realität wird größer. Schulden sind das Resultat eines unverantwortlichen politischen Verhaltens der Regierungen. Auch die Banken, der Finanzsektor, die Rating-Agenturen haben dazu beigetragen. Wir haben die tiefste Krise nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Lösung wird lange dauern.

Was ist die aktuelle Herausforderung für die Politiker?
Darauf gibt es keine einfache Antwort. Wir haben Probleme mit den südlichen EU-Ländern. China, Russland und die Probleme in den USA fordern uns heraus. Es gibt kein Vertrauen mehr in die Politik, in den Markt, in die Banken, in die Institutionen. Dieses Vertrauen zurückzugewinnen, das wird Jahre brauchen.

Das AKW-Mochovce wird ausgebaut. Die Österreicher sind besorgt. Hat die Slowakei nichts aus Fukushima gelernt?

Ich verstehe die Österreicher, die Bevölkerung hat Angst. Wir haben den Austausch von Informationen vereinbart, jede Art von Kontrolle. Es kommen auch neue Stresstests. Wir haben keine andere Alternative: 50 Prozent unserer Energie kommt aus Atomkraftwerken. Der einzige Weg ist Sicherheit und der Ausbau alternativer Energiequellen. Jetzt den Ausbau von Mochovce zu stoppen, wäre nicht akzeptabel.

Kommentare