Rechte Terrorzelle: Schock in Deutschland

Die spektakuläre Wende bei den Ermittlungen rund um den Polizistinnen-Mord von Heilbronn lässt in Deutschland die Wogen hochgehen. Am Samstag gerieten nach dem Bekanntwerden der möglicherweise rechtsterroristischen Mordserie die Sicherheitsbehörden in die Schusslinie. Wie berichtet, soll laut der deutschen Bundesstaatsanwaltschaft eine rechtsextremistische Gruppierung hinter dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und auch den sogenannten "Döner-Morden" stecken, der Ermordung von acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer.
Was wussten Geheimdienste?

Der Vorsitzende des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Bundestags-Gremiums, Thomas Oppermann, erklärte nun, er sei schockiert, dass es einer rechtsextremen Bande gelinge, über zehn Jahre hinweg unbehelligt Morde in Deutschland zu begehen. Es müsse gefragt werden, was bei der Aufklärung schiefgelaufen sei.
Die mutmaßlichen Täter wären schließlich schon in den 90er Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestanden. "Der Thüringer Verfassungsschutz hatte 24 Aktenordner, aber keine Ahnung", kritisierte der SPD-Politiker. Der Fall müsse ein Weckruf sein, Rechtsextremismus endlich entschieden zu bekämpfen.
Kritik kommt auch vom innenpolitischen Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Er sagte der Mitteldeutschen Zeitung, dass der
Geheimdienst möglicherweise mehr über die Hintergründe der Taten gewusst habe, als bisher bekannt sei. "Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich aus all dem noch ein Verfassungsschutzproblem ergibt."
Warnung vor rechten Terroristen
Der nordrhein-westfälische Innenminister
Ralf Jäger (
SPD) warnte nach der Wende in den Ermittlungen vor Rechtsterrorismus in Deutschland. "Wir müssen die Hintergründe sorgfältig aufklären, aber was wir bisher wissen, ist in seinem Ausmaß erschütternd", sagte Jäger am Samstag laut mehreren Zeitungen. "Aus Rechtsextremisten sind Terroristen geworden."
"Wir prüfen auch, ob in diesem Zusammenhang weitere Straftaten in Nordrhein-Westfalen begangen worden sind", sagte Jäger. Dabei soll es laut deutschen Medien um einen Nagelbombenanschlag in einer überwiegend von Türken bewohnten Straße in Köln im Jahr 2004 sowie um einen Anschlag auf jüdische Aussiedler an einer S-Bahn-Haltestelle in Düsseldorf im Jahr 2000 gehen.
Polizeipanne
Nach Informationen des Tagesspiegels hätten die Verdächtigen indes bereits 1998 festgenommen werden können. Im dem Jahr hätten Beamte vor einer Razzia Beate Z. einen Durchsuchungsbefehl übergeben, sie aber nicht in Gewahrsam genommen. Bei der Razzia in einer Garage seien mehrere Rohrbomben entdeckt worden. Eine Festnahme habe es aber dennoch nicht gegeben. Danach sei Beate Z., die derzeit in Untersuchungshaft sitzt, mit zwei weiteren, mittlerweile toten Männern jahrelang untergetaucht.
Moslem-Vertreter: "Home Grown Terrorists"

Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, nannte die Morde an der Polizistin in
Heilbronn und an neun ausländischen Ladenbesitzern Terrorismus. "Für mich ist das ein klassischer Fall von home grown terrorists - und zwar über Jahre hinweg", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung. In dem gleichen Blatt sprach der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, von "Rechtsterrorismus". "Wir werden in der Türkischen Gemeinde gleich morgen darüber sprechen und entsprechende Protestaktionen starten", wird Kolat zitiert.
Zwischen September 2000 und April 2006 waren acht türkische und ein griechischer Unternehmer erschossen worden. Die blutige Spur zog sich quer durch Deutschland: Drei Morde ereigneten sich in Nürnberg, zwei weitere in München, jeweils ein Mord geschah in Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel. Benutzt wurde immer dieselbe Waffe, eine tschechische Pistole der Marke Ceska, Kaliber 7,65. Die wurde jetzt in der Wohnung der Tatverdächtigen im Fall der 2007 in Heilbronn ermordeten Polizistin gefunden.
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